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Vom Sinn einer Streitkultur

In Burkina Faso zanken sich Bauern und Hirten ständig. Vielleicht ist das besser, als sich aus dem Weg zu gehen

Robin Jantos, Berliner Zeitung, 18.7.05

Wenn es zwischen zwei Volksgruppen zu Konflikten kommt, liegt es nahe, die Streitenden voneinander zu trennen. Doch so plausibel diese Lösung erscheint - sie kann zu erheblichen Problemen führen. Darauf weisen zwei Forscher des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung in Halle an der Saale hin. Michaela Pelican und Andreas Dafinger haben die Landrechtspolitik in Burkina Faso und Kamerun verglichen und dabei untersucht, wie sie sich auf das Zusammenleben der ethnischen Gruppen auswirken. Ihr Ergebnis: Werden Konflikte künstlich reduziert, sind die verbleibenden dafür um so gewalttätiger.

In Burkina Faso gelten Bauern, die meist zur ethnischen Gruppe der Bisa gehören, als Eigentümer des Bodens. Die Hirten von der ethnischen Gruppe der Fulbe haben kein eigenes Land und nutzen daher als Weideflächen die brachliegenden Felder der Bauern. Obwohl die Tiere dort mit dem Einverständnis der Bauern weiden, komme es oft zu Streit, sagt Dafinger, der seit zehn Jahren in Burkina Faso forscht. Die Bauern klagen über die Rinder der Hirten, wenn diese ihre Felder zertrampeln und die Ernte fressen. Im Gegenzug beschweren sich die Hirten, dass die Bauern die Flussufer zu dicht bepflanzen und so den Herden nicht genügend Zugang zum Wasser bieten. Manchmal werden aus Wut sogar Felder zerstört. Und das unklare Landrecht behindert manchen Ökonomen zufolge die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Seit Mitte der 1990er-Jahre werden daher vereinzelt Bauern umgesiedelt; einige Hirten erhielten ihr eigenes Land. Die Unterstützung in der Bevölkerung ist groß, weil Bauern ebenso wie Hirten glauben, dass sie dann in Frieden leben können. Die Regierung von Burkina Faso sowie Entwicklungsorganisationen aus Italien und Dänemark hoffen, mit solchen Einzelprojekten die ständigen Reibereien zwischen den Volksgruppen einzudämmen.

Die Max-Planck-Ethnologen Dafinger und Pelican betrachten diese Versuche mit Skepsis. Sie gehen zwar ebenfalls davon aus, dass die Zahl der Konflikte zurückgehen wird. Doch sie befürchten, dass Bisa und Fulbe auch ihre Fähigkeit verlieren werden, Streitereien beizulegen - und dass die wenigen verbleibenden Konflikte dafür eskalieren könnten.

Die Forscher berufen sich dabei auf ein Beispiel in der Region: den Nordwesten Kameruns, wo die beiden Volksgruppen seit hundert Jahren weitgehend getrennt wirtschaften. "Die Region ist dadurch nicht friedlicher geworden", sagt die Kamerun-Expertin Michaela Pelican.

Ursprünglich waren in diesem fruchtbaren Land nur die Bauern ansässig. Das Hirten-Volk kam Anfang des 20. Jahrhunderts aus benachbarten Ländern wie Nigeria in den Nordwesten Kameruns. Es kam bald zum Streit zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen. Die Auseinandersetzungen schädigten auch die Wirtschaft. Daher wurden die beiden Gruppen von den britischen Kolonialherren getrennt. Die Briten gaben sowohl den Bauern als auch den Hirten ihr eigenes Land und förderten, dass die Hirten auch Landwirtschaft betrieben und die Bauern eigenes Vieh hielten. Kontakt zwischen den Volksgruppen gibt es seitdem nur noch wenig, entsprechend auch seltener Streit.

Da die Bauern und Hirten kaum miteinander zu tun hatten, konnten aber auch Vertrauen und Freundschaften nicht wachsen. "Wenn es hier Konflikte gibt, sind diese nicht mehr verhandelbar", beschreibt Pelican das Problem. So sei es auch schon vorgekommen, dass wegen Flurschäden Menschen umgebracht und Dörfer niedergebrannt wurden - aus Streitereien entstanden vielerorts regelrechte Feindschaften.

Im weniger fruchtbaren Savannengebiet von Burkina Faso, wo beide Volksgruppen seit etwa dreihundert Jahren leben, sind Hirten und Bauern stärker aufeinander angewiesen. In der Regenzeit bewirtschaften die Bauern die Felder, in der Trockenzeit lassen die Hirten mit dem Einverständnis der Bauern dort ihre Rinder grasen. Wenn diese wiederum ihr Vermögen vor den Augen der Nachbarn verbergen wollen, kaufen sie Vieh und stellen es bei befreundeten Hirten unter. Eine solche Abmachung setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. Und weil die Bauern das Landrecht besitzen, können sie zuziehende Hirten abweisen und damit eine Überbevölkerung verhindern - was den eingesessenen Hirten zugute kommt.

"Nahezu alle Streitigkeiten werden zwischen den Beteiligten selbst oder von anerkannten Dorfchefs geschlichtet", berichtet Dafinger, der viele Bauern und Hirten interviewt hat. Grund dafür seien die traditionell engen Beziehungen zwischen den beiden Volksgruppen. Zwar seien Streitereien an der Tagesordnung, doch Feindschaften, die in Gewalt ausarten wie in Kamerun, gebe es praktisch nicht. "Konflikte halten den Kommunikationskanal offen", sagt Dafinger. In Kamerun fehlen solche Beziehungen weitgehend, weil die Volksgruppen nur wenig miteinander zu tun haben.

Die Ethnologen betonen, dass man ihre Forschungsergebnisse nicht überinterpretieren dürfe. Da die beiden Länder eine unterschiedliche Geschichte haben, könne man die Befunde zu gewalttätigen Konflikten in Kamerun nicht eins zu eins auf Burkina Faso übertragen. Oft sei es auch nötig, dass der Staat Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen schlichte, sagen sie. Aber gerade in den Dörfern dürfe man Probleme nicht grundsätzlich unterdrücken - selbst wenn es gut gemeint sei, sagt Michaela Pelican und fügt hinzu: "Unter seltenen, aber schweren Auseinandersetzungen leidet auch die Wirtschaft mehr als unter regelmäßigen kleinen Streitereien."

Weitere Informationen zu den Forschungsprojekten:

www.eth.mpg.de/research/integration-conflict/west-africa.html




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