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Wenn Kinder als Hexen verfolgt werden: Was meint die Ethnologie?

Immer wieder macht das Thema “Hexenkinder” Schlagzeilen in den Medien. Doch was haben Ethnologen und Ethnologinnen dazu zu sagen? Bisher recht wenig. Ethnologe Felix Riedel hat sich eines der wenigen Bücher zu diesem Thema angeschaut und stellt es hier auf antropologi.info vor: The Devil’s Children. From Spirit Possession to Witchcraft: New Allegations that affect Children von Jean La Fontaine.


Rezension

LaFontaine (Hg.) 2009: The Devil’s Children. From Spirit Possession to Witchcraft: New Allegations that affect Children. Farnham, Surrey: Ashgate Publishing Limited.

Von Felix Riedel, MA Ethnologie

Die Viktimisierung von Kindern durch Hexereianklagen hat in den letzten Jahren starkes Interesse der Öffentlichkeit erfahren. Ein Auslöser dafür war die britische Dokumentation des Senders Channel 4 mit dem Titel Saving Africa’s witch-children. Das Porträt eines nigerianischen Asyls für Kinder, die von ihren Eltern, Stiefeltern, Verwandten, Priestern oder Nachbarn der Hexerei beschuldigt und misshandelt wurden, stieß eine gesellschaftliche Debatte in Nigeria an. Die vergleichbare Situation in der Demokratischen Republik Kongo wurde in ähnlichen Dokumentarfilmen belegt.

Dispatches: Return to Africa's Witch Children (1 of 5)

In Diskrepanz zum journalistischen Interesse steht das Schweigen der Ethnologie. Lediglich Robert Brain (1970), Peter Geschiere (1980) und Filip DeBoeck (2003; 2004; 2005) haben bislang fundierte Daten gesammelt und diskutiert, zwei neuere Studien aus Ghana erschienen nach 2009. Eine Reihe von Arbeiten aus dem Umfeld humanitärer Organisationen rezitiert im Wesentlichen die journalistischen Quellen.

Der von Jean LaFontaine herausgelegte Sammelband betritt daher ein weitgehend brach liegendes Feld.

Die Publikation richtet sich in der Konsequenz nicht primär an ein wissenschaftliches Fachpublikum, sondern an soziale Arbeit, therapeutisches Personal, Polizisten und Kirchen. Zwei Drittel der Texte im Sammelband leisten ausschließlich Vorarbeit zu einem Verständnis von Geistbesessenheit in unterschiedlichen kulturellen Bezügen.

Eine hervorragende Zusammenfassung der psychiatrischen Problematik liefert Roland Littlewood. Seine Gegenüberstellung von Geistbesessenheit und suizidaler Überdosierung von Medikamenten eröffnet einen praktikablen Weg, das Verhältnis von agency und Symptom bei weiblichen Besessenheitskulten in aller gebotenen Unschärfe neu zu bestimmen:

„The distinction may be difficult to draw. As with overdoses, when do ‚symptoms’ become ‚strategies’?“ (33)

Littlewood fordert eine erhöhte Sensibilität der Therapeuten für kulturelle Belange sowie die partielle Integration von kulturspezifischen Laien-Therapeuten ein. Die psychiatrische Therapie will er durch diese Offenheit im Interesse des Patienten stärken und beibehalten.

buch cover

Sherrill Mulhern evaluiert in einem weiteren exzellenten Text für den europäischen Kontext alternierende Schwankungen in den Körper-Geist-Konzeptionen.

Ausgangspunkt ist der Wandel von der hochmittelalterlichen Lehrmeinung über Hexereigeständnisse und Somnambulismus zu den fundamental differenten Anschauungen des 14ten Jahrhunderts. (38ff) Erst diese interpretierten halluzinierte Geständnisse als empirisches Zeugnis einer nächtlichen Reise und Teufelsbuhlschaft.

Diesen Wandel parallelisiert sie mit dem aktuellen charismatisch-christlichen Postulat, Geständnisse und Visionen seien empirische Manifestationen göttlicher Wahrheiten und ermöglichten spirituelle Ätiologien. Während die Exzesse der katholischen Kirche letztlich die Entwicklung von alternativen psychologischen Konzepten provoziert hätten, würde die charismatische Bewegung die Therapie aus der säkularen Psychotherapie in die Dämonologie der deliverance zurück überführen. (46)

In einer bisweilen zu glatten, rasanten Erzählung problematisiert sie die Wiederkehr des Geständnisproblems in der Psychotherapie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Unter dem Druck feministischer Positionen sei die analytische Annahme einer subjektiven, psychologischen Wahrheit für Inzestfälle in den Verdacht der Vertuschung von realen Verbrechen geraten.

Die bis heute andauernde Strömung fordert gegen das rechtsstaatliche Prinzip der Nachweisbarkeit und in Verleugnung der Möglichkeit der Konfabulation eine prüfungslose Anerkennung jeglicher Opfererzählungen. Als Resultat der Diskursschwankungen seien erstaunlich weit verbreitete Phantasien über satanistische Rituale bis hin zum Kannibalismus als glaubhafte kindliche Erinnerungen von Patienten und Therapeuten verteidigt worden. (54) Mulherns historische Analyse verweist in einer neuen Dringlichkeit auf die Komplexität und Reichweite des Problems der Nichtidentität von Geist und Körper.

Die Integration von emischen Perspektiven versucht der Band im dritten Teil. Christina Harringtons Beitrag idealisiert in einem kurzen Beitrag ihre Wicca-Initiation. Mercy Magbagbeolas Beschreibung ihrer christlichen Hexereivorstellungen sind als illustrative ethnographische Quelle wertvoll, werden in dieser Form aber unnötig aufgewertet.

Erst das letzte Drittel des Buches widmet sich explizit Kindern als Opfer von Hexereianklagen.

LaFontaine fasst die wenigen bestehenden ethnographischen Texte zusammen und leistet so die Vorarbeit zum einzigen ethnographischen Beitrag von Filip DeBoeck. Dieser liefert eine geringfügig aktualisierte Durchführung seiner älteren Texte, in denen er konzise die Verhältnisse in der DRC beschreibt und diskutiert.

Leider besteht er immer noch auf einer euphemistischen Definition der Heilung: Der mitunter wochenlange Exorzismus von Kindern in den Kirchen biete als therapeutic ‚healing’ space eine „alternative Lösung des Problems“ an. (131)

DeBoeck entgleitet hier die Sensibilität für die komplexere infantile Psychodynamik, schlüssig wird der therapeutische Aspekt nicht. Das Trauma des Exorzismus wird nicht weiter erörtert, die Reintegration ins verfolgende Kollektiv wird mit Heilung gleichgesetzt. Auch wiederholt er die populäre Hypothese, Hexereianklagen könnten als a posteriori birth control gelten: Kinder würden primär aus ökonomischen Gründen verstoßen.

Materialistische Ansätze dieser Art erklären nicht, warum die okkulte Rechtfertigung der ökonomischen vorgezogen wird.

Stichhaltiger ist seine Beobachtung über Neuformierungen der Kernfamilie gegen die erweiterte Verwandtschaft mit ihren Ansprüchen. Aber auch hier fehlt die Vermittlung durch die individuelle Psychodynamik und die Ideologieform, in der diese Abgrenzung als okkultes Ressentiment gewählt und ausformuliert wird.

In einer für das Forschungsfeld üblichen Umkehr werden die Verfolger von Kindern zu Opfern einer spirituellen Unsicherheit, einer Krise der Verwandtschaft. Die Krise der kindlichen Opfer von Hexereianklagen tritt dann nur noch als sekundärer Effekt einer anderen Krise in Erscheinung.

Das letzte Kapitel wird im Wesentlichen von Eleanor Stobart gerettet durch eine empirische Studie über Fälle von Kindesmisshandlung mit assoziierten Hexereianklagen in Großbritannien.

Die breite Zielgruppe des Bandes resultiert in einem Relativismus, der Kritik unterbindet. So behauptet Eileen Barker in der Einleitung:

„The social sciences have to recognise their limitations, however. They have no expertise, technologies or skills that allow them to judge theological or ethical claims.” (3)

Dieser Widerruf wissenschaftlicher Erkenntnis richtet sich gegen philosophische Betätigung als Vermittlung zwischen dem aktuellen Stand der Aufklärung und dem dahinter zurückfallenden gesellschaftlichen Bewusstein. Der den Sozialwissenschaften aufoktroyierte „wissenschaftliche Agnostizismus“ (3) tendiert dazu, analytische Kritik und interdisziplinäres Denken stillzulegen.

So richtig die Kritik am „nothing but“ der psychologistischen oder materialistischen Ansätze ist, so reduktionistisch ist die Aufgabe des Versuches der dialektischen Darstellung zugunsten einer urteilsfreien Beschreibung, die weder naturwissenschaftlichen noch philosophischen Ansprüchen gerecht wird.

Der Eindruck der Beliebigkeit wird komplett, wenn Barker wenig später das Urteil über spezifische Vorurteile doch wieder einführt: Als berechtigten Verweis auf „ignorance“ und „misinformation“ der westlichen Gesellschaften gegenüber den Vorstellungen der Minoritäten (4).

Die dialektische Spannung zwischen Materialismus und Psychologismus, Gesellschaft und Individuum kann der Band nicht aushalten. Er beinhaltet einige Aufsätze von hervorragender Qualität und leistet auch Pionierarbeit für die Praxis mit viktimisierten Kindern. So erfreulich dieser seltene praxisbezogene Ansatz ist, die Desiderate des Feldes „Kinder und Hexenjagden“ können die Beiträge leider nur partiell schließen.

Felix Riedel, MA Ethnologie
Marburg, Deutschland
Kontakt: Felix.Riedel.Uni (AT) googlemail.com


MEHR INFORMATIONEN:

Information vom Verlag

Einführungskapitel des Buches (pdf)

Felix Riedel: Hexenjagden in Nordghana (Teil seines Projektes “Hilfe für Hexenjagdflüchtlinge Ein Verein zur Unterstützung der Asyle für Hexenjagdflüchtlinge in Ghana”)

Jean La Fontaine: Witchcraft belief is a curse on Africa (Guardian 1.3.12)

Eleanor Stobart: Race bias claim over witchcraft “The government’s response to child abuse linked to witchcraft would have been different if it involved mainly white children” (BBC, 4.8.2006)

Die Kinderhexen von Kinshasa. Zum Wandel von Hexereivorstellungen in der Demokratischen Republik Kongo Magisterarbeit in Ethnologie von Katharina Puvogel an der Uni Münster (pdf)

SIEHE AUCH:

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Kontroverser Ethnologe David Signer: Die Stagnation schwarzafrikanischer Staaten hat einen Grund: Hexerei

World Cup Witchcraft: European Teams Turn to Magic for Aid

buch cover

Als "Hexenkind" verfolgt und misshandelt (Kleine Zeitung, 16.1.2012)
Die Hexenkinder von Nigeria: Priester und Scharlatane bereiten Jungen und Mädchen die Hölle auf Erden (Die Welt, 11.9.2010)

Immer wieder macht das Thema "Hexenkinder" Schlagzeilen in den Medien. Doch was haben Ethnologen und Ethnologinnen…

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Gefährlicher “interkultureller Dialog” in Jugendbüchern

Vor zwei Jahren gaben Studentinnen der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien das Buch Das Fremde. Konstruktionen und Dekonstruktionen eines Spuks heraus, das auf Seminararbeiten basierte. Soeben ist ein neues Buch mit Seminararbeiten zu diesem Thema erschienen: alltäglich | fremd, herausgegeben von Katharina Leitner und Nicole Czekelius.

Einer der Beiträge setzt sich kritisch mit sogenanntem “interkulturellen Dialog” in der Kinder- und Jugendliteratur auseinander. Mehr und mehr Kinder- und Jugendbücher behandeln das Thema “kulturelle Fremdheit” und Migration.

Susanna Sulig analysiert ein Buch, das für friedvolles Miteinander zwischen Bewohnern Israels und Palästina eintritt und dafür sogar einen Unesco-Preis erhalten hat: Samir und Jonathan von Daniella Carmi. Es handelt um eine Freundschaft zwischen einem palästinensischen (Samir) und einem jüdischen Jungen (Jonathan). Wegen einer komplizierten Knieoperation muss Samir in ein israelisches Krankenhaus gebracht werden. Dort lernt er Jonathan kennen.

Ein offenbar guter Ausgangspunkt für eine Geschichte, die Vorurteile herausfordert und den Konflikt entmystifiziert. Doch das Buch scheint unter ähnlichen Problemen wie manche andere “interkulturellen” Initiativen zu leiden. Obwohl man für “Verständigung wird”, schreibt man Vorurteile über “die anderen” fest. Die Botschaft scheint zu sein: Ja, die anderen sind anders und vielleicht etwas primitiv, doch Freunde können wir trotzdem werden.

Bestehende Fremdheitsverhältnisse werden als überbrückbar gesehen, schreibt Susanna Sulig. Freundschaft zwischen Juden und Palästinensern wird als etwas bereicherndes dargestellt. Soweit so gut. Doch die Autorin, die selber aus Israel stammt und Jüdin ist, verbreite in ihrer Gesellschaft vorherrschende Stereotypen über den Alltag in einem Palästinenserdorf.

Die Verleihung des Unescopreises für Kinder- und Jugendliteratur im Dienste der Toleranz sieht Sulig als nicht gerechtfertigt an.

Die beiden Jungen werden vollständig unterschiedlich dargestellt.

Jonathan taucht vom ersten moment an als leiser, sensibler, interessierter und intelligenter Charakter auf. Er wird nach und nach zu Heldenfigur stilisiert. Samir dagegen ist arm, nicht besonders intelligent, resigniert und stets traurig.

Jonathan gilt als Freund der Wissenschaften, Samir als ein Freund der Magie und des Aberglaubens. Bei ihren ersten Treffen erzählt Jonathan Geschichten von der Entstehung des Universums und des Lebens auf der Erde. Jonathan kann mit einem Computer umgehen und beherrscht Englisch.

Davon weiss Samir alles nichts. Das einzige was er auf Englisch weiss, ist der Anfang aus “Aladin und die Wunderlampe”

“Die Autorin lässt Samir den Beginn von Aladin und die Wunderlampe als eine art Zauberspruch benutzen. Immer wenn Samir Angst hat und Böses abwehren will, spricht er diesen Satz leise vor sich hin”, so Sulig.

Dass Samir in Zusammenhang mit Religion, Aberglauben und Mystik gebracht wird ist nicht zufällig, meint Sullig. Die Gegenüberstellung von Westen =Aufklärung und Wissenschaft und Orient = Aberglaube und Irrationalität widerspiegelt verbreitete Sichtweisen in westlichen Gesellschaften. Edward Said hat dies in seinem Klassiker Orientalism dokumentiert.

Dies ist problematisch: Stereotypen werden von Leserinnen wiedererkannt und damit bestätigt.

Die Autorin erwähnt zwar Ausgangssperren, Unruhen und Militärkjontrollen bettet Samirs Alltag jedoch nicht in einen weiteren politischen Kontext ein. Man erfährt offenbar nichts über die Gründe seines harten Alltags. “So entstehe nur allzu leicht das Bild der verbitterten (palästinischen) Familie auf der einen und der glücklichen (jüdischen) Familie auf der anderen Seite”, kritisiert Sulig.

Einen positiven Beitrag könne das Buch nur leisten, wenn kritisch mit den stereotypen Darstellugen umgegangen würde.

Samir und Jonathan ist übrigens erst spät ins Arabische übersetzt worden, merkt sie an: erst nach Preisverleihung.

Susanna Suligs Artikel ist einer von vielen Beiträgen dieses Buchprojektes, dasin einem studentischen Verlagskollektiv (HammockTreeRecords) verlegt wurde.

Die Artikel entstanden in einem Seminar bei Peter H. Karall am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien und wurden in monatelanger Freiwilligenarbeit von Fokus_Irrt, den Herausgeberinnen, den Autorinnen und von Teilnehmenden des HammockTreeRecords Kollektivs bearbeitet und zur Publikation vorbereitet. Siehe auch früheres Interview zum ersten Buch und meine Besprechung des Buches

SIEHE AUCH:

Ethnologe: Zuviel Gerede um “das Fremde”!

– Ethnisierung verhindert Frieden

(aktualisiert) Ethnologen: WM-Berichte verbreiten Vorurteile über Afrika

Initiationsriten: Merkwürdige Weisse

Neuperlach: Wie Schule, Eltern und Medien “Ausländerprobleme” schaffen

Ethnologen, raus aus der Kulturfalle!

Populärethnologie von Christoph Antweiler: Heimat Mensch. Was uns alle verbindet

Christians and Muslims: That’s why there is peace

Vor zwei Jahren gaben Studentinnen der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien das Buch Das Fremde. Konstruktionen und Dekonstruktionen eines Spuks heraus, das auf Seminararbeiten basierte. Soeben ist ein neues Buch mit Seminararbeiten zu diesem Thema erschienen:…

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Die Ethnologie der Karottenjeans

Das Magazin De:Bug interviewt Ethnologen Moritz Ege, der Karottenjeanstragende Jugendliche studiert.

Unter den Karottenjeansträgern, erzählt der Ethnologe, befinden sich überproportional viele der Jugendlichen aus den “Nachfolge-Milieus der Arbeiterschicht”.

“Ähnlich wie in den frühen Tagen der Skin-Kultur frönen deutschstämmige und migrantische Jugendliche gleichermaßen einer Ästhetik für harte Straßenjungs”, lesen wir.

Beim Studium dieser Szene ist offenbar der oft vernachlässigte Begriff der Klasse am relevantesten.

>> weiter bei De:Bug

Jeans sind noch in einem anderen Forschungsprojekt ein zentrales Forschungsprojekt, siehe “Study how and why people wear denim around the world!”

Das Magazin De:Bug interviewt Ethnologen Moritz Ege, der Karottenjeanstragende Jugendliche studiert.

Unter den Karottenjeansträgern, erzählt der Ethnologe, befinden sich überproportional viele der Jugendlichen aus den "Nachfolge-Milieus der Arbeiterschicht".

"Ähnlich wie in den frühen Tagen der Skin-Kultur frönen deutschstämmige und migrantische…

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Doktorarbeit über Jugendliche “die niemand braucht”

Wie halten junge Leute ohne Zukunftsperspektiven ihr Selbstbild aufrecht? Der Standard schreibt kurz über die Dissertation der Kulturanthropologin Diana Reiners “Learning for Precarity”.

Die Arbeit handelt über benachteiligte Jugendliche mit Migrationshintergrund in Graz. Sie geht u.a. der Frage nach, wie diese jungen Leute mit den Anforderungen der neoliberalen Arbeitswelt umgehen, in der sie doppelt diskriminiert wegen – zum einen wegen ihren Klassenhintergrundes und zum anderen weil sie Migranten sind. “Wenn junge Menschen in einer Warteschleife ohne Perspektive auf langfristige Erwerbsbiografien gehalten werden, kann das zur Desintegration der Gesellschaft führen”, sagt die Anthropologin.

>> mehr im Standard

Die Doktorarbeit scheint nicht im Netz verfügbar zu sein. Ich hab auch sonst leider nichts näheres zu ihrer Forschung gefunden.

Sozialanthropologin Cicilie Fagerlid hat in ihrem Feldarbeitsblog viel über “Prekarität” in Paris geschrieben, u.a. Security à la français: précarité and insécurité

SIEHE AUCH:

“A postcolonial urban apartheid”: Two anthropologists on the riots in France

Ethnologin: Gewerbescheine und Niedrigstlohnjobs statt Sozialhilfe fuer Auslaender

Ethnologin ueber ‘Schulversager’: “Man sollte eher fragen, was mit den Erwachsenen los ist”

Ethnologe Norbert Cyrus: Zwangsarbeit in Deutschland nimmt zu

Wie halten junge Leute ohne Zukunftsperspektiven ihr Selbstbild aufrecht? Der Standard schreibt kurz über die Dissertation der Kulturanthropologin Diana Reiners "Learning for Precarity".

Die Arbeit handelt über benachteiligte Jugendliche mit Migrationshintergrund in Graz. Sie geht u.a. der Frage nach, wie…

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Schwarze Zähne und gelbe Haare: Jubiläums-Ethmundo über Schönheit

Das Ethnologie-Magazin Ethmundo feiert Jubiläum: Der 10. Themenschwerpunkt dreht sich um die Frage “Was ist Schönheit?”

Viele interessante Texte erwarten uns da, u.a. Schwarze Zähne und gelbe Haare – Schönheitsideale in Japan von Rüdiger Burg. Er beschreibt mehrere Jugendkulturen, die dominierende Schönheitsideale in Japan herausfordern. Dort gilt u.a. bleiche weisse Haut als schön (waren deswegen die japanischen Touristen, die ich in der syrischen Wüste sah, so verhüllt und trugen Sonnenschirme?).

Die Ganguro z.B. tun beispielsweise alles erdenkliche, um einen möglichst dunklen Teint zu haben, schreibt er:

Die auch Orange Girls genannten Teenagerinnen schlucken Beta-Carotin-Tabletten und benutzen Selbstbräuner. Ihr Ziel ist zwar nicht, wie eine Südfrucht auszusehen, eine orangene Haut ist aber oft das Ergebnis ihrer kosmetischen Selbstbehandlung.(…) Die für Japaner typischen dunklen Haare bleichen sie bis diese blond sind. Die extremsten Ganguro färben ihren Schopf leuchtend gelb. Sie nennen sich Yamamba, was auf Deutsch Berghexe bedeutet.

Als eines von wenigen Ländern in der Welt bietet Brasilien staatlich finanzierte Schönheitsoperationen an. Caro Kim hat einen sehr spannenden Artikel über den Zusammenhang von Schönheitsoperationen, Rassismus und Armut geschrieben.

(Operierte) Schönheit als Weg aus der Armut, schreibt sie, ist in Literatur und Zeichnungen, moderne Märchen und Telenovelas ein immer wiederkehrende Motiv. “In den Favelas von Brasilien, in denen der Zugang zu Bildung limitiert ist, wird der schöne Körper zur primären Ressource, zur Basis von Identität und zu einer populären Form der Hoffnung”.

Schönheit bezieht sich hier hautsächlich auf die Hautfarbe. Denn je dunkler die Haut, desto marginalisierter der soziale Status. Eine häufige Operation nennt sich “Korrektur der negroiden Nase“.

Das nationale Ideal von Schönheit besteht aus einer Mischung (mestiçagem) aus Schwarz und Weiss:

Mischung ist schön, da sie das auffällig Afrikanische verschwinden lässt und dabei ein anderes ethnisch klassifiziertes Ideal, morenidade, zur ästhetischen Norm erhebt. Und innerhalb der Mischung ist es eine bestimmte Mischung – die ausgeglichen afrikanisch-europäische, nicht die indigen-europäische – die als schön konstruiert wird.

Ethmundo ist vermutlich derzeit das aktivste studentendominierte Ethnomagazin im Netz – vor allem nachdem es stiller geworden ist um die Ethnologik. “Was als kleine studentische Idee begonnen hat, ist nun zu einem Projekt geworden, das sich ständig weiterentwickelt und auf das wir stolz sind”, schreibt Caro Kim in der Einleitung:

Die zeitweilige Sorge, dass mit Beendigung des Studiums der Kernredaktion auch Ethmundo ein Ende finden würde, ist kleiner geworden. Denn für einen solchen Untergang ist Ethmundo in seiner zehnten Ausgabe schon zu groß und zu bekannt. Wir entwickeln uns also mehr und mehr zu einer offenen Redaktion, die nicht mehr fest an einen Ort gebunden ist, und an der sich Gastautoren aus vielen verschiedenen Städten beteiligen.

Das Ethnologie-Magazin Ethmundo feiert Jubiläum: Der 10. Themenschwerpunkt dreht sich um die Frage "Was ist Schönheit?"

Viele interessante Texte erwarten uns da, u.a. Schwarze Zähne und gelbe Haare – Schönheitsideale in Japan von Rüdiger Burg. Er beschreibt mehrere Jugendkulturen, die…

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