Rassismus historisch erklärbar?

Kerstin Volker-Saad über Afrikaner an europäischen Fürstenhöfen

Die Ethnologin ist Kuratorin der Ausstellung »Äthiopien und Deutschland« in Leipzig, Völkerkundemuseum (bis 27.8.).

ND: Kurz nachdem im April ein Deutsch-Äthiopier in Potsdam misshandelt wurde, haben Sie im Auftrag der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die Ausstellung eröffnet, die Äthiopien als Partner für Deutschland darstellt.

Kerstin Volker-Saad: Der Zeitpunkt war ein Zufall, aber wie eine Bestätigung für unsere Arbeit: ein positives Äthiopien-Image aufzubauen und nicht das defizitäre Afrika zu zeigen. Die Frage ist für mich: Warum können wir nicht ohne fremdenfeindliche Übergriffe miteinander leben?

Anscheinend besaßen einst Afrikaner in Europa hohes Ansehen. Fürst Hermann von Pückler-Muskau ließ um 1839 seine von einer Ägypten-Reise mitgebrachte Machbuba in kostbaren Gewändern malen und schwärmte in Büchern von ihr.

Das sehe ich genauso. Pückler verehrte Machbuba, reiste mit ihr und lernte von ihr Arabisch, sie von ihm Französisch. Sie war keine Person, die sich ihm bedingungslos unterworfen hat. Pückler hatte Freude daran, etwas über ihre Kultur zu lernen.

War Pückler damit eine Ausnahmeerscheinung seiner Zeit?

Die Wiener Gesellschaft war neugierig auf Machbuba, die Äthiopierin. Pückler hat sie 1840 am Hof Ferdinands I. eingeführt, sie korrespondierte unter anderem mit Fürstin Metternich. Diese Briefe sind noch nicht vollständig ausgewertet. 1841 kam Machbuba nach Deutschland und stieß dort auf weniger Wohlwollen. Alexander von Ungern-Sternberg widmete 1848 im Buch »Tutu« der Beziehung Pückler-Machbuba vier Seiten und hat »die Negerin« sehr negativ gesehen. Pücklers geschiedene Frau Lucie hat sich geweigert, sie zu empfangen. Lucie reiste dann mit Pückler nach Berlin. Machbuba blieb mit dem Leibarzt zurück und verstarb bald darauf an Schwindsucht.

Waren an anderen Höfen Afrikaner willkommen?

In der Ausstellung wird deutlich, dass Äthiopier an europäische Höfe geholt wurden, weil sie Gelehrte waren und besondere Fähigkeiten hatten. Der äthiopische Gelehrte Abba Gregorius, der mit Hiob Ludolf die deutsche Äthiopistik begründete, war 1652 zu Gast bei Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Später hat sich August der Starke für Afrika begeistert. Bei Festen stilisierte er sich selbst als Mohrenkönig. Er trug dazu eine zweite Haut aus dunklem Leder, über der barocke Kostüme angezogen wurden. Afrika war damals weitgehend unbekannt und stand für das Großartige.

Hatte man dabei Gold und andere Schätze im Sinn?

Nicht nur. August der Starke hat eine der ersten Forschungsexpeditionen auf den Weg gebracht, er schickte 1731 die Wissenschaftler Johann Ernst Hebenstreit und Christian Gottlieb Ludwig nach Nordafrika. Ihr Auftrag war, die Schatz- und Naturalienkammern zu füllen. Sie sollten also Tiere, ethnographische Objekte und Sklaven mitbringen. Durch den Tod Augusts des Starken mussten sie die Expedition aber abbrechen.

Die Afrikaner, die an den Hof August des Starken kamen, waren Sklaven. 1884/85 wurde zwar der Sklavenhandel verboten, aber Deutschland als Kolonialmacht anerkannt. Resultiert aus dieser Vergangenheit bis heute ein Bild von minderwertigen Menschen, die man auch misshandeln kann?

Das wäre eine brutale Schlussfolgerung. Die Menschen, die andere misshandeln, reflektieren nicht historisch. Rassismus hat viele Gründe, die in der Kürze gar nicht darzustellen sind. Sicherlich spielen dabei Ängste vor dem Fremden eine Rolle.

Fragen: Matthias Busse

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=94724&IDC=33