China: Reiche Touristen verdrängen die Naxis?
Lijang Sommer 1992
Als ich 1992 in Lijang im Suedwesten Chinas war, rund 20 lebensgefaehrliche Busstunden vom nachsten Bahnhof (Kunming) entfernt, war der Ort noch eine Art Geheimtip fuer Backpacker. Dem ist nicht mehr so. "Die Veränderungen brachen über Lijiang herein, als die Unesco die Altstadt im Jahr 1997 mit dem Titel „Weltkulturerbe“ auszeichnete", meldet die faz:
Zehntausende strömen jeden Tag in die kleine Altstadt am Fuß des Jade-Drachen-Berges. Die Einwohner haben ihre Häuschen an Souvenirgeschäfte vermietet und sind aus dem Rummel geflohen. Jetzt ist die Altstadt voll mit Läden, Bars und Restaurants.
Lijiang, noch vor zehn Jahren eine verschlafene Stadt, ist berühmt geworden. In der auf 2400 Meter Höhe am Rand des Himalaja gelegenen Ortschaft sind große Anlagen mit luxuriösen Einfamilienhäusern entstanden. Reiche Städter aus Peking, Schanghai und anderen chinesischen Städten kaufen sich hier ein und genießen die frische Luft und die Aussicht auf die Berge.
In der Stadt Lijiang beherrschen weniger und weniger Naxi ihre eigene Sprache. Schamanen gibt es nur noch ein paar und sie geben ihr Wissen nicht mehr an die Jungen weiter, sondern an Ethnologen, lesen wir. Ihre Söhne und Enkel haben an der Religion ihrer Vorfahren kein Interesse mehr. Sie wollen lieber in der Stadt Geld verdienen.
Derweil wird die Minderheitenkultur im Tourismus vermarket. Die Naxis selbst sehen den Zustrom der Touristen aus ganz China und Übersee nicht nur negativ:
„Der Tourismus bringt Einnahmen und macht unsere Kultur bekannt“, sagt Naxi-Lehrerin Yang. „Doch sehen Sie mal, was sie mit unserer Schrift machen! Oft sind die Piktogramme auf den Souvenirs ganz falsch geschrieben!“ Alles wird eben möglichst gut vermarktet: die ureigene Kunst der Schamanen, die Bilderschrift, die Schnitzereien, die Keramik und die Malereien.
„Der Tourismus ist gut“, sagt Naxi-Forscher Li Xi, der Leiter des Dongba-Museums von Lijiang. Er bringe der armen Region Einnahmen. Tatsächlich wurden Straßen und ein Flughafen gebaut. Hotels entstanden, und die Sehenswürdigkeiten der Umgebung wurden erschlossen. „Der Tourismus hat unsere Kultur aufgewertet. Jeder kann jetzt mit unserer Kultur Geld verdienen. Wir Naxi können jetzt wieder auf unsere Kultur stolz sein. Es ist nicht mehr wie früher, als wir wegen unserer Rückständigkeit gehänselt wurden.“
Bzgl Ueberschrift der faz: Die faz bedient sich eines statischen Bildes von Kultur. Wie wir Ethnologiestudierenden bereits im 1.Semester gelernt haben: Kulturen sterben nicht aus, sondern veraendern sich.
>> zur Geschichte in der faz: Die Dongba sterben aus
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