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Pierre Bourdieu war ein soziologischer Grossmeister. Mit grosser Energie und systematischem Spürsinn hat er bis zu seinem Tod vor drei Jahren ein Forschungsprogramm verfolgt, das ihn von den Ehrbegriffen nordafrikanischer Berberstämme zu den Distinktionsstrategien französischer Oberschichten führte. Es ging ihm dabei stets darum, im Alltagshandeln der Menschen Strukturen und Regeln aufzufinden, die dieses Handeln bestimmten - er war auf der Suche nach einer «Theorie der Praxis». Mit diesen Fragen setzt sich auch die 1998 publizierte Studie Bourdieus über die «männliche Herrschaft» auseinander, die soeben in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Worauf gründet sich der Primat der Männlichkeit? Bourdieu lokalisiert ihn im Markt der symbolischen Güter, also dort, wo «kulturelles Kapital» entsteht und reproduziert wird. Frauen können es lediglich erhalten und mehren helfen, sie sind Objekte oder Symbole der Kapitalbildung. Auf weite Strecken liest sich sein Buch wie die Beschreibung eines deterministischen Beziehungsgeflechts, dem sich niemand entziehen kann und unter dem letztlich alle, die Herrschenden (Männer) wie die Beherrschten (Frauen), leiden. Dass dieses Leiden sozial, zeitlich und räumlich sehr unterschiedlich gestaltet und skaliert war (und ist), wird zugunsten der «Konstanz der Struktur» ausgeblendet. >> weiter
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