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Paywalls überall: Wie kann man sich noch über Sozial- und Kulturanthropologie / Ethnologie informieren?

Bis vor etwa fünf bis zehn Jahren habe ich regelmäßig hier auf antropologi.info über Nachrichten aus dem Fach berichtet. Aufgrund Änderungen privater und beruflicher Natur blieb in den letzten Jahren für die Webseite nur wenig Zeit. Den zahlreichen Corona-Lockdowns sei Dank konnte ich mich wieder mehr meinen Interessen zuwenden, ich aktualisierte die Blog-Software, beseitigte viele tote Links, experimentierte mit einem Open Access Journal Ticker, der die neuesten Artikel von Open Access Zeitschriften anzeigt, lernte auch etwas mehr über Webdesign, Linux und die Open Source Welt.

Anfang des Jahres machte ich einen ernsthaften Versuch, so wie früher mehrmals wöchentlich die Nachrichten nach interessantem anthropologischen Stoff zu durchforsten. Das Resultat: ein knappes Dutzend Blogbeiträge, allerdings nur auf Englisch. Warum?

Klar, ich habe früher auch viele eigene Beiträge wie Interviews, Buchbesprechungen usw geschrieben. Viele Beiträge auf dieser Webseite begannen jedoch mit einer simplen Google-News-Suche. Auf Deutsch bringt dieselbe Suche heute weniger interessante Resultate als früher.

Der Grund: Die meisten deutschsprachigen Zeitungen und auch viele andere Netzpublikationen haben sich vom offenen Internet verabschiedet. Ein Grossteil der Klicks auf die Ergebnisse meiner Google-Suche führt zu Login-Boxen: Nur für Abonnenten! Das betrifft deutschsprachige Publikationen mehr als englischsprachige. Ich müsste Hunderte oder eher Tausende von Euros monatlich für Abonnements aufbringen, um einen ähnlich umfangreichen Überblick wie früher über "Ethnologie in den Medien" bieten zu können.

https://twitter.com/klein0r/status/1386325999650951169

Gleichzeitig sind auch die meisten Forschenden selbst vom offenen Internet verschwunden. Früher gab es viele Anthropologen, die auf Deutsch bloggten – sei es Studierende, Doktoranden oder etablierte Forscher. Eine ethnologische Blogosphäre, in der es wie früher um gegenseitigen Austausch geht, gibt es nicht mehr auf Deutsch. Stattdessen tummeln sich viele Forschende in den weniger offenen Silos der kommerziellen sozialen Medien wie Facebook oder Instagram. Diese Entwicklung machte auch nicht vor dem ersten deutschsprachigen ethnologischen Gruppenblog halt – ethno::log. Ende 2019 erschien dort der letzte Beitrag mit den Worten:

I think it’s time to close the weblog, it’s already sleeping since years. People went to other places online and offline, which is quite natural. It was fun! CU somewhere else.

Die Konsequenz: Unterm Strich finden wir weniger deutschsprachige sozial- oder kulturanthropologische Inhalte im Netz als noch vor zehn Jahren.

Wer auf Deutsch googelt, bekommt weniger interessante Antworten – und vor allem keine fachlichen.

Ein zunehmender Anteil der noch gratis zugänglichen Inhalte im Netz ist mehr oder weniger offenkundige Werbung.

Das betrifft auch Webseiten von Anthropologen. Wer von ihnen heutzutage eine eigene Seite ins Netz stellt oder bloggt, tut dies in vielen Fällen, um sich auf dem zunehmend prekären Arbeitsmarkt möglichst attraktiv darzustellen. Ähnliches kann man über universitäre Einrichtungen, Institute und Organisationen sagen. In denen für sie offenbar so wichtigen Bestrebungen, stets "weltweit führend" und so für potentielle Geldgeber attraktiv zu sein, geht es ihnen in ihren Publikationen immer mehr um Selbstvermarktung als um demokratisch motivierte Forschungskommunikation. Verstärkt wird diese Entwicklung natürlich von den kommerziellen sozialen Medien, in denen nicht nur Institute, sondern auch Einzelpersonen sich als "Brand" vermarkten können.

Bei den Artikeln, die nicht Werbung sind und trotzdem gratis im Netz zugänglich sind, stellen sich andere Hindernisse in den Weg. So gut wie alle Publikationen wollen uns nur ihre Artikel lesen lassen, wenn wir unsere Internetaktivitäten von ihnen und anderen oft dubiosen Akteuren überwachen lassen.

Ich denke, wir sind alle genervt von den Cookie-Bannern. Die meisten Publikationen benutzen Techniken, die "Dark Pattern" genannt werden und in vielen Fällen illegal sind.

Dark Pattern: Ablehnen nicht so leicht möglich. Viele Medien wollen sich unsere Zustimmung zur Überwachung erschleichen

Laut GDPR müssen sie von uns die Zustimmung zur Überwachung einholen. Die Möglichkeit, die Überwachung abzulehnen, geben sie uns jedoch nicht so leicht. Viele Extra-Klicks und ein waches Auge sind notwendig, um nicht auf ihre Tricks hereinzufallen, mit denen sie sich unsere Zustimmung zur Überwachung erschleichen wollen.

Illegal: Vorausgefülltes Ja zur Überwachung der Nutzer bei der Frankfurter Allgemeinen (FAZ).

Manche Publikationen sind hier besonders dreist. Dem Spiegel, der Zeit und dem Standard zum Beispiel reicht die Zustimmung, dass sie uns mit Cookies überwachen dürfen, nicht.

Sie verlangen auch, dass wir sämtliche Browser-Erweiterungen, die uns vor Schad- und Spionsoftware schützen, ausschalten.

Vermutlich auch illegal: Erzwungenes Tracking beim Standard

Wie ich haben eine wachsende Anzahl von Internetnutzern eingesehen, dass es unverantwortlich ist, im Internet ohne Werbe- und Trackingblocker unterwegs zu sein. Uns lassen Der Spiegel, Die Zeit und der Standard erst gar nicht rein. Wir sind Opfer kommerzieller Zensur.

Macht es da noch Sinn – oder Spass-, weiter auf Deutsch zu bloggen?

Die Google News Suche, die mich stets zu Login-Boxen führte, empfinde ich als reine Zeitverschwendung. Und will ich in meinen Blogposts Artikel verlinken, die sich auf mit Trackern verseuchten Webseiten befinden? Solche Fragen habe ich mir in der letzten Zeit oft gestellt.

Auf der anderen Seite: Das Internet ist broken, ja, so ist es. Das Internet als Ort um uneigennützig Wissen zu teilen und vor allem allen Menschen unahängig ihres Geldbeutels Zugang zu Wissen zu ermöglichen – von dieser Vision aus den Anfangsjahren des Internets (Wikipedia ist ein Relikt davon) – haben wir uns so gut wie völlig entfernt.

Auf der anderen Seite, finde ich, sollten wir dieser Entwicklung nicht tatenlos zuschauen. Der Widerstand scheint auch zu wachsen, und auch in der Sozial- und Kulturanthropologie wird inzwischen kritisch zu diesen Themen geforscht, siehe einen Beitrag vom Januar hier auf antropologi.info: Pregnancy and baby apps, smart home devices: Anthropologist shows how surveillance capitalism targets children

Ich werde mich nun mal wieder etwas systematischer im Netz umschauen, wie man sich abseits der kommerziellen Webseiten auf Deutsch über sozial- und kulturanthropologische Forschung informieren kann. Wie sieht es an den Instituten aus? Engagieren sich anthropologische Organisationen? Gibt es gute Zeitschriften im Netz? Und sonst? Podcasts? Youtube-Channels? Für Tipps bin ich immer dankbar.

Bis vor etwa fünf bis zehn Jahren habe ich regelmäßig hier auf antropologi.info über Nachrichten aus dem Fach berichtet. Aufgrund Änderungen privater und beruflicher Natur blieb in den letzten Jahren für die Webseite nur wenig Zeit. Den zahlreichen Corona-Lockdowns sei…

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Wozu Arbeit, Stress und Hierarchien? Vergessener Klassiker wieder erhältlich

[Im Blatt Freitag](https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/heimlicher-klassiker) stellt Thomas Wagner einen Klassiker der Ethnologie umd Sozialanthropologie vor, der jetzt zum ersten Mal seit 1976 in einer Neuauflage wieder verfügbar ist: [Staatsfeinde von Pierre Clastres](https://www.k-up.de/9783835391215-staatsfeinde.html).

Einer der wichtigsten Aufgaben unseres Faches ist es zu zeigen, dass die Welt oft anders funktioniert als wir meinen, dass Vieles, das von der Mehrheit als normal erarchtet wird, gar nicht normal ist, wenn wir über unseren beschränkten Tellerrand hinausblicken. Die Vielfalt menschlichen Lebens ist nämlich grenzenlos.

[Pierre Clastres](https://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Clastres), schreibt Wagner, hat einen “wichtigen frühen Beitrag zur heute erst richtig in Fahrt gekommenen Debatte um die [Dekolonisierung des politischen Denkens](https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/postkolonialismus-und-globalgeschichte/240817/intellektuelle-dekolonisation)” geleistet. Er forderte nämlich in seinem 1974 veröffentlichten Hauptwerk La Société contre l’État (Die Gesellschaft gegen den Staat), so Wagner, nichts weniger als eine „kopernikanische Revolution“: Statt „die primitiven Kulturen um die abendländische Zivilisation“ kreisen zu lassen, forderte er, diese aus sich selbst heraus zu verstehen.

Das ist natürlich eine klassisch ethnologische Position, doch auch in seiner Disziplin sah Clastres einen Ethnozentrismus. Er kritisierte vor allem Theorien, denen zufolge der Staat die krönende Schöpfung jeder Gesellschaft ist. Gesellschaften ohne Staat sind, so Clastres, nicht unterentwickelt oder “primitiv”.

Seine Thesen basieren u.a. auf seine eigenen Feldforschungen bei den Guayaki und Guarani in Paraguay und Brasilien.

Zwang und Unterwerfung bilden Clastres zufolge keineswegs „überall und immer das Wesen der politischen Macht “. Das politisches Handeln vieler Bevölkerungsgruppen in Nord- und Südamerika ziele darauf ab, die Konzentration von Macht in einer Hand so effektiv zu blockieren, dass so etwas wie ein Staat erst gar nicht entstehen konnte.

Die Bedeutung der “Häuptlinge” hätten viele Europäer ihm zufolge überschätzt. Wagner schreibt:

> Selbst jene herausgehobenen Personen, von denen die Europäer dachten, sie verfügten über so etwas wie Kommandogewalt, die sogenannten Häuptlinge, waren nicht in der Lage, ihre vermeintlich Untergebenen zu irgendetwas zu zwingen. (…) „Fast immer wendet sich der Anführer täglich bei Morgengrauen oder in der Abenddämmerung an die Gruppe. In seiner Hängematte liegend oder neben seinem Feuer sitzend, spricht er laut die erwartete Rede. Und gewiss muss seine Stimme kräftig sein, um sich vernehmbar zu machen. Denn es herrscht keinerlei Andacht, wenn der Häuptling spricht, keine Stille, jeder fährt in aller Ruhe fort, seinen Beschäftigungen nachzugehen, als ob nichts geschähe.“

Dieses Fehlen einer zentralen Macht hat auch Einfluss auf das Bild von Arbeit. Nicht alle Menschen leben in erster Linie, um zu arbeiten, wenn sie nicht dazu gezwungen werden.

>Die ersten europäischen Beobachter stellten unter großer Missbilligung fest, „dass gesunde Burschen sich lieber wie Weiber anmalten und mit Federn schmückten, als in ihren Gärten zu schwitzen. Leute also, die entschieden nicht wussten, dass man sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdienen muss.“
>(…)
> Anders als vielfach angenommen, seien sie nicht etwa nicht dazu in der Lage gewesen, einen ökonomischen Überschuss zu erzielen, sondern legten überhaupt keinen Wert darauf, mehr zu produzieren, als sie benötigten.

Thomas Wagner merkt jedoch an, dass Clastres’ Überlegungen zum Verhältnis zwischen den Geschlechtern in staatslosen Gesellschaften nicht überzeugen können.

[>> zum Text auf freitag.de: Heimlicher Klassiker](https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/heimlicher-klassiker)

Ansonsten wird Clastres oft vorgeworfen, dass er zu sehr romantisiere, staatenlose Gesellschaften darstelle als friedlich und konfliktfrei, die Gegensätze zwischen den staatslosen Gesellschaften und der sogenannten westlichen Welt übertreibe, siehe unter anderem weitere Besprechungen auf [goodreads.com](https://www.goodreads.com/book/show/990828.Society_Against_the_State) sowie von [Marc Purcell von der University of Washington](http://faculty.washington.edu/mpurcell/clastres.pdf) und [Stephen Machan auf Thoughts Explained](http://themoralskeptic.blogspot.com/2017/11/book-summary-society-against-state-by.html).

Das Buch kann man in seiner älteren deutschen Ausgabe vom [Mois-Blog](https://www.euse.de/wp/blog/2008/09/pierre-clastres-staatsfeinde/) herunterladen. Die englische Ausgabe gibt es bei [archive.org](https://archive.org/details/ClastresSocietyAgainstTheStateEssaysInPoliticalAnthropology/mode/2up). Die Neu-Ausgabe kann man bei der [Konstanz University Press](https://www.k-up.de/9783835391215-staatsfeinde.html) bestellen.

**SIEHE AUCH:**

[“Leben wie in der Steinzeit” – So verbreiten Ethnologen Vorurteile](https://www.antropologi.info/blog/ethnologie/2005/leben_wie_in_der_steinzeit_so_verbreiten)

[“Leben doch nicht im Einklang mit der Natur”](https://www.antropologi.info/blog/ethnologie/2011/edler-wilde)

[Anthropologists condemn the use of terms of “stone age” and “primitive”](https://www.antropologi.info/blog/anthropology/2007/anthropologists_condemn_the_use_of_terms)

Im Blatt Freitag stellt Thomas Wagner einen Klassiker der Ethnologie umd Sozialanthropologie vor, der jetzt zum ersten Mal seit 1976 in einer Neuauflage wieder verfügbar ist: Staatsfeinde von Pierre Clastres.

Einer der wichtigsten Aufgaben unseres Faches ist es zu zeigen,…

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Das Fach heißt Ethnologie, oder? Warum jetzt Kulturanthropologie? Oder Sozialanthropologie?

Früher sagte man Völkerkunde, dann Ethnologie. Nun Sozialanthropologie. Oder doch eher Kulturanthropologie?

Bevor ich diesen Blog wegen des erzwungenen Corona-Shutdowns wiederbelebe, sind ein paar Worte zur Benennung des Fachs, um das sich dieser Blog dreht, nötig. Denn es ist nicht mehr so leicht, wie das Fach und seine Forschenden zu bezeichnen sind.

Auf ihrer vorletzten Tagung im Oktober 2017 benannte sich die *Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde* in *Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie* um. Mehrere Institute und Museen in Österreich, Deutschland und in der Schweiz haben in den letzten Jahren ähnliche Schritte vollzogen.

Völkerkunde und Ethnologie verschwinden zunehmend zugunsten von Kultur- und/oder Sozialanthropologie.

Dies passiert in einer Zeit, in der sich die Öffentlichkeit langsam an Ethnologie gewöhnt hatte und zu verstehen begann, was sich hinter dem Begriff verbirgt. Dieser Namenswechsel ist nicht nur für Fachfremde verwirrend. Für manche, die sich mit Überzeugung “Ethnologin” oder “Ethnologe” nennen, ist er auch fragwürdig.

Meiner Meinung nach war die Umbenennung in Kultur- und Sozialanthropologie ein überfälliger Schritt. “Vermutlich wird in 10-20 Jahren niemand mehr von Ethnologie reden”, [profezeite ich selber in einem Forumsbeitrag hier auf antropologi.info vor knapp 14 Jahren](https://www.antropologi.info/ethnologie/forum/index.php?id=98).

Denn das Fach hat sich nun sogar auch im deutschsprachigen Raum verändert und modernisiert. Man untersucht nicht mehr “die Kultur der So-Und-So”, sondern das Verhalten und Zusammenleben der Menschen generell. Man ist nach und nach weggekommen von der fachlich nicht haltbaren Einteilung der Menschen in klar abgrenz- und studierbare “Ethnien”, “Völker” – oder auch “Kulturen”.

[Hansjörg Dilger](https://de.wikipedia.org/wiki/Hansj%C3%B6rg_Dilger) war bis zur letzten Tagung 2019 der Vorsitzende der[ Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie](https://www.dgska.de/) und leitet auch das [Institut für Sozial- und Kulturanthropologie an der FU Berlin](http://www.polsoz.fu-berlin.de/ethnologie/index.html). In einem Interview mit dem Uni-Blatt campus.leben [erklärt er die Umbennennung und den Wandel des Faches in Deutschland](https://www.fu-berlin.de/campusleben/campus/2015/150728-umbenennung-ethnologie/index.html):

> (In Deutschland) lag der Schwerpunkt der Völkerkunde Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend auf der physischen Anthropologie. In Zusammenhang mit dem Kolonialismus und dem Nationalsozialismus wurden in der sogenannten Rassenkunde soziale und kulturelle Fragestellungen von biologischen und ideologischen überlagert; Völker wurden auf Grundlage damals geltender Theorien in Kategorien und Stufen einer „evolutionären Rangordnung“ eingeordnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich das Fach Ethnologie neu gegründet, im Fokus standen zunächst primär einzelne Ethnien und deren Kultur.

> Seit spätestens den 1990er Jahren geht es in der Ethnologie jedoch explizit nicht mehr darum, das Fremde in anderen Kulturen zu zeigen, sondern ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie unterschiedlich Menschen in verschiedenen Kulturen mit den Herausforderungen ihrer Zeit umgehen.

> Wir Wissenschaftler sehen uns in der global verflochtenen Welt Machtstrukturen und Migrationszusammenhänge an, betrachten wirtschaftliche und rechtliche Themen oder auch die Medien. Wir entwickeln gemeinsam mit den Menschen Fragestellungen zu den für sie wichtigen Themen, etwa im Gesundheitsbereich oder beim Umgang mit Naturkatastrophen. Ethnische Zugehörigkeit ist in diesem Rahmen nur noch eine Kategorie neben anderen wie sozialer Status, Geschlecht, Alter oder religiöse Selbstverortung, die das Handeln von Menschen in Bezug auf solche Lebensbereiche erklären.

Die Namesänderung in Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie war wie bereits erwähnt nicht unumstritten. Zwar wollten nur 15 der 216 Mitglieder den alten Namen “Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde” beibehalten. Von den 198, die sich für eine Namesänderung aussprachen, wählten nur knapp mehr als die Hälfte (110) den neuen Namen. 88 Mitglieder stimmten für die Option “Deutsche Gesellschaft für Ethnologie”, wie wir im [Mitteilungsblatt](https://www.dgska.de/wp-content/uploads/2018/02/DGV-Mitteilungen_50_web.pdf) der Organisation nachlesen können.

Kritische Diskussionen über die Umbenennung wurden auf dem eigens eingerichteten [Umbenennungsblog](https://blog.uni-koeln.de/gssc-whatsinaname/) geführt. Hansjörg Dilger kommentiert die Kritik im Beitrag [Von Menschen und (ethnischen) Gruppen](https://blog.uni-koeln.de/gssc-whatsinaname/2018/05/22/von-menschen-und-ethnischen-gruppen/) ausführlich.

Von jenem Blog abgesehen hat die Umbenennung zu wenigen Reaktionen im Netz geführt. Max Schnepf, der den Blog [anthrobod](http://anthrobod.net “anthrobod”) betreibt, [erwähnte das Thema am Schluss seines Tagungsberichts](http://anthrobod.net/anthropology-in-germany/). Ihn hat es schockiert, dass viele sich so an den alten Namen klammerten, vermutlich aufgrund eines “veralteten Verstädnisses unseres Faches”, so Schnepf:

> I can only assume what their reasons were: a nostalgic sentiment for the association’s name or an outdated understanding of our discipline – namely the study of homogenous peoples bound to a specific territory.

Schwierig gestaltete sich die Einigung auf den neuen Namen, die nur durch die große Anzeil jüngerer Forscher möglich wurde:

> Should the association bear the name “ethnology”, because it is more easily communicable to a broader public or should the name represent what we as anthropologists are actually doing – engaging with the various ways in which humans live together? Thanks to many students and young scholars joining the association beforehand, the majority voted for the latter.

Als ich antropologi.info im Sommer 2004 ins Leben rief, waren diese Debatten noch nicht so weit fortgeschritten. Ich entschied mich deshalb für den Namen “Ethnologie in den Medien”. Der Domainname antropologi.info bezieht sich auf die norwegische Bezeichnung des Fachs sosialantropologi oder kurz antropologi – insofern ein guter Kompromiss!

*PS: Dieser Blogbeitrag schlummerte als Entwurf fast zwei Jahre lang vor sich her. Corona sei Dank konnte ich ihn überarbeiten und veröffentlichen.*

**SIEHE AUCH:**

[Ethnologie-Einführungen und die Sonderstellung der deutschen Ethnologie](https://www.antropologi.info/blog/ethnologie/2008/ethnologie_einfuhrungen_und_die_sonderst)

[Was ist Ethnologie? Eine schöne Definition](https://www.antropologi.info/blog/ethnologie/2006/was_ist_ethnologie_eine_schone_definitio)

[Ethnologen, raus aus der Kulturfalle!](https://www.antropologi.info/blog/ethnologie/2008/ethnologen_raus_aus_der_kulturfalle)

[Rassistische Ethnologie: ”Völkerkunde” abschaffen!](https://www.antropologi.info/blog/ethnologie/2005/rassistische_ethnologie_volkerkunde_absc)

Früher sagte man Völkerkunde, dann Ethnologie. Nun Sozialanthropologie. Oder doch eher Kulturanthropologie?

Bevor ich diesen Blog wegen des erzwungenen Corona-Shutdowns wiederbelebe, sind ein paar Worte zur Benennung des Fachs, um das sich dieser Blog dreht, nötig. Denn es ist nicht…

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Instituts-Webseiten: Immer noch keinen Dialog mit der Öffentlichkeit

In den letzten zwölf Jahren hat sich nicht viel verändert. Die Webseiten von Ethnologie- und Sozialanthropologie-Instituten sind heute grösstenteils genauso langweilig wie 2004.


Nicht besonders attraktiv, doch beinhaltet zumindestens eine Stellungsnahme zur Flucht- und Migrationsdebatte: Die Webseite des Freiburger Instituts für Ethnologie.

Damals kam eine Untersuchung des Ethnologischen Institutes der Uni Trier zum Schluss, dass “sich die Inhalte der deutschsprachigen Internetauftritte ethnologischer Universitätsinstitute in erster Linie an den Bedürfnissen der internen Studentenschaft, schon seltener an denen eines kundigen Publikums außerhalb des eigenen Instituts und nur in Ausnahmefällen an denen der Öffentlichkeit orientieren”.

Als ich mir kürzlich sämtliche Webseiten deutschsprachiger Ethnologie- und Sozialanthropologie-Institute (mehr als 30) anschaute, musste ich feststellen, dass sich in den letzten 12 Jahren nicht viel getan hat. Ein Dialog mit der Öffentlichkeit findet immer noch nicht statt. Die Webseiten sind weiterhin nur an eigene Studierende und Forschende sowie Forschungsbürokraten und Sponsoren gerichtet.

Die deutsche Ethnologin, die ich letztes Jahr in Oslo auf einer Konferenz in Oslo traf, hatte recht. Sie war beeindruckt darüber, dass mich die Uni Oslo dafür bezahlt, für die Uniwebseiten mehrere Artikel über eine Konferenz zu schreiben.”So einen Service kenne ich leider überhaupt nicht in Deutschland”, sagte sie. “Für administrative Dinge ist sehr wenig Geld da, die Websites werden häufig von den Sekretärinnen bestückt, die ständig am Rand ihrer Belastbarkeit sind.” (Siehe auch früherer Beitrag zum Thema: Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit)

An Unis in Norwegen ist Kommunikation mit der Öffentlichkeit mittels journalistisch aufgearbeiteter Forschungsnachrichen inzwischen Standard geworden – nachdem Thomas Hylland Eriksen in der Anfangszeit ziemlich lange allein auf weiter Flur war mit seinen Bemühungen, Brücken zwischen Forschung und Öffentlichkeit zu bauen.

Die letzten zehn Jahre hab ich mich deshalb so einigermassen mit Forschungsjournalismus in Oslo übers Wasser halten können. Ich habe sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehrerer Forschungsprojekte interviewt, Studenten während ihrer Feldforschung auf vier Kontinenten angerufen und nach ihren Erfahrungen befragt, Master- und Doktorabhandlungen und neue Bücher vorgestellt – und natürlich viele Zusammenfassungen von Seminaren und Konferenzen geschrieben (siehe u.a. hier).

Die besten Webseiten

Platz 1

Aber es gibt Ausnahmen im deutschsprachigem Raum. Wenn ich eine Rangliste über die besten Institutswebseiten aufstellen müsste, dann hätte ich einen eindeutigen Gewinner – es ist die Webseite des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung in Halle, also kein universitäres Institut.


Klare Nummer 1: Die Webseite des Max Planck-Instituts für ethnologische Forschung in Halle.

Kein anderes Institut im deutschsprachigen Raum präsentiert seine Forschung so ansprechend der Aussenwelt. Zwar ist das News-Archive etwas bürokratisch gehalten und die Beschreibungen der Forschungsprojekte etwas trocken. Doch in der Mediathek gibt es jede Menge Bilder aus der Forschung sowie neun Dokumentarfilme.

Eines der Forschungsprojekte hat einen eigenen Blog, den REALEURASIA Blog, mit imponierend vielen Beiträgen. Das Institut hat auch zwei Beiträge zum Thema Terrorismus beigesteuert: Wie Terroristen gemacht werden (von Günther Schlee) und „Wir tappen immer noch im Dunkeln“ (Interview mit Carolin Görzig)

Eine grosse Anzahl von Working Papers gibt es auch.

Platz 2

Platz zwei würde ich dem Institut für Ethnologie in München vergeben.

Auf den ersten Blick schaut die Münchner Seite so gähnend langweilig wie alle anderen Institutsseiten aus. Eine neue Welt tut sich denjenigen auf, die auf den unscheinbaren Menüpunkt “Schmankerl” klicken. Hier gibt es ansprechend aufgearbeitete Einblicke in die Forschung des Instituts. Es gibt Studentische Filme zu sehen, Ausstellungen sowie Feldforschungsberichte, u.a. über Ökotourismus-Projekte in Mexiko oder Civil Society in Pakistan oder Remoteness & Connectivity – Highland Asia in the World – und zwar mit Bildern und Videos.

Platz 3

Platz 3 würde ich an das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie an der Uni Wien vergeben. Internes dominiert auch hier, doch in der Sektion News gibt es teilweise auch Lesestoff für die interessierte Öffentlichkeit. Es wird auf Interviews mit Forschern hingewiesen (“Migration als Chance, über uns nachzudenken”) und auf Videos über ein Fieldworkslam und einen Berufsinformationsfilm. Ausserdem hat das Institut eine Webseite erstellt zum Thema: ‘Mehr Als Flucht. Initiativen und Hintergründe aus Kultur- und Sozialanthropologischer Perspektive’ (Hier finde ich allerdings die Idee besser als die Durchführung).

Platz 4

Ein guter Kandidat für den vierten Platz sind die Webseiten des Lehrstuhls für Ethnologie und Kulturanthropologie an der Uni Konstanz. Denn dieses Institut hat seit drei Jahren seinen eigenen Blog, wo zu aktuellen Ereignissen Stellung genommen wird, z.B. zu Der Fluch der ‚Kariben‘ – Zu Disneys Darstellung anthropophagischer Ureinwohner in Piraten der Karibik 2 oder wo Forscherinnen selbst von ihrer Forschung berichten wie z.B. Sarah Fuchs in ihrem Beitrag Armut, Kultur oder Menschenhandel? Die „Biographie des Bettelns“ in Senegals Koranschulen.

Platz 5

Zu guter Letzt auf Platz 5 die Facheinheit Ethnologie an der Uni Bayreuth. Gleich auf der Startseite werden wir auf drei studentische Videos hingewiesen, die im Seminar “Schreiben und Mediales Präsentieren: Picturing Anthropology” (SS 2015) von Valerie Hänsch entstanden sind. Herauszuheben ist die umfangreiche Photogalerie mit Bildern von Feldforschung in diversen afrikanischen Ländern.

Habe ich gute Seiten übersehen?

SIEHE AUCH:

Halle, Bern und Basel vorn – Webseiten von Ethnologie-Instituten untersucht (1.9.2004)

Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit (17.5.2010)

Nancy Scheper-Hughes: Public anthropology through collaboration with journalists (7.8.2009)

Michael Schönhuth: Mehr Interesse für eine öffentliche Ethnologie? (15.11.2009)

In den letzten zwölf Jahren hat sich nicht viel verändert. Die Webseiten von Ethnologie- und Sozialanthropologie-Instituten sind heute grösstenteils genauso langweilig wie 2004.

Nicht besonders attraktiv, doch beinhaltet zumindestens eine Stellungsnahme zur Flucht- und Migrationsdebatte: Die Webseite des Freiburger Instituts für…

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Deutschsprachige Ethnologie-Blogs – Ein kurzer Zustandsbericht

Diesen ruhigen, stets sonnigen Weihnachtstag in Kairo, nehme ich als Anlass, einen kurzen Blick auf die deutschsprachige Ethnologie-Blogosphäre zu werfen. Einiges hat sich verändert, seitdem es wegen meiner veränderten Lebenssituation auf antropologi.info ruhiger geworden ist.

Einige neue Blogs, die sich mit Ethnologie, bzw Sozial- oder Kulturanthropologie beschäftigen, sind hinzugekommen, während mehrere beliebte Blogs am Einschlafen sind oder existieren nicht mehr.

Hier zuerst eine Übersicht über neue Blogs

Zu den Blogs, die bessere Zeiten gesehen haben, gehört leider Ethno::log aus München, ein Blog der ersten Generation, mehr als zehn Jahre alt. Nur sehr wenige Posts, die meisten sind Ankündigungen. Wildes Denken, eine Zeitlang einer der besten Blogs, scheint völlig eingeschlafen zu sein, seit März 2013 ist da Funkstille. Ethmundo, das jahrelang gute Magazinbeiträge lieferte, scheint ein ähnliches Schicksal ergangen zu sein. Sämtliche Texte sind verschwunden. Ruhiger geht es auch zu auf dialogtexte.

Weiter eifrig gepostet wird u.a. auf Teilnehmende Medienbeobachtung, dem Ethno-Podcast/Radio Der Weltempfänger und Kulturwissenschaftliche Technikforschung

Die neuesten Beträge deutschsprachiger Blogs gibt es von nun an hier: https://feeds.antropologi.info/german/

Welche Blogs habe ich vergessen?

Diesen ruhigen, stets sonnigen Weihnachtstag in Kairo, nehme ich als Anlass, einen kurzen Blick auf die deutschsprachige Ethnologie-Blogosphäre zu werfen. Einiges hat sich verändert, seitdem es wegen meiner veränderten Lebenssituation auf antropologi.info ruhiger geworden ist.

Einige neue Blogs, die sich mit…

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