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Ethnologen kritisieren Berichterstattung über “isolierte Urwaldvölker”

Pfeile gegen die Zivilisation und Hoffnung für die “Steinzeit”-Indios, meldeten die Zeitungen mit ungeschminkten Rasismus nachdem ein “Indianerstamm entdeckt” wurde.

Die Berichterstattung in der WELT hebt sich hier positiv ab. Ulrich Baron reflektiert über den Traum vom edlen Wilden. “Die Verklärung des Naturzustandes zählt zu den hartnäckigsten Illusionen der Menschheit”, schreibt er.

Ein paar Tage später interviewt Sören Kittel die Ethnologen Wolfgang Kapfhammer aus München und Susanne Schröter aus Passau. Sie teilen nicht die Besorgnis von Organisationen wie Survival International, dass die Kultur der Indianergruppe “bald ausgelöscht sein” könnte.

Kapfhammer hat ein Jahr bei den Sateré-Mawé im Amazonas-Gebiet gelebt, die zwei Tage Bootsfahrt von der nächsten Stadt leben. “Trotzdem sind sie missioniert worden und tragen westliche Kleidung”, sagt er:

“Die Frage, ob sie Kontakt bekommen, stellt sich gar nicht. Es geht vielmehr darum, die Waldbewohner vor der Gewaltkultur an den entlegenen Rändern der brasilianischen Gesellschaft zu schützen.”

“Aussterben ist ein westlicher Topos”, sagt Susanne Schröter. Er gehöre ins 19. Jahrhundert und habe damals legitimiert, dass westliche Wissenschaftler Gegenstände exotischer Kulturen dokumentieren konnten.

Kapfhammer stimmt zu:

“Man hat den Eindruck, seit die ersten Indianer entdeckt wurden, sterben sie aus – das ist absurd.”

Heute leben rund 800 000 Amazonas-Indianer in Brasilien, die ein hohes Bevölkerungswachstum aufweisen. Zudem seien sie politisch gut organisiert: Die Sateré-Mawé, bei denen er geforscht hat, stellen in der außerhalb ihres Reservats gelegenen Provinzhauptstadt sogar den Bürgermeister.

Susanne Schröter sagt:

“Die Regierung könnte sie zu einem lebendigen Museum erklären, oder sie baut ihnen Schulen und Krankenhäuser. Eine Käseglocke für die nächsten 20 Jahre kann Funai dem Stamm auch nicht mehr überstülpen.”

>> weiter in der WELT

Auch international haben sich mehrere Ethnologen kritisch geäussert, siehe meine Zusammenfassung The Double Standards of the “Uncontacted Tribes” Circus

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Bilderbuch-Ethnologe ueber gebratene Papageien, Zauber und Sex im Dschungel

buch cover

Drei Jahre hat er bei den Lacandón-Indianern im suedmexikanischen Dschungel gelebt und gilt nun als Expert in Sachen Ethnomedizin und Schamanismus. Das Hamburger Morgenblatt hat anlaesslich seines soeben erschienenes Buch “Vom Forscher, der auszog, das Zaubern zu lernen” mit dem Ethnologen Christian Rätsch gesprochen.

Christian Rätsch scheint den typischen Ethnologen im Auge von Nicht-Ethnologen zu verkoerpern: “Gebratene Papageien, Zauber und Sex in der Holzhütte” titelt das Abendblatt. Er ist fasziniert vom “Anderen”, “Exotischem” und kritisch gegenueber “der Zivilisation”. Wie viele besonders deutsche Ethnologen scheint er von einem Hang zum Exotisieren zu leiden. Indianer scheint er einem Amazon-Kritiker zufolge gar als “edle Wilde” zu betrachten.

Solche Tendenzen kommen auch im Interview mit dem Abendblatt zu Tage. Er erzaehlt dass das Indianer-Dorf mittlerweile “durch eine Schotterpiste an die Zivilisation angebunden” sei und “einige Bewohner den Verlockungen der nahe gelegenen Städte erliegen” wuerden und “der Dorfgemeinschaft den Rücken kehren”.

>> zum Interview im Hamburger Morgenblatt

Christian Rätsch hat auch eine eigene Webseite http://www.christian-raetsch.de/ mit vielen Artikeln zur Ethnobotanik sowie mehrere Reiseberichte.

Es gibt auch ein humoristisches Interview mit ihm im ArturMag

AKTUALISIERUNG: Ein sehr schönes Interview hat Freya Morigerowsky mit Christian Rätsch auf ethmundo.de geführt (Link aktualisiert 21.9.15)

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Lernen von den Yanomami-Müttern?

In manchen Laendern wurde gestern der Muttertag gefeiert und deshalb interviewte der FOCUS die Ethnologin Gabriele Herzog-Schröder zur Situation der Mütter bei den Yanomami in Venezuela.

“Frauen, die zugunsten ihrer Karriere auf Kinder verzichten, können hier zu hohem Ansehen und viel Geld kommen”, sagt sie. Die Entscheidung zwischen „Rabenmutter“ oder „Heimchen am Herd“, lesen wir, stelle sich für sie nicht. Sie koennen ihre Kinder bei fast allen Tätigkeiten um sich haben. Und wenn nicht, greife das soziale Netz (Familienzusammenhalt, Nachbarschaftshilfe, Frauensolidarität). Kinder übernehmen früh Verantwortung und seien, so die Ethnologin, stolz darauf, mithelfen zu können.

Wie immer wenn ueber Indianer geschrieben wird, werden Stereotype verbreitet. Die Journalistin schreibt “Naturgesellschaften sind einfach strukturiert”. (Es gibt keine Naturgesellschaften und auch von aussen “einfach” wirkende Gesellschaften koennen hoch komplex organisiert sein).

Auch die Ethnologin kommt mit einer problematischen Aussage:

„Wir lernen von den Yanomami-Müttern nicht, wie wir es besser machen können. Jede Kultur hat ihre eigene Strategie.”

Man kann vielleicht nicht alle Organisationsformen vom Regenwald in eine Millionenstadt 1:1 uebertragen, jede Uebertragungsmoeglichkeit grundsaetzlich auszuschliessen mit dem Hinweis, es handele sich um eine “andere Kultur”, grenzt schon an (kulturellen) Rassismus – vorausgesetzt das Zitat ist korrekt.

>> zur Geschichte im FOCUS

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In manchen Laendern wurde gestern der Muttertag gefeiert und deshalb interviewte der FOCUS die Ethnologin Gabriele Herzog-Schröder zur Situation der Mütter bei den Yanomami in Venezuela.

"Frauen, die zugunsten ihrer Karriere auf Kinder verzichten, können hier zu hohem Ansehen und…

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Ethnologen protestieren gegen Mel Gibsons „Apocalypto“

Wissenschaftler und Studierende des Faches Altamerikanistik und Ethnologie (IEA) der Universität Bonn protestieren gegen den aktuellen Film von Hollywood-Star Mel Gibson, meldet Kultur in Bonn. In „Apocalypto“ werde ein “Zerrbild der mesoamerikanischen Hochkultur“ gezeichnet, dass der wissenschaftlichen Forschung nicht ansatzweise gerecht werde. Gibsons Film sei “auf den Spuren einer kolonialistischen Propaganda”.

In ihrer Stellungnahme schreibt das Institut, dass die Maya als “kulturloses und primitives Volk disqualifiziert” wuerden. Der Film habe das Potential, weiteren Nährboden für den ohnehin schon bestehenden Rassismus gegen die heutige Mayabevölkerung in den Staaten Mexiko, Guatemala, Belize, Honduras und El Salvador zu schaffen.

>> zur Stellungnahme der Ethnologen

Der Film hat bereits auf diversen Ethnoseiten zu Diskussionen gefuehrt. Fuer eine Zusammenfassung, siehe Savage Minds: Apocalypto Roundup.

UPDATE: Siehe auch die Reaktionen auf der Website der European Association of Mayanists (WAYEB ).

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“Nordamerikanische Indianerliteratur als Subdisziplin der Anglistik/Amerikanistik etabliert”

In den achtziger Jahren gab es kaum einen Schlagwortkatalog, der die Begriffe «Indianer» und «Literatur» miteinander koppelte. Heute hat sich nordindianische Literatur dagegen als Subdisziplin der Anglistik/Amerikanistik etabliert, schreibt Hartwig Isernhagen in der NZZ.

Der Literaturwissenschaftler bespricht zwei Neuerscheinungen, die Literatur von nordamerikanischen Indianern praesentieren: den “Cambridge Companion to Native American Literature” und Die Welt wird niemals enden. Geschichten der Dakota von Mary Louise Defender Wilson.

>> zur Besprechung in der NZZ

In den achtziger Jahren gab es kaum einen Schlagwortkatalog, der die Begriffe «Indianer» und «Literatur» miteinander koppelte. Heute hat sich nordindianische Literatur dagegen als Subdisziplin der Anglistik/Amerikanistik etabliert, schreibt Hartwig Isernhagen in der NZZ.

Der Literaturwissenschaftler bespricht zwei Neuerscheinungen, die…

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