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Forscher widerlegen Sarrazin in neuem Report

Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand (pdf) heisst ein neuer Report, in dem ein Team aus Politologen, Sozialwissenschaftlern, einem Islamwissenschaftler und einer Ethnologin die Aussagen von Thilo Sarrazin über Muslime in Deutschland widerlegen.

Den Forschern der Humboldt Universität in Berlin geht es im Report in erster Linie um Fakten und weniger um Sarrazins Weltbild (als alternatives Projekt könnte man evt Sarrazins Nähe zu Hitler aufzeigen).

Sie schreiben u.a. über “Interethnische Partnerschaften”, “Kriminalitätsrate nicht in Abhängigkeit zur Religiosität”, “Sprachkenntnisse bei großer Mehrheit gut”, “Bildungsanstieg bei zweiter Generation” und – sehr interessant “Deutschland droht zum Auswanderungsland zu werden”.

Ob Sarrazins Anhänger sich überzeugen lassen?

Im Report räumen die Forscher selbst ein, dass in der öffentlichen Debatte wissenschaftliche Analysen “dem Bauchgefühl einer meinungsbildenden Mehrheit unterlegen” war. “Gegenläufige Trends und Ergebnisse, die von der Wissenschaft gemessen werden, verschärfen eher das Misstrauen gegenüber der Forschung, als zu einem Stimmungswechsel innerhalb der Gesellschaft zu führen.”

Der Report wird von der Politologin Naika Foroutan herausgegeben. Sie leitet das Forschungsprojekt Hybride europäisch-muslimische Identitätsmodelle.

In mehreren Medien wurde der Report besprochen, siehe u.a. Interview mit Naika Foroutan im Deutschland-Radio sowie Berichte im Standard, im ORF und in der Frankfurter Rundschau.

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Den Forschern der Humboldt Universität in Berlin…

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Sarrazin-Protest: Ethnologin Sabine Hess hatte Recht

Soll man einem Rassisten ein Podium bieten? Heisse Debatten wurden vor dem Auftritt des Thilo Sarrazin im Münchner Literaturhaus geführt. Ethnologin und Migrationsforscherin Sabine Hess hat einen offenen Brief verfasst, in dem sie und viele andere Wissenschaftler fordern, die Veranstaltung abzusagen.

In einem Interview mit München-TV sagt sie:

– Klar, es gibt viele, die auf die Debatte setzen, die glauben man könnte diese Art von Thesen sachlich was entgegensetzen. Ich glaube das nicht. Sarrazin hat die Macht, die Medien hinter sich, es ist eine absolut schiefe Debatte. Von daher könnte das Literaturhaus sich durchaus erlauben, die Diskussion anders zu führen und nicht mit dem Herrn selbst.

Die Veranstalter jedoch liessen sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen. Die Debatte fand statt. Und es scheint, als hätte die Ethnologin Recht gehabt.

Das wird bereits in der Einleitung des Berichtes in der Sueddeutschen klar.

“Die Voraussetzungen für eine sachliche Debatte wären blendend gewesen. Doch am Ende gerieten gutgekleidete Grauköpfe ins Geifern”, schreibt Peter Fahrenholz dort. Argumente waren nicht gefragt – und ja, die Debatte war schief, sehr schief:

Da wurde gezischt, gebuht und lautstark dazwischen gerufen, wenn die beiden anderen Podiumsteilnehmer, Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart und der Soziologie-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Armin Nassehi, es wagten, Sarrazin zu kritisieren.
(…)
Nassehi ging es noch schlimmer, als er auszuführen versuchte, warum Sarrazins These von der biologischen Vererbung von Intelligenz Unsinn sei, weil sich bestimmte Merkmale und Verhaltensweisen sozial vererben würden. “Aufhören”- und “Oberlehrer”-Rufe schallten dem Professor entgegen und als Nassehi dann Thilo Sarrazin einen “Kleinbürger” nannte, der mit einer ungeordneten Welt nicht klar komme, verlor das Publikum endgültig seine Contenance.
(…)
Sarrazin (…) wurde durch seine Fans im Saal so euphorisiert, dass er seine beiden Kritiker auf dem Podium einfach nur anpampte, gewürzt mit einer gehörigen Prise Selbstgerechtigkeit. Keinen einzigen Fehler hätten sie ihm nachweisen können (obwohl sie genau das getan hatten), behauptete Sarrazin und attestierte Steingart “krassen Unfug” zu reden, während er Nassehi vorhielt: “Da haben Sie einfach nur Albernes aus dem Feuilleton vorgetragen”.

“Seine Gegenspieler auf dem Podium haben kaum eine Chance”, vermeldet auch die Abendzeitung und schliesst mit den Worten: “Dem friedlichen Zusammenleben, in der Halle und in der Gesellschaft, dient die Diskussion nicht.”

Das Literaturhaus München hat weitere Pressestimmen gesammelt, darunter befindet sich eine ausführliche Dokumentation der Debatte im Handelsblatt, ein Radiobericht in Bayern 2 und ein Video vom Bayrischen Fernsehen.

Ende August ist auch ein Protestschreiben gegen einen Auftritt von Thilo Sarrazin im Haus der Kulturen der Welt in Berlin verfasst worden.

Urmila Goel dokumentiert Sarrazins Rassismus ausführlich und verweist auf eine neue Anti-Sarrazin-Initiative: Demokratie statt Integration.

Im Magazin Ethmundo beschreibt Rüdiger Burg Sarrazin als “Tabubrecher”. Doch vermutlich verhält es sich eher umgekehrt. Einen Tabubruch, das stellt heutzutage das Verfechten kosmopolitischer Ideale dar.

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Globale Rechte statt “Integration”

Es gilt es Abschied zu nehmen von der Vorstellung einer homogenen nationalen Gesellschaft als Grundlage friedlichen Zusammenlebens. Das ist eine der Botschaften des Sammelbandes “No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Integrationsdebatte in Europa“, mitherausgegeben von der Ethnologin Sabine Hess.

“No Integration” ist bereits im letzten Jahr herausgekommen. Holger Moos vom Goethe-Institut stellt das bislang wenig beachtete Buch nun auf Qantara.de vor.

Migranten, so die Forscher, sollten nicht primär als Menschen mit Defiziten betrachtet werden, die es in “Integrationskursen” auszugleichen gelten. Ein Perspektivwechsel sei notwendig. Wir brauchen transnationale Perspektiven:

Im Zeitalter der Mobilisierung von Menschen, Gütern und Ideen seien Lebensläufe über nationalstaatliche Grenzen hinweg längst Normalität. Deshalb müsse die migrantische Perspektive, die spezifischen Interessen, Lebensbedingungen und Leistungen von Migranten, stärker berücksichtigt werden. Diese transnationale Perspektive mündet in die Forderung nach globalen sozialen Rechten und Bürgerrechten. (…) Ziel von Integration müsse Chancengleichheit durch Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben sein. Und das verlange außer den Zuwanderern eben auch den “Nicht-Zugewanderten” etwas ab.

Die meisten Artikel thematisieren die Integrationsdebatte in Deutschland:

Der aktuellen Integrationsdebatte liegt nach Ansicht der Herausgeber ein essenzialistischer Kulturbegriff zugrunde. Die aufnehmende Gesellschaft und die Einwanderungsgruppen würden als abgeschlossene Container betrachtet. Diese Vorstellung sei desintegrierend und betone das Trennende zwischen den Kulturen statt das Verbindende zu identifizieren.

>> weiter bei Qantara.de

Eine längere Besprechung gibt es auch auf H-Soz-u-Kult. Beim Transcript-Verlag kann man die Einleitung als pdf runterladen.

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Es gilt es Abschied zu nehmen von der Vorstellung einer homogenen nationalen Gesellschaft als Grundlage friedlichen Zusammenlebens. Das ist eine der Botschaften des Sammelbandes "No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Integrationsdebatte in Europa", mitherausgegeben von der Ethnologin Sabine Hess.

"No Integration"…

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Initiationsriten: Merkwürdige Weisse

Rollmöpse, frische Hefe und rohe Schweineleber essen, dann alles mit viel Alkohol runterspülen – Focus schreibt über die Initiationsriten bei Gebirgsjägern in Deutschland. Diesmal sind es mal nicht Einwanderer aus fernen Ländern, die mit “exotischen” Ritualen auffallen, die eine Ethnologin erklären muss.

“Entwürdigende Mutproben und Aufnahmerituale wie bei den Gebirgsjägern sind nichts Singuläres. Ethnologen erkennen in den Initiationsriten eine Konstante der Menschheitsgeschichte”, schreibt das Blatt und interviewt Sabine Doering-Manteuffel von der Uni Augsburg.

Wir lesen:

Ursprünglich markiert ein Initiationsritus den Übergang vom Kindes- ins Erwachsenenalter. In den Stammeskulturen stehen die dabei verlangten Mutproben in unmittelbarem Zusammenhang mit überlebenswichtigen Fähigkeiten, zum Beispiel der Jagd. Nach einem solchen Ritus zählt der junge Stammesangehörige als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft und übernimmt Rechte und Pflichten, die er zuvor nicht hatte.

„Bei diesen Riten handelt es sich um einen Schwellenzustand“, erklärt Doering-Manteuffel „Die Vorgänge in der Kaserne in Mittenwald zeigen deutliche Parallelen dazu: Die Soldaten geben freiwillig ihren Status ab, lassen sich demütigen und werden dadurch erhöht. Nach dem Ritual gehören sie einer Gemeinschaft Gleicher unter Gleichen an.“ Vor allem in männlichen Gruppen ist das Hauptmerkmal immer das Thema, Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Ekel oder Scham, zu überwinden.

Solche Rituale sind besonders bei Gruppen beliebt, die sich als Elite auffassen. Recht krass ging es bis vor kurzem an französischen Elite-Unis zu.

>> weiter im Focus

Die ZEIT hat sich auch dem Thema angenommen und interviewt Männerforscher Ludger Jungnitz über Gewaltrituale in Hierarchien

Mehrere Politiker haben die Bundeswehr-Rituale scharf kritisiert und forderten – typisch Politiker – Verbote.

Der dpa sagte der Ethnologe Guido Sprenger, solche Traditionen könne man nicht verbieten. Ratsamer sei es, die Rituale kontrolliert zuzulassen und zu integrieren:

“Es gibt auch in anderen Organisationen, zum Beispiel manchen Studentenverbindungen, Aufnahme-Rituale, bei denen mit den Novizen recht ruppig umgegangen wird. Das ist aber bekannt. Jeder, der eintritt, weiß, was auf ihn zukommt. Die Bundeswehr ist ein separater Bereich in unserer Gesellschaft, in der andere Werte wie Hierarchie und Unterordnung zählen”.

Mittlerweile ist der in Kritik geratene Hochgebirgszug des Gebirgsjägerbataillons 233 der Bundeswehr im oberbayerischen Mittenwald vorübergehend stillgelegt worden.

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Neuperlach: Wie Schule, Eltern und Medien "Ausländerprobleme" schaffen


Der Münchner Stadtteil Neuperlach. Bild: Altweibersommer, flickr

Viertel mit vielen Ausländern haben nicht immer den besten Ruf. Ghetto und Gewalt – so zeigen die Medien auch den Münchner Stadtteil Neuperlach. Die Sueddeutsche interviewt Veronika Knauer, die ihre Magisterarbeit in Ethnologie über Neuperlach geschrieben hat.

Knauer, die selber in Neuperlach aufgewachsen ist, aber nicht mehr da lebt, ging folgenden Fragen nach: Wie nehmen die Neuperlacher ihr Viertel wahr? Welche Rolle spielt für sie Herkunft? Wie erleben sie das Zusammenleben mit Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe?

Ihre Studie zeigt wie das Denken in kulturellen Kategorien ein Produkt der Erziehung ist. Für Kinder gibt es die Kategorie “Ausländer” nicht, erzählt sie:

Ich habe eine vierte Klasse beim Unterricht beobachtet und sie kurze Aufsätze schreiben lassen zum Thema “Mein bester Freund oder meine beste Freundin“. Das Ergebnis war überraschend: Die Kinder denken überhaupt noch nicht in den Kategorien “Ausländer – Deutsche“ oder “Wir – Die“, wie die Älteren.

Diese Kategorien werden durch die Schule, die Eltern und die Medien erst erzeugt. Gerade durch den Lehrplan werden solche Denkweisen sehr stark vermittelt: Hier wird oft von “den deutschen Kindern“ und “den ausländischen Kinder“ geredet, wenn auch meist im Zusammenhang mit Integration. Da heißt es dann “Wir müssen die ausländischen Kinder integrieren“ oder es werden Themen diskutiert wie “Welche Kultur haben ‘Die’, welche Kultur haben ‘Wir’?“.

Die erwachsenen Bewohner lehnen das durch die Medien vermittelte Bild Neuperlachs als sozialen Brennpunkt ab. Sie sind der Meinung, dass es mit Ausländern keine Probleme gibt. Die Kategorien “Wir – die Anderen”, so Knauer weiter, sind dennoch in den Köpfen der Menschen fest verankert.

Veronika Knauer ist eine der Autorinnen des Sammelbandes “München migrantisch – migrantisches München. Ethnographische Erkundungen in globalisierten Lebenswelten”, der heute abend in München vorgestellt wurde. Ihr Aufsatz heisst „Learning Ethnicity – Oder: Wie nehmen die Bewohner Neuperlachs ihre multikulturelle Wohnsituation wahr?“ Der Band wird herausgegeben von Sabine Hess und Maria Schwertl.

>> zum Interview in der Sueddeutschen (Link aktualisiert 3.6.18)

Sabine Hess leitete die Ausstellung Crossing Munich über Migration in München.

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