Warum freuen sich die Politiker im Westen nicht, wenn die Ägypter für Demokratie kämpfen? Warum diese Besorgnis über die Sehnsucht nach Demokratie? Diese Fragen diskutiert Ethnologin Katrin Zinoun auf ihrem Blog dialogtexte.
Arabischen bzw. muslimischen Einwanderern wird oft vorgeworfen, dass für sie Demokratie ein Fremdwort sei. “Der Westen stellt sich in dieser Situation gern als Gönner dar, der den armen unterentwickelten Menschen in fernen Weltregionen die Demokratie bringt”, so Zinoun. “In einigen Ländern führen sie sogar blutige Kriege, um die Menschen endlich von unserer wunderbaren Demokratie zu überzeugen.”
Doch gleichzeitig unterstützt der Westen undemokratische Regierungen wie z.B. in Ägypten. Nun, wo die Zukunft Mubaraks gefährdet ist, sind die Politiker besorgt:
Die meisten westlichen Regierungen beobachten die Situation. Und sie sind besorgt – besorgt über die drohende Instabilität und die Auswirkungen auf die eigenen Länder. Sie fordern ein Ende der Gewalt, Durchsetzung von Menschenrechten usw. Aber kein Wort der Freude über die lang geforderte Demokratisierung und das nun endlich ausbrechende Verlangen danach. Keine Forderung nach Mubaraks Rücktritt.
“Menschen – nicht Medien – revolitieren, meint derweil Philipp Budka auf dem Blog Initiative Teilnehmende Medienbeobachtung des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie in Wien. “Auch im Zeitalter von Facebook & Co. sind es die Menschen auf den Straßen, die die entscheidenden Handlungen setzen, um „Revolutionen“ herbeizuführen oder eben nicht.”
Kathrin Sharaf ist Ethnologin an der Universität Freiburg und promoviert zu “virtuellen” Freundschaftsbeziehungen Kairoer Jugendlicher. Im Gespräch mit dem Freiburger Stadtmagazin fudder.de erzählt die “Halbägypterin” von der Popularität sozialer Netzwerkseiten im Netz. „Facebook erreicht alle – die Politischen und auch die Unpolitischen“. Die Kinder, die Eltern, selbst die Großeltern pflegen einen Account.
Doch auch sie warnt vor einer “falschen Glorifizierung des Internets”. Es sei nur Plattform für den Frust der ägyptischen Jugend, “selber handeln ist eine ganz andere Kategorie“.
AKTUALISIERUNG: Nun ist eine erste Uebersicht über internationale Reaktionen von Ethnologen/Anthropologen fertig.
SIEHE AUCH:
David Graeber: There never was a West! Democracy as Interstitial Cosmopolitanism
Jack Goody: “The West has never been superior”
Keith Hart and Thomas Hylland Eriksen: This is 21st century anthropology
Ägyptens Armee wird keine Gewalt gegen die Bevölkerung einsetzen, sie hält die Forderungen der Opposition für legitim. Dies gab ein Militärsprecher am Montagabend bekannt. Für heute planen die Regimegener einen “Marsch der Millionen”. Das gibt ja grosse Hoffnung, dass alles relativ friedlich zu Ende geht.
Ja, stimmt. Hört sich erstmal gut an. Wird spannend morgen!
Ja das stimmt. Ich finde den Aspekt, dass sich dort so viele unterschiedliche Gruppen (dauerhaft oder auch nur zeitweise) zusammen gefunden haben, um gemeinsam einen Traum von einem anderen Ägypten zu verwirklichen, auch spannend.
Ob dieses andere Ägypten dann zum Schluss auch eine gemeinsame, friedliche und dauerhafte Basis für die Zukunft finden wird, ist aber – denke ich – die noch viel größere Herausforderung für die Zukunft der Menschen als die Ablösung des geschmähten bisherigen Systems.
Ich wünsche den Menschen nur das es einen rel. friedlichen Wandel geben und das es auch danach weitestgehend ohne gewaltsame Konflikte weitergehen wird.
Auf jeden Fall aber ist es beeindruckend in welcher Geschwindigkeit sich der Wunsch nach Veränderung nun über Ländergrenzen hinaus ausbreitet bzw. in realen Aktionen ausdrückt. Echt spannend. 🙂
Ja, sehr beeindruckend… eine Bewegung, die hoffentlich auch uns im angeblich so demokratischen Westen inspiriert!
Auf jeden Fall, denn auch im “Westen” könnte das Verlangen nach Selbstbestimmung wieder eine Art Revitalisierung gebrauchen.
Oh je. Jetzt eskaliert es und die einzigen Gewinner in einer solchen Situation sind die militanten Kräfte und/oder Mubarak. Man kann nur hoffen, dass es sich wieder beruhigt und die Menschen ihren Veränderungswillen friedlich umsetzen können.