Ein 30-jähriger Sachse muss ins Gefängnis weil er vier Kinder mit seiner Schwester hat. Der Kölner Stadtanzeiger hat sich mit dem Ethnologen Karl-Heinz Kohl zu diesem universalen Tabu unterhalten.
Der Ethnologe sagt, dass Inzest zwar ein universelles Tabu ist, jedoch unterschiedlich definiert wird:
Was als Inzest aufgefasst wird, ist von Kultur zu Kultur verschieden. Es gibt etwa Gesellschaften, in denen es vorgeschrieben ist, dass ein Mann die Tochter seines Mutterbruders heiraten muss, während die Heirat mit der Tochter der Vaterschwester zugleich streng verboten ist. Eine genetische Begründung lässt sich für diese Vorschrift nicht geben. Denn hinsichtlich des gemeinsamen Genpools unterscheiden sich die beiden Kusinentypen ja nicht. Es handelt sich hierbei um komplizierte Regeln, und es hat lange gedauert, bis die Ethnologie sie erfasst hat.
Kohl hält Claude Levi-Strauss’ Theorie über das Inzest-Tabu am überzeugendsten:
Er fasst das Inzestverbot nicht auf als ein Verbot, sondern als ein Gebot zur Exogamie: also zur Heirat nach außen. Nach Lévi-Strauss stellt die Heirat die Urform des Tauschs dar. Geschlossene soziale Gruppen sind auf feste Beziehungen zu anderen geschlossenen Gruppen angewiesen. Solche Allianzen herzustellen sei in der frühen Menschheitsgeschichte durch den wechselseitigen Austausch von Frauen geschehen, der erst durch das Inzestverbot ermöglicht wurde.
Neueste Kommentare