Horrorfilm-Premiere bei Ethnologischem Filmfestival in Leipzig
Kölner, die sich in ihrer Freizeit als Fremde verkleiden, verdrängte Kolonialgeschichte, Punkrock und Oper in China, ein Horrorfilm aus Tansania: Anfang Dezember starten Ethnologiestudierende und “Ausstudierte” zum dritten Mal ein Filmfestival in Leipzig: An/Ver-Wandungen 2011.
“Die Ethnologie hat in Leipzig eine lange Geschichte und verlässt doch selten den akademischen Rahmen”, schreiben sie in ihrer Pressemitteilung (pdf). “Das Festival möchte einen Blick durch die Kamera auf Themen der sogenannten Wissenschaft vom kulturell Fremden bieten und diese auf der Agenda des Leipziger Kulturprogramms fest etablieren”.
Ich habe kurz via email beim Festivalteam nachgehakt:
Wer seid Ihr, die das Festival organisieren?
– Wir sind Ethnologiestudierende bzw. „Ausstudierte“ aus Leipzig und Halle/ Saale, die sich für Film im Allgemeinen und für audiovisuelle Anthropologie im Besonderen begeistern. Vor drei Jahren hatten Theresa und Susie die Idee zum Festival: sie wollten Werke, die sie auf anderen Festivals besonders beeindruckt hatten, nach Leipzig holen. Aber damit standen sie auch vor einer grundlegenderen Aufgabe; nämlich ein heterogenes Publikum mit ethnologischen Themen und Filmen außerhalb des akademischen Rahmens vertraut zu machen.
Wie bekommt Ihr das hin, so ein Festival auf die Bühne zu stellen?
– Wir sind keine Profis: weder im Filmbereich, noch in der Festivalorganisation. Aber wir haben An/Ver-Wandlungen von Anfang sehr ernst genommen und auch dementsprechend viel Arbeit investiert. Davon ausgehend, was für ein Festival wir uns wünschen würden, lernen wir seither immer mehr dazu.
– Es gibt außerdem viele Menschen und Kooperationspartner, ohne die An/Ver-Wandlungen nicht stattfinden könnte und denen wir danken möchten; insbesondere den Filmschaffenden, die uns ihre Filme so bereitwillig zur Verfügung stellen. Die finanzielle Unterstützung ist – wie so oft – eher gering und wir müssen deshalb ein Low-Budget-Festival auf die Beine stellen. Ein Problem dabei ist, dass wir nicht jede Arbeit von Beteiligten gerecht entlohnen und Filme oft nur als DVD-Kopie zeigen können. Das würden wir in Zukunft gern ändern.
Wie war die Resonanz bei den ersten beiden Festivals?
– Sowohl die Reaktionen der Gäste nach den Filmen, als auch die Presseberichterstattung waren ausnahmslos positiv. Auch die (wenigen) Filmschaffenden, die wir bisher einladen konnten, waren sehr erfreut ihre Werke in diesem Rahmen zeigen zu können. Aber natürlich gab es auch Kritik, die einige Details in der Organisation betraf. Aber das ist ja genau, worauf wir auch angewiesen sind: eben weil wir keine Expert_innen sind und sein wollen, freuen wir uns mit dem Publikum zusammen das Festival jedes Jahr aufs Neue „an/ver-wandeln“ zu lassen.
Wie viele Leute könnt Ihr zu den Filmen locken? Sitzt nur eine Gruppe besonders interessierter im Kinosaal?
– Ein Hauptanliegen von An/Ver-Wandlungen war ja immer, sowohl Ethnologiebegeisterte als auch Cineast_innen oder Neugierige anzusprechen. Deshalb haben wir unseren Filmblöcken immer sehr offene Themenschwerpunkte – wie bspw. „Wahnsinn“ oder „Erinnern“ – zugeordnet. Auch die Gestaltung unsrer Flyer und die Pressearbeit insgesamt war uns aus diesem Grund wichtig. Schließlich setzen wir uns für eine offene Interpretation von Film als Text ein: heraus aus dem Elfenbeinturm der universitären Lehre hinein in den Kinosaal und die Köpfe der Filmschauenden!
– Nach den letzten beiden Jahren können wir sagen, dass unsere Strategie Erfolg hat. Es waren zwar vornehmlich Ethnologiestudierende in den Vorführungen, aber durchaus auch andere Interessierte.– Das LuRu-Kino mit seinen 60 Sitzplätzen war zu den Eröffnungs- und Abschlussfilmen (trotz Schneesturm 2010) jeweils voll besetzt. Auch zu den anderen Vorführungen kamen nicht wenige Gäste.
Zum Abschluss drei Filme aus dem Programm, die man Eurer Meinung nach unbedingt gesehen haben sollte ?
– Eine schwierige Frage. Denn wir haben ja nur Filme im Programm, die wir als besonders empfehlenswert erachten.
– Aber gut: Colonel Bunny von Miranda Pennell ist – nicht zuletzt aufgrund seines beeindruckenden Umgangs mit Bild und Ton – sicher ein Highlight des Festivals.
– Am Montag, dem 05. Dezember, zeigen wir den Kurzfilm Shahor shakuf (Transparent Black), der durch einen empathischen Zugang zu seinen Protagonist_innen das schwierige Thema der israelischen Asylpolitik differenziert beleuchtet.
– Und schließlich hoffen wir auf einen krönenden Festivalabschluss mit Shumileta – Queen of Devil. Der tansanische Horrorfilm von Mussa Banzi bekommt extra für An/Ver-Wandlungen deutsche Untertitel und feiert mit uns seine Europapremiere.
An/Ver-Wandlungen wird organisiert in Kooperation mit den Filmtagen im GRASSI, dem Leipziger Völkerkundemuseum.
>> Pressemitteilung (pdf)
Nur wenig Zeit später findet übrigens das Münchner Ethnofilmfest statt.
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