Neue Ethmundo über Polygamie, spiessige Lesben und andere "Beziehungen"
“Beziehungen” ist der Schwerpunkt der neuesten Ausgabe des Ethnologie-Magazines Ethmundo. Die Autorinnen haben faszinierende Geschichten aufgegabelt, die alle aufzeigen, dass “die klassische Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau” nur eine von vielen Moeglichkeiten ist.
Besonders faszinierend ist der Text 1 ÷ 4 x 4000 = Fernbeziehung à la malienne von Caro Kim. Sie erzählt von einer ungewöhnlichen Fernbeziehung. Reinhilds Mann Bathily wohnt in Mali – 4000 Kilometer von Deutschland entfernt. Sie ist zudem die vierte Frau in einer polygamen Ehe. Und es scheint ihr gut zu gehen. Ihr Verhältnis mit den anderen Frauen ist nicht von Rivalität geprägt. Sie redet über ihre „Mit-Frauen“ als Schwestern. Sie ist Teil einer großen Familie geworden, in der sie sich sehr wohl fühlt.
Schon von Polyamorie gehört? Dass sich ihre Liebe und Sexualität auf jeweils nur einen Menschen beziehen soll, ist manchen Menschen suspekt. Polyamorie ist eine Liebesbeziehung zu mehreren Menschen gleichzeitig, erklärt Annika Strauss in ihrem Artikel „Ich liebe euch!“ Oder: Von der Kunst, mehr als nur einen Menschen zu lieben. Sie gibt uns Einblicke in eine “immer grösser werdende Subkultur", die zuerst in Nordamerika, in den letzten Jahren aber auch zunehmend in Europa immer mehr Anhänger findet. Der Begriff „Polyamorie“ entstand um etwa 1990 und wird seit 1992 vor allem in Internetforen popularisiert. Die von polyamoren Menschen angestrebten Beziehungen sind keine Seitensprünge, sondern langfristig angelegt, vertrauensvoll und schließen normalerweise Sexualität mit ein. (Man muss nicht verheiratet zu sein, dies ist offenbar einer der Unterschiede zur Polygamie)
Spiessige Lesben? Ja, natürlich gibt es sie auch. Im Artikel Doppelt unkonventionell stellt uns Simone Schubert ein Lesbenpaar in einem Dorf im Spessart vor. “Wie sind verheiratet und treu, bauen ein Haus und am Wochenende putzen wir auch schon mal statt Party zu machen“, sagen die beiden.
Beziehungen zu Toten? In Geschenke für die Ahnen – Austauschbeziehungen zwischen Lebenden und Toten in Südthailand berichtet Judith Pein unter anderen von Ahnenritualen, an denen sowohl Buddisten und Muslimen teilnehmen.
Von Mensch-Tier-Beziehungen schreibt Julia Koch in ihrem schönen Text Leben und sterben lassen – von Mufflons und Menschen. Sie hat einen Jäger auf seiner Arbeit begleitet und schreibt:
Das sterbende Tier zuckt noch ein paar Mal, der Jäger schließt ihm die Augen. Diese Geste rührt mich; vielleicht sagt sie mehr aus über das Verhältnis von Jäger und Gejagtem als die Erklärungen, die ich vorher hörte. „Jagen dient dem Naturschutz“, sagen viele. Und natürlich beschafft der Jäger Fleisch. In diesem Moment aber sehe ich in der Jagd etwas höchst Intimes und beginne zu ahnen, warum sie in vielen Gesellschaften mit religiösen Ritualen synchron geht: Sie führt mitten hinein in den Kreislauf des Lebens und Sterbens.
Es gibt noch mehr Texte zum Thema, siehe http://www.ethmundo.de/
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