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Kein Landgang - keine Romantik

Forschungsergebnisse über das Seemannsleben: Alter Wein in neuen Schläuchen

Von Alice Bachmann

BREMEN · Alle, die immer schon ahnten, dass das moderne Seemannsleben nicht nur romantisch, sondern sogar ziemlich hart ist, finden diese Vermutung jetzt auf 399 Seiten mit dem Titel "Arbeit auf See. Zur Ökonomie und Ethnologie der Globalisierung" bestätigt.

Bremens ehemaliger Seemannspastor Hero Fenders studierte bei jedem Besuch auf einem neu in den Hafen gekommenen Schiff als erstes den Speiseplan im Speiseraum der Mannschaft, um daraus die Herkunft der Besatzungsmitglieder und ihre kulturelle Zusammensetzung abzuleiten. Prof. Heide Gerstenberger und Dr. Ulrich Welke von der Bremer Uni fuhren mehrere Wochen auf verschiedenen Schiffen mit, um festzustellen, dass die Mannschaften heutzutage international zusammengesetzt sind.

Im Rahmen ihrer Arbeit in der Forschungs- und Kooperationsstelle Schifffahrt der Uni Bremen interessierten sich Gerstenberger und ihr Team für die Arbeitsbedingungen der Seeleute von heute. Wobei Gerstenberger besonderes Augenmerk auf den Aspekt der Globalisierung legte. Denn der Arbeitsbereich auf Hochseeschiffen sei am meisten "durchglobalisiert", erklärte die Professorin.

Deshalb eigne er sich besonders, um Folgen, Nachteile und Chancen der Globalisierung der Arbeitswelt zu untersuchen. Ein Arbeitsfeld zwar, in dem sich kaum Frauen finden, was aber Welke nicht weiter nachteilig findet. Er spricht von einem Spezialaspekt, der außen vor gelassen wurde, um die Untersuchung nicht ausufern zu lassen und um handhabbare Ergebnisse zu erzielen. Die erinnern allerdings an alten Wein in neuen Schläuchen: Zum einen ist da die multikulturelle Zusammensetzung der Mannschaften, die zu Verständigungsschwierigkeiten untereinander führt. Das beeinträchtigt unter Umständen die Sicherheit, denn die wenigen Seeleute, die sich heute noch auf den hoch technisierten Schiffen befinden, müssen Hand in Hand arbeiten und sich gegenseitig austauschen können, zum Beispiel bei einer Schichtübergabe. Zum anderen entdeckten die Forscher Ungerechtigkeiten bezüglich der Bezahlung. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelte nicht auf jedem Schiff, sondern die einzelnen Seeleute werden von Mannschafts-Agenturen, den so genannten Crew-Agencys angeheuert. Die vereinbarten Löhne richten sich meist nach dem Heimatland der Agentur. Unterschiedliche Bezahlung verhindere aber die notwendige Solidarität, erläuterte Welke. Außerdem werde dermaßen an Lohnkosten gespart, dass nur so wenig Seeleute wie eben nötig an Bord sind. Die wechseln sich mit ihren Schichten ab, so dass gar keine Zeit für die Entfaltung von Gemeinschaftsleben besteht.

Und dann fanden die Gelehrten noch heraus, dass es ein Irrglaube ist, menschliche Arbeit und Leistung könne vollkommen durch Maschinen und Technik ersetzt werden. Selbst an vollautomatischen Kühlcontainern müssten die Seeleute zwei Mal am Tag die Funktionstüchtigkeit der Thermometer kontrollieren, hat Welke beobachtet. Schließlich ist da noch die Erkenntnis, wie weit sich das Alltagsleben der Seeleute vom Traum der Sehnsuchtserfüllung entfernt hat. Fremde Länder bekommt ein Großteil der Seemänner kaum noch zu sehen. Durch die kurzen Liegezeiten für Be- und Entladung entfällt der Landgang meist.

WWW.

wiwi.uni-bremen.de/ewig/wir/schifffahrt.htm

[18.12.2004] Quelle: http://syke.mzv.net/news/stories/bremen/?id=57528




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