Schule, Integration und Kosmopolitismus
Ethnologe Markus Biedermann kommentiert das Thema Schule und Integration. Die Berliner Rütli-Hauptschule ist nun als Paradebeispiel für gescheiterte integrative Schulpolitik in aller Munde, schreibt er. Der Kampf um Anerkennung, den türkische und arabische Jugendliche führen, wird reduziert auf Gewalt und Gegengewalt. Notwendiger denn je ist jedoch eine Diskussion über die Struktur und die Kultur des Schulsystems, kommentiert Tanjev Schultz in der Sueddeutschen.
Biedermann empfiehlt das Buch Staat - Schule - Ethnizität, das auf ethnologische Feldforschungen an Schulen in Berlin, Rotterdam, London und Paris basiert. Waehrend DIE ZEIT ihre Buchbesprechung politisch korrekt Multikulti ade titelt, sind Biedermann zufolge die Erkenntnisse des Buches differenzierter.
Integration funktioniert u.a. nicht weil die Deutschen den Einwanderern soviel Misstrauen entgegengebringen und sie die Einwanderer faelschlicherweise als Repraesentanten von Einwandererkulturen betrachten. Die eingewanderten Bevölkerungsgruppen finden sich "als negativ definiertes Kollektiv der ‘Nicht-Deutschen’" wieder.
>> zum Beitrag von Markus Biedermann
In letzter Zeit wurde der Ruf nach mehr Kosmopolitismus laut. Anstatt von deutscher Leitkultur und obskuren westlichen Werten zu reden, sollte eine Weltgemeinschaft geschaffen werden. Die national orientierte Ausbildung in der Schule macht uns zu Rechtspopulisten. In der Schule sollte man daher eher zu Weltbuergern erzogen werden, fordert u.a. der daenische Paedagoge Peter Kemp in seinem Buch "Verdensborgeren som pædagogisk ideal" (Der Weltbuerger als politisches Ideal). Siehe dazu meinen Text For an Anthropology of Cosmopolitanism.
Siehe auch taz Special: Eine Hauptschule gibt auf (Ein sehr eigenartiges Schulsystem: Die typisch deutsche Dreiteilung haette schon lange abgeschafft werden sollen!)
UPDATE (5.4.06): Ausgezeichneter Text von Heribert Prantl in der Sueddeutschen: Er formuliert zehn Regeln, um Ausländern in Deutschland den Weg zur Integration erfolgreich zu verbauen (via woweezowee)
Ein sehr wichtiges Problem ist dabei auch, dass auch von Lehrerseite aus formuliert wird, dass so genannte ausländische Schüler sich anpassen sollten.
Abgesehen davon, dass das Hirn zwar lernfähig ist, aber eben nicht auf der Basis von Anpassung, sondern von Konstruktion (und das ist nun leider - oder zum Glück! - etwas ganz anderes), hat mir kein Lehrer, der solche Ansichten geäußert hat, irgendeine sinnvolle Antwort auf die Frage geben können, was denn nun unsere Kultur sei.
Ich mag nicht auf die Lehrer generell schimpfen, denn es gibt einige unter ihnen, die ganz ganz großartige Menschen sind, aber solche Ansichten sind meiner Ansicht nach mit ein Problem, warum Schule als Integrationsort versagt.