Bildungsstreik: Seminar für Ethnologie in Halle besetzt
“Werdet aktiv und besetzt Eure Institute” steht auf den Flyern. Der Bildungsstreik in Deutschland hat begonnen. Seit gestern ist das Seminar für Ethnologie in Halle besetzt.
Auf halleforum.de lesen wir:
Die erste Besetzung eines Gebäudes der Martin-Luther-Universität ereignete sich am Montag am ethnologischen Institut. Studierende blockierten in der Nacht zum 15. Juni das Haus in der Reichardtstraße und machten es so für den Lehr- und Arbeitsbetrieb unzugänglich. An vielen anderen Instituten und Fakultäten wurde indes der Lehrbetrieb mehr oder minder ausgesetzt.
Die meisten Dozenten erklären sich weitgehend solidarisch mit den Studierenden und sehen von Anwesenheitspflicht und anderen Zwängen ab. Ebenso kam es in vielen Seminaren zu Diskussionsrunden, in denen sich Sudenten und Hochschullehrer mit den Themen des Streiks auseinander setzten.
Die Mitteldeutsche Zeitung schreibt:
Die Proteste der Studenten richten sich vor allem gegen zwei Aspekte: Einerseits wird immer wieder die Umsetzung des so genannten Bologna-Prozesses moniert, mit dem sich Studienabschlüsse in Europa leichter vergleichbar machen lassen sollen. Die Einführung der damit einhergehenden neuen Bachelor- und Masterabschlüsse bringt aber Probleme. “Viele Studenten stehen seitdem unter massivem Zeitdruck", sagt Döring. Außerdem sei das neue System “viel zu verschult".
Darüber hinaus beklagen die Studenten aber auch die chronische Finanznot der Hochschulen, die sich offenbar noch verschärfen könnte. Denn mitten in den Protest platzte in der vergangenen Woche ein Strategiepapier von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), in dem angekündigt wird, dass die Hochschulen in Sachsen-Anhalt nach 2011 mit weiteren Kürzungen in Millionenhöhe rechnen müssten.
Aus diesen Gründen sind seit Montag alle Studenten der Uni aufgerufen, ihren Lehrveranstaltungen fern zu bleiben. “Wir hoffen, dass sich daran möglichst viele beteiligen", sagt (Florian) Döring, der im zehnten Semester Soziologie studiert. Außerdem soll am kommenden Mittwoch auf dem Universitätsplatz ab 12 Uhr eine große Demonstration starten.
Einer offiziellen Pressemitteilung zufolge sei das Ziel der Aktionen nicht, den Lehrbetrieb einzustellen, “sondern in Solidarität mit anderen Instituten, alternative Lösungen für bestehende Probleme in der deutschen Hochschulpolitik zu entwickeln.”
Mehr zum bundesweiten Streik auch in der ZEIT und im Tagesspiegel sowie auf http://www.bildungsstreik-halle.de
AKTUALISIERUNG: Interview mit Mitorganisator Felix Heinze über soziale Auslese, verängstigte Professoren und die Angst vor Straßenschlachten (Sueddeutsche, 16.6.09) und Interview mit den Studierenden Hella Proetzel und Robin May (Mitteldeutsche Zeitung, 16.6.09)
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