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Michael Schönhuth: Mehr Interesse für eine öffentliche Ethnologie?

Dass die Ethnologie ein problematisches Verhältnis zu Medien und Forschungsvermittlung generell hat, ist keine Neuigkeit. Michael Schönhuth gibt in der neuesten Ausgabe von Ethnoscripts eine Standortbestimmung, die jedoch meiner Auffassung nach etwas zu negativ ist.

Er schreibt u.a.

Das Standing der Ethnologie im öffentlichen Raum in Deutschland ist keinesfalls vergleichbar mit dem in den USA, Großbritannien, Frankreich und vor allem Skandinavien, wo die Popularisierung durch Vertreter wie Fredrik Barth, Eduardo Archetti und Thomas Hylland Eriksen eine lange Tradition hat und fest verankert ist. Es fehlen uns auch Spottdrosseln wie Nigel Barley – dessen unterhaltsam-sarkastische ethnologische Feldforschungserzählungen auch in Deutschland Rekordauflagen verzeichnen (Barley 1998). Und der einzige Nachkriegsethnologe, der über die Jahre eine breitere Leserschaft außerhalb der Ethnologie auf sich ziehen konnte, Hans-Peter Duerr, machte keine normale akademische Karriere innerhalb des eigenen Faches.

Vor ein paar Jahren noch hätte ich zugestimmt. Gerade in letzter Zeit hat sich sehr viel getan, sowohl offline (leichtverständliche Papier-Bücher wie Heimat Mensch. Was uns alle verbindet, Maxikulti, Parallelgesellschaften oder Kölner Stammbaum. Zeitreise durch 2000 Jahre Migrationsgeschichte oder Ausstellungen wie Crossing Munich) und online (Blogs, Zeitschriften wie Journal Ethnologie, Portale wie Evifa etc).

Schönhuth nennt selber ein paar solcher Beispiele im Netz.

Interessant auch zu lesen, dass das Pressereferat der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (furchtbarer Name, wie wärs mit einer Namensänderung?) im Laufe dieses Jahres mehrere Tagungen zum Thema „Ethnologie und Öffentlichkeit“ veranstaltet hat.

Auch vielversprechend: Die Webseite www.ethnologie.de soll Schönhuth zufolge überarbeitet und als “Erstkontaktseite für Medienvertreter, potentielle Studierende und interessierte Laien” unter dem Dach des DGV-Pressereferats geführt werden.

Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass “eine Ethnologie, die sich gesellschaftlich relevant macht, eines Orientierungsrahmens bedarf, der sich mit Grenzen verantwortlicher Ethnologie auseinandersetzt”. Er denkt hier vor allem an die Zusammenarbeit von Ethnologen mit dem Militär und Geheimdienst, die nicht nur in den USA immer gewöhnlicher wird, doch von vielen Ethnologen heftig kritisiert wird.

>> Michael Schönhuth: Relevanter werden – Zum Verhältnis zwischen Ethnologie und Öffentlichkeit. Standortbestimmung und Perspektiven

Schönhuth hat sich schon lange mit diesem Thema beschäftigt, siehe auch ein Text aus dem Jahre 2001: Populäre Ethnologie – Auszüge aus :“Ist da wer?: Strategien und Fallstricke einer populären Ethnologie“

Es gibt noch mehrere Texte zum Thema in Ethnoscripts, u.a. Martin Sökefeld: Ethnologie der Öffentlichkeit und die Öffentlichkeit der Ethnologie

Doch weder Schönhuth noch Sökefeld gehen darauf ein, dass solche Publikationen wie Ethnoscripts ein Teil des Problemes sind. Denn Ethnoscripts macht ethnologisches Wissen nicht frei zugänglich – nur zwei Artikel der neuesten Ausgabe sind im Netz zu lesen. Stattdessen werden wir auf die Bibliothek des Instituts für Ethnologie der Universität Hamburg und an den Hamburger Verein für Ethnologie verwiesen.

Das ist um so merkwürdiger da Martin Sökefeld in seinem Text schreibt:

Wir sollten mehr Forschungen auf die politics of the public sphere verwenden, auf die Untersuchung der Frage, wer welchen Zugang zu welcher Öffentlichkeit hat oder mit welchen Mechanismen davon ausgeschlossen wird, so wie ich es in Bezug auf Kaschmir nur sehr grob angedeutet habe. Wenn Strukturen von Öffentlichkeit zentral auf Machverhältnisse verweisen, dann muss die kritische Untersuchung von Öffentlichkeit Bestandteil jeder Ethnologie des Politischen sein.

SIEHE AUCH:

Populärethnologie von Christoph Antweiler: Heimat Mensch. Was uns alle verbindet

Looking back at 10 years Public Anthropology online

Open Access Konferenz in Wien: Wissenschaftler für freien Zugang zu Wissen

Kerim Friedman: Open Source Anthropology: Are anthropologists serious about sharing knowledge?

Ethnologie und Oeffentlichkeit II: Das ambitioese Projekt der Muenchner Ethnologiestudierenden

Nancy Scheper-Hughes: Public anthropology through collaboration with journalists

Marianne Gullestad and How to be a public intellectual

“Anthropology needs to engage in an activist way”

“Discuss politics!” – How anthropologists in Indonesia engage with the public

More and more anthropologists, but they’re absent from public debates – “Engaging Anthropology” (1)

Blogging and Public Anthropology: When free speech costs a career

Envisioning a More Public Anthropology: An Interview with Fredrik Barth

Dass die Ethnologie ein problematisches Verhältnis zu Medien und Forschungsvermittlung generell hat, ist keine Neuigkeit. Michael Schönhuth gibt in der neuesten Ausgabe von Ethnoscripts eine Standortbestimmung, die jedoch meiner Auffassung nach etwas zu negativ ist.

Er schreibt u.a.

Das Standing der Ethnologie…

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Neuer Anthro-Gruppenblog “Teilnehmende Medienbeobachtung” und Podcasts!

Sieben Sozialanthropologinnen mit Link zur Uni Wien haben soeben den Blog Teilnehmende Medienbeobachtung ins Leben gerufen. Aus der Selbstbeschreibung:

In Österreichs Medien finden sich immer wieder Stereotype und Falschinformationen über als fremd empfundene Menschen, Gesellschaften, Religionen oder Regionen. Auch verschiedene diskriminierende Diskurse – zum Beispiel rassistische, sexistische, exotisierende – werden erzeugt und fortgeführt.

Die Kultur- und Sozialanthropologie, die sich mit dem Menschen als sozialem und kulturellem Wesen beschäftigt, hätte daher viel zum medialen Diskurs in Österreich zu sagen – und die Initiative „Teilnehmende Medienbeobachtung“ will hier aktiv werden.

Unser Ziel ist es, Medien kritisch zu beobachten, zu hinterfragen und zu kommentieren bzw. zu ergänzen. Mindestens alle zwei Wochen, bei Bedarf auch öfter, werden Beiträge zu verschiedenen Themen gestaltet, die hier veröffentlicht und den jeweiligen Medien als LeserInnenbriefe bzw. Gastkommentare zugesandt werden. Dadurch möchte die Initiative „Teilnehmende Medienbeobachtung“ problematische Medieninhalte nicht nur innerhalb eines akademischen Rahmens diskutieren, sondern direkt im öffentlichen Diskurs sichtbar machen.

Der erste Beitrag besteht aus einem Leserbrief, den Margit Wolfsberger, Vizepräsidentin der Österreichisch-Südpazifischen Gesellschaft an den Standard geschickt hat. Anlass ist die neue Serie “Exotische Staaten”. Sie hat einiges Kritikwürdiges entdeckt in den Texten “Politik mit der Wurzel des Pfefferbaums” und “Warum Tuvalu ein Staat ist, Prinz Leonard aber kein echter Prinz”. Der Beitrag beinhaltet auch die Antwort des Leserbeauftragten im Standard, Otto Ranftl.

>> zum Blog “Teilnehmende Medienbeobachtung”

Ein vielversprechender Beginn. Willkommen in der Blogosphäre!

Teilnehmende Medienbeobachtung hat ausserdem zwei Webseiten auf seiner Linkliste, die ich noch nicht kannte: Talking Anthropology und Ethnowelle. Beide bieten Podcasts an.

Aus der Selbstbeschreibung von Talking Anthropology:

Ziel von Talking Anthropology ist es, anthropologische Themen einem breiten Publikum zu vermitteln. Dafür wird das universelle Mittel des Gesprächs gewählt, Menschen sollen aus ihren Erfahrungen, ihrer Arbeit und ihrem persönlichen Hintergrund heraus Themenfelder mit anthropologischem Bezug veranschaulichen. Die Sendungen sollen möglichst allgemein verständlich sein, gleichzeitig aber auch theoretische Hintergründe und komplexe Zusammenhänge beleuchten.

Die erste Folge handelt um “Roma und Sinti”. Hinter dem Projekt steht MASN – Moving Anthropology Social Network – Austria

Die Ethnowelle ist schon seit zwei Jahren aktiv mit Podcasten und scheint auch aus Wien zu stammen. Der neueste Beitrag heisst Ethnologie und die Kunst am Fließband zu arbeiten.

Ich hab die drei Seiten sind nun auch der Uebersichtseite, der Ethnologie Blog Zeitung, hinzugefuegt.

Sieben Sozialanthropologinnen mit Link zur Uni Wien haben soeben den Blog Teilnehmende Medienbeobachtung ins Leben gerufen. Aus der Selbstbeschreibung:

In Österreichs Medien finden sich immer wieder Stereotype und Falschinformationen über als fremd empfundene Menschen, Gesellschaften, Religionen oder Regionen. Auch verschiedene diskriminierende…

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Video: Musikethnologie auf der Strasse

(via sound7.de) Anja Kolbinger, Jorge Porras und Janika Herz vom Institut für Ethnologie in Mainz haben einen tollen Film über Musik auf der Strasse gedreht. In “Living Road” begleiten sie den Musiker Samuel Harfst mit seiner Band beim Spielen in der Fussgängerzone und haben auch die Reaktionen des ständig wechselnden Publikums eingefangen.

Was bedeutet Musik für die Zuhörenden? Bilde sagen mehr als Worte. Als das ausgeglichendste Publikum bezeichnen die Musiker ihre Zuhörer in der Fussgängerzone. Einen Spiegel der Gesellschaft bekomme man hier geboten, sagen sie. Musiker als Feldforscher?

DOKU Samuel Harfst - Straßenmusik

SIEHE AUCH:

Problematische Weltmusik und argentinische Klassik: Neue Ethmundo über Musik

Volksmusik = Stadtmusik

Neue Arbeit im Volltext: Mundartrap zwischen Lokalpatriotismus und Globalisierung

Via YouTube: Anthropology students’ work draws more than a million viewers

(via sound7.de) Anja Kolbinger, Jorge Porras und Janika Herz vom Institut für Ethnologie in Mainz haben einen tollen Film über Musik auf der Strasse gedreht. In "Living Road" begleiten sie den Musiker Samuel Harfst mit seiner Band beim Spielen in…

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Volkskunde-Studenten entwickeln Wiki über bayrische Bräuche

Zum 1. Mai soll es online gehen: In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege entwickeln Augsburger Studenten ein Brauch-Wiki, ein Online-Lexikon, an dem zukünftig jeder mitschreiben kann, schreibt die Welt am Sonntag.

Ethnologin Margaretha Schweiger-Wilhelm, die das Projekt leitet, meint mithilfe dieses Wikis könne eine Datenbank entstehen, wie sie mit den herkömmlichen Methoden der Feldforschung niemals möglich wäre. Sie hofft, dass so ein möglichst wirklichkeitsnahes Bild der Brauchtumslandschaft entstehen kann.

Denn der Wissenschaft, ebenso bestehenden Brauchtumslexika im Internet, fehle oft der Bezug zur Gegenwart, die Beschreibungen seien “sehr reproduktiv”, sagt Michael Richter vom Heimatverein für Landespflege. “Bräuche sind aber nichts Statisches, sie verändern sich permanent, das soll das Projekt deutlich machen.”

“Es gibt so viele Leute, die im Internet schreiben”, sagt Seminarteilnehmerin Luisa Berger. “Das wird auch für die Bräuche funktionieren.”

Die Studenten im Volkskunde-Seminar schreiben gleichzeitig wissenschaftliche Artikel über bayerische Bräuche – auch neueren Datums.

>> weiter in der Welt am Sonntag

SIEHE AUCH:

Musikethnologie des Alphorns – neue Multimedia-Webseite

“Mediterranean Voices” – Ethnologen mit neuer Multimedia-Datenbank im Netz

Interview with anthropologist Michael Wesch: How collaborative technologies change scholarship

Another way of doing fieldwork: Developing websites with your informants!

Online: New book on the cultural significance of Free Software

Zum 1. Mai soll es online gehen: In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege entwickeln Augsburger Studenten ein Brauch-Wiki, ein Online-Lexikon, an dem zukünftig jeder mitschreiben kann, schreibt die Welt am Sonntag.

Ethnologin Margaretha Schweiger-Wilhelm, die das Projekt leitet, meint…

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Ethnologie-Vorlesungen gratis auf iTunes

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Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hat ab sofort eine eigene Plattform auf iTunes. Im Angebot an Audio- und Video-Podcasts finden wir auch die Vorlesungsreihe “Einführung in die Ethnologie” von Frank Heidemann. Man kann sich 14 Vorlesungen anschauen zu Themen wie Kulturrelativismus, Teilnehmende Beobachtung, visuelle Ethnologie usw.

LMU-Präsident Professor Bernd Huber sagt in einer Pressemitteilung:

“Die LMU erprobt seit längerem mithilfe der neuen Medien innovative Formen der Wissensvermittlung in Ergänzung zum grundlegenden Lehrangebot. Auf unserem neuen Portal bündeln wir sukzessive diese audiovisuellen Inhalte aus der Lehre, aber auch zur Forschung an der LMU und zu unserem Profil. Damit wollen wir gezielt die ‘Generation iPod’ erreichen.”

>> zum ITunes-Angebot der Uni München

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Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hat ab sofort eine eigene Plattform auf iTunes. Im Angebot an Audio- und Video-Podcasts finden wir auch die Vorlesungsreihe "Einführung in die Ethnologie" von Frank Heidemann. Man kann sich 14 Vorlesungen anschauen zu Themen wie Kulturrelativismus,…

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