Headbangen und Kühemelken - Kulturclash in Norddeutschland
Was passiert, wenn zwei Kulturen aufeinanderprallen? Dieser Frage geht Sung-Hyung Cho im Film Full Metal Village nach. Sie studierte dabei nicht wie altmodische Forscher "Tuerken" und "Deutsche", sondern Headbanger und Bauern: Was passiert wenn Horden von Metalfans ins das norddeutsche Nest Wacken einfallen? Wir lesen in der Filmbeschreibung:
Der kulturelle Unterschied zwischen den Bewohnern von Wacken und den aus der ganzen Welt angereisten Heavy Metal Fans kann bei oberflächlicher Betrachtung nicht größer sein. Hier Spitzenblusen, goldene Kruzifixe und dunkle Einreiher, da schwarze Lederhosen, Nietenhalsbänder, tätowierte Teufel und schulterlange Haare.
Einmal im Jahr, am ersten Wochenende im August, ist es in dem kleinen schleswig-holsteinischen Dorf Wacken vorbei mit Ruhe und Beschaulichkeit, die sonst das Leben in der 2000-Seelen-Gemeinde prägt, denn dann findet für drei Tage das Wacken Open Air Festival statt. Angefangen hat das alles vor 17 Jahren in einer Kuhle mit ein paar hundert "Headbangern". In den darauffolgenden Jahren kamen ein paar Tausend. Jetzt ist das Wacken Open Air mit 40.000 Metallern aus aller Welt so etwas wie ein Wallfahrtsort geworden.
Doch die 40-jährige koreanische Filmemacherin, die seit 17 Jahren in Deutschland lebt und hier studiert hat, hat sicher noch mehr "Kulturen" entdeckt, den die Eingeboren in Wacken sind alles andere als homogen. Hier hat es viel kulturell Komplexitaet. "Der Regisseurin Sung-Hyung Cho muss während der Recherche zum Film wohl klar geworden sein, dass eigentlich nichts schillernder, geheimnisvoller und exotischer ist als das vermeintlich schlichte Landleben", schreibt der Spiegel.
Die Filmemacherin erzaehlt:
Oma Irmchen zum Beispiel mag das Festival nicht. Nicht, weil sie die Leute nicht ausstehen kann oder so, sondern weil sie religiös ist. Sehr, sehr religiös und streng gläubig. Das hat mit ihrer Biographie zu tun. Sie ist eine Flüchtlingstochter aus Ostpreußen. Sie hat einen langen und schwierigen Weg von Ostpreußen nach Schleswig-Holstein durchgemacht und hat unterwegs Tote gesehen und Tod erlebt. Sie ist überzeugt davon, dass der liebe Gott ihre Familie geschützt hat und deswegen ist sie sehr gläubig und deswegen ist sie gegen das Wacken Open Air. Das ist etwas Essentielles und etwas ganz Rührendes.
Auch wenn Bauer Trede die Geschäfte macht, ist das sehr essentiell. Als Bauer ist es nicht einfach zu überleben. Ohne Subventionen kommen die nicht klar. Daher guckt er immer nach anderen Möglichkeiten, seinen Hof weiterzuführen. So kam es auch zustande, dass er der Chef der Ordner wurde, die Felder verpachtet und so weiter. (...)
Das ist so ein kleines Dorf, da gibt es so wenige Alternativen für junge Leute und das Leben ist wirklich so schlicht und einfach. Da sucht sie nach Alternativen für ein anderes Leben, und das Festival mit Fremden aus aller Welt ist wie ein Rettungsanker. Das ist die weite Welt für sie und das ist wieder essentiell.
Interessant:
Die langhaarigen, schwarzbetuchten und eisenbehangenen Metal-Fans indes schweißen die Landbewohner eher zusammen, denn Widersprüche und Ungereimtheiten im dörflichen Miteinander werden durch sie zum Verstummen gebracht. Deshalb ist es nur konsequent, dass Sung-Hyung Cho in ihre Produktion, die als erste Dokumentation mit dem renommierten Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wurde, die Wackener die meiste Zeit unter sich zeigt, also vor dem großen Open-Air-Ansturm. Der Alltag fördert einfach mehr Wahrheiten zutage als der Ausnahmezustand einmal im Jahr.
>> zum SPIEGEL-Artikel: Teufelsanbeter im Paradies
>> Interview mit der Filmemacherin und Info zum Film auf wacken.com
>> YouTube: Full Metal Wacken (Video)
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