Deutschlandforschung: Wofür sich "ausländische" Ethnologen interessieren
Was ist deutsch? Hanno Kabel hat einen sehr schönen Text in der Ostseezeitung geschrieben- In einem Gespräch mit dem Ethnologen Thomas Hauschild zeigt er auf, wie nicht-deutsche Ethnologen Stereotypen über das “Deutschsein” herausfordern. Sie erzählen “die wahren Geschichten von Deutschland jenseits von Bier, Autos und Sauerkraut".
“Gibt es überhaupt etwas, was alle Deutschen miteinander verbindet; etwas, das sie zu einem Volk macht", ist seine (ironische) Ausgangsfrage und listet gängige Klischees wie Pünktlichkeit auf. Hauschild macht sein Vorhaben zunichte und sagt:
„Das, was Deutsche gern als “preußische Tugenden” hochhalten, sind ganz normale Tugenden einer hochorganisierten Industriegesellschaft. Egal, ob man im Computerbusiness oder in einer Reinigungsfirma arbeitet: Man muss überall sehr diszipliniert sein, um mitzuhalten.“
Es gibt viele ausländische Ethnologen, die deutsche Sitten und Gebräuche erforschen, erzählt Hauschild. Diese befassen sich jedoch mit ganz anderen Themen.
Eine englische Ethnologin interessiert sich für Kinderkrippen. Sie fand heraus, dass Mütter sich die sexistischen Rollenbilder zu eigen machten.
Indonesische Ethnologen untersuchten z.B. wie die Deutschen feilschen:
Ergebnis: Sie können es nicht. Nicht, weil sie steifer, korrekter oder unbegabter wären als andere – sondern schlicht deshalb, weil Rabatte seit 1933 verboten waren. „Deswegen schwärmen die Deutschen auch so für Flohmärkte oder Märkte in Italien“, sagt Hauschild. Erst 2001 wurde das Rabattgesetz abgeschafft.
Zurzeit interessierten sich die ausländischen Ethnologen laut Hauschild vor allem für die Schwächung der deutschen Institutionen: das schwindende Vertrauen in die Politiker und die Bundesbehörden, die Privatisierung öffentlicher Aufgaben.
Was ist deutsch? “Am Ende gibt es nur eine zuverlässige Antwort: das Grundgesetz und ein deutscher Pass", konkludiert Hanno Kabel, der auch über den neuen Einbürgerungstest schreibt.
>> zum Text in der Ostseezeitung
Die Zeit hatte vor neun Jahren einen Artikel mit dem Titel “Das wilde Germanistan. Wie ausländische Ethnologen versuchen, das deutsche Wesen zu ergründen”
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