Ethnologe holt Bungeespringer aus der Südsee ins Museum
Unsere Vorstellungen über “die anderen” stammen zu einem Grossteil von den Medien. Wer will, dass diese Bilder “ethnologischer” werden, muss sich selber aktiv in den Prozess der Kulturproduktion einmischen, meint Ethnologe Thorolf Lipp, der soeben Pläne fuer eine neue Südsee-Ausstellung vorstellt hat.
Fünf Bewohner von Bunlap, einem kleinen Dorf der Sa auf der Pazifikinsel Pentecost, werden nach München kommen, um Vorurteile über die Südsee herauszufordern. Bekannt geworden sind die Sa als Erfinder des “Bungee-Turmspringens", das sie seit vielen hundert Jahren praktizieren.
Ethnologe Thorolf Lipp ist Mitglied im “Forum deutsch-pazifischer Begegnungen“:
Seit jeher dienen uns die pazifischen Inseln als ferner Spiegel für unsere eigenen Sehnsüchte nach einem paradiesischen Leben. Dabei machen wir ihre Bewohner nicht selten zu exotischen Statisten und verklären ihre tatsächliche Lebenswirklichkeit. Vorurteile und kulturelle Mißverständnisse sind hier nachhaltiger als anderswo entstanden.
Das “Forum deutsch-pazifischer Begegnungen e.V.” hat sich zum Ziel gesetzt, durch interkulturelle Begegnungen und Austausch zwischen den Völkern gegenseitiges Verständnis jenseits gängiger Südsee-Klischees zu befördern.
UrSprung in der Südsee. Begegnung mit den Turmspringern von Pentecost ist das erste grosse Vorhaben des Vereins. Das Resultat wird im Sommer 2009 im Museum für Völkerkunde München zu sehen sein.
In der Beschreibung des Ausstellungskonzeptes lesen wir:
Die Ausstellung will vermitteln, daß die Kastom Männer, Frauen und Kinder von Bunlap nicht die „letzten Wilden“ sind. Vielmehr wollen wir sie als Vertreter einer überaus lebendigen Kultur vorstellen, in der Tradition, Adaption und Vision eine selbstbewußte und kreative Synthese ergeben.
(…)
Die Sa haben vor vielen hundert Jahren das Turmspringen erfunden, den Vorgänger des heutigen Bungeespringens. Erstaunlich ist, dass die Sa bis heute an den Eckpfeilern ihrer traditionellen Kultur hartnäckig festhalten. Sie tragen Penisbinde und Grassrock, pflegen ihre Überlieferungen und lehnen Kirchen und Schulen ab. Dennoch befindet sich die Kultur der Sa keineswegs im Stillstand, sondern wird beständig kreativ und behutsam weiterentwickelt – vielfach gegen die Trends einer globalisierten Welt.Zusammen mit Partnern aus Vanuatu gestalten die Ausstellungsmacher eine virtuelle Reise von München in das Dorf Bunlap. Zusätzlich zu den Ausstellungsräumen im Museum wird auf dessen Vorplatz ein künstlicher Sandstrand als Ort der Begegnung in das Ausstellungskonzept integriert. Auf einem Teil des Strandes bauen einige Gäste aus Bunlap einen etwa 20 Meter hohen nanggol, einen traditionellen „Bungee“ Sprungturm aus Holz und Rindenstreifen.
Thorolf Lipp hat uebrigens eine schoene und informative Webseite. Dort erfahren wir, dass er seine Dissertation ueber diese Turmspringer geschrieben hat, die man sogar als pdf herunterladen kann
Auf YouTube kann man sich das Turmspringen, an dem sich auch Kinder beteiligen, näher anschauen:
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