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Thomas Kochan ist Schnapsethnologe

Fünf Jahre hat Ethnologe Thomas Kochan zur Kulturgeschichte des Alkohols in der DDR geforscht. Kurz nach seiner Dissertation hat er seinen eigenen Schnapsladen eröffnet. “Dr. Kochan Schnapskultur“ steht im geschwungenen Rund des Schaufensters in Prenzlauer Berg, meldet der Tagesspiegel.

Soeben ist seine Arbeit als Buch erschienen. „Blauer Würger“ heisst es – in Anlehnung an den Spitznamen für „Kristall Wodka“ laut Tagesspiegel “ein geschmacklich zweifelhafter, aber stets verfügbarer Fusel mit blauem Etikett aus dem Warenangebot in der DDR”.

Die Ostdeutschen waren grosse Trinker. In kaum einem Land wurde so viel getrunken wie in der DDR. “Der Ethnologe Thomas Kochan sucht in seinem Buch “Blauer Würger” eine Erklärung für den Durst der Ostler – und widerspricht dem gängigen Klischee”, erfahren wir in einem ausführlichen Bericht im Spiegel:

“Die DDR-Gesellschaft war nicht alkoholisiert”, lautet sein Fazit. Kochan spricht von einer “alkoholkonzentrierten” Gesellschaft, in der Alkohol Genuss,- Stärkungs- und Tauschmittel war, und immer ein willkommenes Präsent. Alles, was darüber hinaus gehe, sei “Legende”. (…) “Nirgends ist von einer Trinkkultur, in der der Alkohol primär als Sorgenbrecher und Kummertöter diente, die Rede”, schreibt er.

“Auf das Thema ist er gekommen, weil er etwas untersuchen wollte, das Spass macht”, erfahren wir in der Sächsischen Freien Presse.

“Dem Autor gelingt es auf hervorragende Weise die Leser auf 446 Seiten blendend zu unterhalten”, meint Thomas Cieslik.

Das Buch wurde auch in den Norddeutschen Neuesten Nachrichten und Mitteldeutschem Rundfunk besprochen.

Sein Schnapsladen ist auch im Netz zu finden, und zwar auf www.schnapskultur.de

AKTUALISIERUNG:

Auch beim Schnaps-Trinken war die DDR Weltmeister (die WELT)

Interview: Buch beschreibt Schnapsweltmeister DDR (otz.de)

Doktorarbeit über die Trinkkultur in der DDR (Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag)

SIEHE AUCH:

Feldforschung am Tresen: Magisterarbeit über Münchens Bierstüberl

Stadtethnologie: Münchner Stüberl meets Techno-Underground

The Anthropologist as Barman – Durham Anthropology Journal fulltext online

In Darkest Leipzig – Ethnologiestudent erfolgreich mit Buch über Leipziger Clans und Stämme

Deshalb sind Ossis eine Ethnie – Ethnologe Thomas Bierschenk im Stern

Initiationsriten: Merkwürdige Weisse

Fünf Jahre hat Ethnologe Thomas Kochan zur Kulturgeschichte des Alkohols in der DDR geforscht. Kurz nach seiner Dissertation hat er seinen eigenen Schnapsladen eröffnet. "Dr. Kochan Schnapskultur“ steht im geschwungenen Rund des Schaufensters in Prenzlauer Berg, meldet der Tagesspiegel. …

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Fastenboom auch ohne Religion

Nicht nur bei Muslimen ist rituelles Fasten beliebt. Vor zehn Tagen hat die christliche Fastenzeit begonnen, in Österreich will laut Umfrage gut jeder Dritte fasten.

Fasten ohne religiöse Motivation ist offenbar auf dem Vormarsch, meldet die Kleine Zeitung. Das Blatt verweist auf Helmut Eberhart vom Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Uni Graz. Er beobachtet einen seit Jahren anhaltenden Wandel “weg von den klassischen katholischen Glaubensritualen”. In neuen Fastenritualen würden jedoch religiöse Einzelteile übernommen. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir laut Eberhart auch im “Wallfahrtsboom”.

Roswitha Orac-Stipperger vom Volkskundemuseum in Graz stimmt ihm zu. “Fasten ist beliebig geworden, unabhängig von der historischen Fastenkultur.”

Religiös motivitiertes fasten gibt es natürlich trotzdem noch unter Christen. “In vielen Familien wird heute noch an die historische Fastenkultur angeknüpft, wie es von der Kirche verlangt wird”, sagt sie.

Das Blatt gibt auch Einblick in die Kommerzialisierung des Fastens. Fasten ist Teil des “Wellnesshypes” geworden mit Angeboten wie “Beziehungsfasten” in “Fastenhotels”.

Es lohnt sich auch “Fastenblog” zu googeln. Da findet sich einiges.

SIEHE AUCH:

“Ritualboom in Deutschland”

France: More and more muslims observe Ramadan

For more Anthropology of Christianity

“Kuriose Osterbräuche in Bayern”

DDR-Ritual wird immer beliebter

Trauerethnologin: Eine neue Trauerkultur ist am Entstehen

Nicht nur bei Muslimen ist rituelles Fasten beliebt. Vor zehn Tagen hat die christliche Fastenzeit begonnen, in Österreich will laut Umfrage gut jeder Dritte fasten.

Fasten ohne religiöse Motivation ist offenbar auf dem Vormarsch, meldet die Kleine Zeitung. Das…

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Pakistanischer Ethnologe studiert Kölner Karneval

“Zuerst habe ich gar keinen Sinn darin entdeckt, und es widersprach ganz meiner Vorstellung von Deutschland, es war ein Gegenbild von Rationalität. Aber als Ethnologe konnte ich so etwas ja nicht liegen lassen: Ich wollte den Sinn von all dem herauskriegen. Das habe ich mir 2010 angeschaut.”

Das sagt Ethnologieprofessor Azam Chaudhary in einem Interview mit der Kölnischen Rundschau. Er war soeben auf Feldforschung in Köln, um die dortige Karnevalskultur zu erforschen.

Chaudhary hat in den 90er-Jahren in Heidelberg studiert und promoviert. Vor vier-fünf Jahren studierte er Gemeindepolitik und Bürokratie in einem kleinen Dorf im Heidelberger Umland (bei Oberpleis).

Ich habe auf die Schnelle nichts im Netz von ihm gefunden. Die meisten Publikationen scheinen schwer zugänglich zu sein.

Er ist erfreulicherweise nicht der einzige Ethnologe aus Ländern, die hauptsächlich von “westlichen” Ethnologen erforscht werden, die nun ihr Augenmerk auf den “Westen” richten, siehe u.a diese früheren Beiträge:

>> Ein Ethnologe aus Pakistan bei den Deutschen in Sauberteich

>> “Draußen nur Kännchen” – Ethnologe Asfa-Wossen Asserate redet ueber Deutschland

>> Deutschlandforschung: “Deutsche Hunde – Ein Beitrag zum Verstehen deutscher Menschen”

>> How racist is American anthropology? Or: How come calls to “anthropologize the West not brought forth much fruit?

"Zuerst habe ich gar keinen Sinn darin entdeckt, und es widersprach ganz meiner Vorstellung von Deutschland, es war ein Gegenbild von Rationalität. Aber als Ethnologe konnte ich so etwas ja nicht liegen lassen: Ich wollte den Sinn von all dem…

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Humanismus + Kosmopolitismus + Anthropologie = humane Weltkultur?

Wie kann eine humane Weltkultur aussehen, die Erfahrungen der europäischen Welt nicht Massstab aller Dinge macht? Dieser Frage geht Ethnologie Christoph Antweiler in seinem neuen Buch Mensch und Weltkultur. Für einen realistischen Kosmopolitismus nach.

In diesem Buch verbindet er Ideen des Humanismus und Kosmopolitismus mit der Anthropologie.

“Es geht um die Suche nach gemeinsamen Orientierungen für eine Menschheit auf einem stark vernetzten und gleichzeitig begrenzten Planeten”, schreibt er in der Einleitung (pdf). Sein Ziel: Ein Humanismus “jenseits eurozentrischer Beschränkungen, der die kulturellen Unterschiede ernst nimmt”. Die neuere kosmopolitische Diskussion vernachlässige nämlich die kulturellen Aspekte.

Ich suche mit Mitteln der Ethnologie bzw. Kulturanthropologie in empirischer Weise nach Gemeinsamkeiten vieler oder sogar aller Kulturen, nach Kulturuniversalien, kurz ›Universalien‹. Sie würden nicht einfach globalisierbare Werte abgeben, aber immerhin eine Ausgangsbasis für zu schaffende gemeinsame Orientierungen.

Ein spannendes Projekt, das auf seinen früheren Büchern über die Gemeinsamkeiten unter den Menschen aufbaut: Heimat Mensch und Was ist den Menschen gemeinsam? Im Gegensatz zu Heimat Mensch ist sein neues Werk jedoch ein rein akademischer Text mit obligatorischem Jargon und (oft unnötigen) Fremdwörtern wie “emergieren”, “kommensurabel” oder “ubiquitär”.

Soziologen wie Ulrich Beck sprechen euphorisch vom Kosmopolitismus unserer Zeit, alles sei im Fluss, mobil und hybride. Antweiler ist da etwas mehr zurückhaltend. Ein weltweites ›Wir‹-Bewusstsein existiere noch nicht. Eine Weltgesellschaft sei erst am Entstehen.

Interessant: Wenn sich nun ein weltweites Wir-Gefühl entwickele, so sei dies nicht aufgrund unserer Gemeinsamkeiten, meint er:

“Das Bewusstsein einer gemeinsamen Menschheit und gemeinsamer Überlebensprobleme kommt eher dadurch auf, dass man sich immer mehr die Unterschiede verdeutlicht. Menschen werden sich dabei immer mehr darüber klar, dass nationale Besonderheiten und Zivilisationsunterschiede starke Bindungen und Interdependenzen erzeugen. Dies ergibt sich durch den zunehmenden reziproken Austausch und das immer notwendiger werdende Aushandeln von Kompromissen, um Konflikte zu begrenzen (Rossi 2008: 436).”

Im Gegensatz zu anderen Forschern, die sich mit transnationalen Fragen befassen, hält er am vielkritisierten Konzept der “Kulturen” fest. Seine Position hatte er mir in einem Interview erläutert. Dennoch bleibt mir unklar, was er meint, wenn er schreibt: “Angesichts der planetaren Vernetzung braucht die Menschheit den Dialog zwischen Kulturen mehr denn je.” Wer soll da mit wem reden? Wer representiert wen? Ist jeder Mitglied einer Kultur?

Ich kann mir vorstellen, dass nicht jeder mit Antweiler einig ist, wenn er schreibt dass “die wissenschaftlich-technische Zivilisation” “ihren Ursprung großteils in westlichen Ländern” hat oder “Wer etwa versucht, Menschenrechte im Konfuzianismus, Bud- dhismus oder im Islam wiederzufinden, ist oft gezwungen, die Quellen unkonventionell zu lesen, eine Minderheiteninterpretation zu wählen oder wenigstens eine innerkulturell umstrittene Lesweise tradierter Texte zu vertreten (Barnhart 2001: 47; Hood 2001: 96).

Ich habe mir nur die Einleitung angeschaut.

>> mehr Information zum Buch beim Transcript Verlag

>> Leseprobe: Einleitung

>> ausführliche Besprechung auf socialnet.de

>> Rezension bei der Humanistischen Akademie

SIEHE AUCH:

Populärethnologie von Christoph Antweiler: Heimat Mensch. Was uns alle verbindet

– Highlight the connections between people!

Kosmopolitismus statt Multikulturalismus!

Globale Rechte statt “Integration”

Jack Goody: “The West has never been superior”

Buchbesprechung: Unser merkwürdiger Umgang mit “Fremdem”

Gefährlicher “interkultureller Dialog” in Jugendbüchern

How to challenge Us-and-Them thinking? Interview with Thomas Hylland Eriksen

Wider den Kulturenzwang, für mehr Transkulturalität

Interview with Benedict Anderson: Being a cosmopolitan without needing to travel

Thesis: That’s why there is peace

Wie kann eine humane Weltkultur aussehen, die Erfahrungen der europäischen Welt nicht Massstab aller Dinge macht? Dieser Frage geht Ethnologie Christoph Antweiler in seinem neuen Buch Mensch und Weltkultur. Für einen realistischen Kosmopolitismus nach.

In diesem Buch verbindet er Ideen des…

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Musikethnologin erforscht Jodeln im Harz

Nicht nur in der Schweiz wird gejodelt. Eine der wenigen Jodel-Regionen ausserhalb der Alpen ist der Harz, sagt Musikethnologin Helen Hahmann in der Mitteldeutschen Zeitung.

Sie wird nun über das Jodeln im Harz ihre Doktorarbeit schreiben.

Anhand des Jodels kann man auch neuere deutsche Geschichte zwischen Ost und West schreiben. Nach einer Periode der Annäherung trennt die Jodellandschaft im Harz wieder eine Art Grenze.

>> weiter in der Mitteldeutschen Zeitung

Helen Hahmann ist übrigens verantwortliche Redakteurin des Blogs und Portals TINYA – Musikkulturen der Welt, das sehr spannend ausschaut. Der Blog http://ethnomblogs.blogspot.com/ gibt eine Übersicht über bloggende Musikethnologen.

SIEHE AUCH:

Volksmusik = Stadtmusik

Musikethnologie des Alphorns – neue Multimedia-Webseite

Oral history, folk music and more: British Library puts vast sound archive online

How to save Tibetan folk songs? Put them online!

Neue Arbeit im Volltext: Mundartrap zwischen Lokalpatriotismus und Globalisierung

Hindi Film Songs and the Barriers between Ethnomusicology and Anthropology

Nicht nur in der Schweiz wird gejodelt. Eine der wenigen Jodel-Regionen ausserhalb der Alpen ist der Harz, sagt Musikethnologin Helen Hahmann in der Mitteldeutschen Zeitung.

Sie wird nun über das Jodeln im Harz ihre Doktorarbeit schreiben.

Anhand des Jodels kann man…

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