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Esskultur als Protest: Ethmundo über Ökodörfer und Müllwühler

Nicht alle, die in Müllcontainern nach Essen wühlen, tun dies aus Geldnot. In der neuen Ausgabe von Ethmundo lesen wir u.a. über die Containerer.

Nach Landeschluss durchwühlen sie die Abfallbehälter auf den Hinterhöfen der Supermärkte: Die Containerer leben von dem, was nicht mehr gebraucht wird, aber noch brauchbar ist. Ihr Motiv ist nicht Geldnot, sondern Kritik an einem System, das die Konsumenten in Abhängigkeit treibt, die als Freiheit getarnt ist. (…) Statt durch den Kauf im Supermarkt die Konzerne zu unterstützen, versuchen die Containerer unabhängig von den Gesetzen des Marktliberalismus zu leben und sich von dem Konsumzwang zu befreien.

Containern ist Widerstand gegen die Wegwerfgesellschaft, erklärt Annika Franke in ihrem Artikel:

Denn während auf der einen Seite Lebensmittel vernichtet werden, leiden Millionen von Menschen an einer permanenten Unterernährung. Lebensmittel werden aus ökonomischen Gründen entsorgt, um die Preise stabil zu halten oder Platz in den Regalen der Supermärkte zu machen. (…) In Wien beispielsweise wird jeden Tag die Menge an Brot weggeworfen, mit der die zweitgrößte Stadt Österreichs, Graz, versorgt werden könnte.

Wenig bekannt ist der Zusammenhang zwischen Landwirtschaftspolitik und Migration:

Wer im Supermarkt Gemüse kauft, kommt an Produkten aus Spanien nicht mehr vorbei. Auf mehr als 25.000 Hektar wird im südspanischen Almeria Gewächshausgemüse angebaut. Dieser Anbau wird genauso wie der Export subventioniert. So kommt es, dass dieses Gemüse auch auf einem Markt in Dakar verkauft wird – günstiger als ein senegalesischer Bauer es je produzieren könnte. Wenn es für diesen Bauern keine Möglichkeit gibt, im eigenen Land Geld für seine Familie zu verdienen, so ist es nicht verwunderlich, dass er sich aufmacht, sein Land zu verlassen – in der Hoffnung, auf dem europäischen Kontinent eine rentable Arbeit zu finden.

Nehmen wir an, er schafft es über die Straße von Gibraltar nach Spanien, ohne dass er Schiffbruch erleidet oder festgenommen und von den Behörden zurückgeschickt wird. Dann hat er vielleicht sogar das Glück, in einem der Gewächshäuser für einen Hungerlohn zu arbeiten, in denen genau jene Tomaten angebaut werden, die ihn zum Verlassen seiner Heimat gezwungen haben.

>> zum Artikel “Die Müllwühler” von Annika Franke i Ethmundo

Über eine andere Form von Protest mit dem Kochlöffel schreibt Marcus Andreas. In seinem Text Von Aas und Äpfeln gibt er Einblick in seine Feldforschung im Ökodorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt, die Teil seines Doktorgradsprojektes ist.

Dort leben (und essen) gut 120 Menschen. Vom Frühstück bis zum Abendessen kann da gemeinsam gegessen werden – allerdings ausschliesslich vegetarisch und meist vegan (privat kann man kochen was man will):

Lebensmittel werden bevorzugt als gut und „natürlich“ definiert, wenn sie „natur belassen“ sind. Obgleich Kochen sonst als beeindruckender zivilisatorischer Akt gilt – die Verwandlung rohen Materials in kulturell anerkannte Speisen – läuft es hier nun andersherum: Gerade das Unverarbeitete wird geschätzt. Wird anderswo der möglichst fein raffinierte weiße Zucker angepriesen wird, drehen sich nun die Vorzeichen um; brauner Zucker, braune Nudeln; „Kultur“ als immer währende Verfeinerung und Gestaltung hat ausgedient; erhalten, beziehungsweise gestärkt bleibt allerdings das Motiv der Reinheit.

Die Rohköstler gehen noch weiter und grenzen sich wiederum von dem Großteil der Vegetarier ab: „Tot“ ist, was zu hoch verarbeitet oder erhitzt wurde

>> weiter in Ethmundo

SIEHE AUCH:

What anthropologists can do about the decline in world food supply

Study says USA wastes nearly half its food

Ernährung Identität Migration – Diskussion im Forum

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Nicht alle, die in Müllcontainern nach Essen wühlen, tun dies aus Geldnot. In der neuen Ausgabe von Ethmundo lesen wir u.a. über die Containerer.

Nach Landeschluss durchwühlen sie die Abfallbehälter auf den Hinterhöfen der Supermärkte: Die Containerer leben von dem,…

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Deshalb bleiben indonesische Ethnologinnen zu Hause

Hierzulande ziehen viele Ethnologen in die Ferne, um zu forschen. So ist das nicht in Indonesien. Die meisten Ethnologen forschen in ihrem eigenen Land – unter anderem um das von “westlichen” Ethnologen verbreitete Bild Indonesiens zu korrigieren, erklärt Nina Gaiser in ihrem Paper “Indonesische Ethnolog/innen in Jogjakarta – Studium, Beruf und Wissenstransfer“.

Sie zitiert einen Ethnologiedozenten an der Uni Gadjah Mada in Jogjakarta:

“The problem is, that research results published in a journal are always from the centre of the discourse. So it’s always the people from Germany, from the US, from the Netherlands or Australia who publish. But what they publish on Islam, that’s always kind of a misrepresentation, misinterpretation of culture and religion. […] We have our own genius to talk about Islam. But the knowledge about Islam is constructed by the first nations, Europe and the US. It’s not from Indonesia for instance. So that’s actually my concern.”

Ausschlaggebend ist laut Gaiser nicht wo man forscht, sondern was man erforscht und wie “nützlich” die Forschung für die Gesellschaft ist:

Ein Großteil der Befragten, viele von ihnen in NGOs tätig, sprach sich sogar aktiv für ethnologische Forschung aus, bei welcher der Forscher oder die Forscherin direkt für eine bestimmte Gruppierung oder Sub-Kultur Partei ergreift. Sie empfinden rein akademische Forschung als langweilig oder sinnlos, da die produzierten Forschungsergebnisse keinen Nutzen hätten. „I was so sick of that“, beschreibt eine Informantin, „and decided to stop doing research with those perspectives […] like academic research. Now I work with the people. […] It’s more, ya, action research: I learn from the people, we set up projects together. So it’s like advocacy work to empower kampung people“.
(…)
Moralische Bedenken treten nur dann auf, wenn ein Verdacht des Missbrauchs ethnologischer Forschungsergebnisse, durch Unternehmen oder Regierungen, besteht. Im Allgemeinen scheint jedoch die Tendenz zu bestehen, angewandte und theoretische Ethnologie verbinden zu wollen, mit dem Ziel etwas in der Gesellschaft zu verändern.

Nina Gaiser’s Arbeit ist das Ergebnis eines interessanten Zusammenarbeitsprojekts des Instituts für Völkerkunde der Uni Freiburg (Breisgau) und der Fakultas Ilmu Budaya der Universitas Gadjah Mada in Jogjakarta:

Es handelt sich dabei um ein interkulturelles Tandemprojekt, in welchem deutsche und indonesische Studierende gemeinsam forschen. Die Lehrforschung findet jährlich abwechselnd in Indonesien und Deutschland statt. Es wird in Zweierteams geforscht, bestehend aus jeweils einem deutschen und einem indonesischen Studierenden. Es geht darum als gleichberechtigte Forschungspartner übereinander aber zugleich miteinander zu forschen.

>> Download des Papers “Indonesische Ethnolog/innen in Jogjakarta – Studium, Beruf und Wissenstransfer”

Einen æhnlichen Fokus auf den praktischen Nutzen von Forschung finden wir in mehreren afrikanischen Ländern, siehe The resurgence of African anthropology

SIEHE AUCH:

Deutschlandforschung: Wofür sich “ausländische” Ethnologen interessieren

“Discuss politics!” – How anthropologists in Indonesia engage with the public

Brazilian anthropologist João Biehl: “Anthropology needs to engage in an activist way”

Reggae, Punk and Death Metal: An Ethnography from the unknown Bali

Keith Hart and Thomas Hylland Eriksen: This is 21st century anthropology

Hierzulande ziehen viele Ethnologen in die Ferne, um zu forschen. So ist das nicht in Indonesien. Die meisten Ethnologen forschen in ihrem eigenen Land - unter anderem um das von "westlichen" Ethnologen verbreitete Bild Indonesiens zu korrigieren, erklärt Nina Gaiser…

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Integrations-Studie: Der nationale Diskurs grenzt aus, der lokale schliesst ein

Sie sind überzeugte Hamburger oder Berliner, doch sehen sich nicht als Deutsche. Das zeigt die Studie “At Home in Europa – Muslims in Europa” des Londoner Open Society Institute. In elf europäischen Städten untersuchten Forscher die Identifikation muslimischer EinwohnerInnen mit der Mehrheitsgesellschaft.

Rund 70% der Muslime in Berlin und Hamburg sind Lokalpatrioten und identifizieren sich mit ihrer Stadt. Doch nur 25 Prozent der Befragten betrachten sich als Deutsche. Und nur 11 Prozent sind der Meinung, auch von anderen als Deutsche angesehen zu werden.

Beim nationalen Zugehörigkeitsgefühl der Muslime erzielte Deutschland den niedrigsten Wert, England den höchsten. Selbst unter in Deutschland geborenen Muslimen in Berlin fühlen sich nur 35% als Deutsche. Dagegen sehen sich 94 Prozent der in England geborenen Muslime in Leicester als Engländer.

Die Integration in Deutschland funktioniere lokal vor Ort, nicht jedoch auf nationaler Ebene, kommentiert Ethnologe Werner Schiffauer, der auch an der Studie teilnahm. Der nationale Diskurs grenze aus, der lokale schliesse ein, so Schiffauer in der taz:

“Während der nationale Diskurs abstrakte Fragen wie Werte und Voraussetzungen von Zugehörigkeit in den Fokus stellt, geht es lokal um pragmatische Fragen von Partizipation und praktischem Zusammenleben.”

Die Studie, so Schiffauer in der Berliner Umschau widerlege den weitverbreiteten Eindruck, Muslime wollten sich „ausgrenzen“. Der Grossteil der Befragten würde gerne in ethnisch und kulturell gemischten Wohngegenden leben. Die Vermutung, dass vor allem Araber und Türken nicht integriert werden wollen, sei falsch.

Einen wesentlichen Grund für die schlechte nationale Integration sehen die Forscher im exklusiven, deutschen Staatsbürgerrecht, schreibt der Tagesspiegel. Etwa die Hälfte der Muslime in Berlin könne keinen Einfluss auf die Politik nehmen oder ihre Stadtteile mitgestalten,

Diskriminierung sei eine bedeutende Barriere für die Integration, können wir in der Studie nachlesen, die gratis im Netz zum Herunterladen zur Verfügung gestellt wurde. Die Forscher empfehlen unter anderem, Hasskriminalität und rasistisch motivierte Taten genau zu registrieren.

Besonders in Deutschland, wo noch das Blut-und-Boden-Prinzip vorherrscht, sind Reformen des Staatsbürgerrrechtes notwendig. Es solle einfacher werden, die Nationalität seines Wohnlandes anzunehmen. “Being German means ethnicity, that’s why I can’t be German, but I can be a German citizen”, so ein Informant. Auch “Ausländern” sollte das Wahlrecht garantiert werden, so die Forscher der Studie.

>> Download der Studie und diverser Zusammenfassungen (!)

Es wäre schön, wenn alle Forschungsergebisse so leser- und medienfreundlich aufgearbeitet und nicht – wie sonst üblich – in oft schwer zugänglichen Papirbüchern versteckt würden.

SIEHE AUCH:

“Germans stick to the ethnic definition more than any other European nation”

Werner Schiffauer zum Mord an Marwa El-Sherbini: “Islamophobie reicht bis in die Mitte der Gesellschaft”

Ethnologe: Muslimhetze und Finanzkrise sorgen für Boom des Islamic Banking

Neue Studie: Islamisches Gemeindeleben in Berlin

Kosmopolitismus statt Multikulturalismus!

Buchbesprechung: Unser merkwürdiger Umgang mit “Fremdem”

Sie sind überzeugte Hamburger oder Berliner, doch sehen sich nicht als Deutsche. Das zeigt die Studie "At Home in Europa - Muslims in Europa" des Londoner Open Society Institute. In elf europäischen Städten untersuchten Forscher die Identifikation muslimischer EinwohnerInnen mit…

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Die Globalisierung der Zeit: Neue Ethmundo im Netz

Wie gehen verschiedenen Gesellschaften mit dem Phänomen “Zeit” um? Die Autoren des Magazins “Ethmundo” haben wieder interessanten Lesestoff für uns zusammengestellt:

Was ist das eigentlich: die Zeit, dieses diffuse Etwas, das unser aller Leben Tag für Tag bestimmt? Fließt sie vorwärts oder rückwärts, wird sie schneller, langsamer oder dreht sie sich gar im Kreis? Zeit ist weit davon entfernt, dem Menschen als absolutes Ding gegenüberzustehen, sie ist eine kulturell flexible Idee.

Wobei – wir alle gehen unterschiedlich mit Zeit um. Daran erinnert Simone Schubert in einem Gespraech mit Dominique Schmitt. Manche – wie ich bei meinem Umzug kürzlich – sind schlechte Planer und werden erst auf den letzten Drücker (oder zu spät) fertig. Andere planen langfristig und schaffen immer alles rechtzeitig.

Besonders interessant fand ich den Text von Die Erfindung der Weltzeit von Thomas Reinhardt. Die Einteilung der Welt in 24 Zeitzonen ist erst 125 Jahre alt. Zuvor hatte so gut wie jede Ortschaft ihre eigene Zeit. Das war ziemlich chaotisch, z.B. für Reisende. Jede Eisenbahngesellschaft folgte ihrer eigenen Zeit – meist der Ortszeit am Stammsitz der Gesellschaft. Im Bahnhof von Pittsburgh, so Reinhardt, hingen Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts gleich sechs Uhren, die die Zeiten der verschiedenen Gesellschaften anzeigten, von denen die Stadt angesteuert wurde. Es war gar nicht so einfach, eine gemeinsame Zeit für den gesamten Globus zu “erfinden”. Reinhardt bezeichnet die “Erfindung der Weltzeit” daher als “ein Globalisierungsphänomen im ursprünglichen Sinne des Wortes”.

“Lebe schneller, dann bist Du eher fertig!” heisst der mehrdeutige und daher umso besser treffende Titel eines Textes von Martin Radermacher über die Jagd nach Effizienz in vielen Gesellschaften unseres Planeten. Er beschreibt das Paradoxon der Industrialisierung: Bessere Produktionsmöglichkeiten führen nicht zu einer Verkürzung der Arbeitszeiten, sondern zu ihrer Verlängerung. Beschleunigung wird zum Selbstläufer und erzeugt immer neue Beschleunigungsbestrebungen.

Zu diesem Thema hat Sozialanthropologe Thomas Hylland Eriksen vor sieben Jahren das Buch “Die Tyrannei des Augenblicks” geschrieben. Auch sehr interessant ist die Dissertation des Soziologen Hartmut Rosa “Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen der Moderne”

Ausserdem in der neuen Ethmundo-Ausgabe Auf Bali läuft es rund: Freya Morigerowsky erklaert, warum Balinesen zwei verschiedene Kalender benutzen.

In Zurück in die Zukunft nimmt und Annika Franke zu den Aymara in die Anden, wo die Zukunft hinten und die Vergangenheit vorne sein soll. Anthropologe Kerim Friedman hatte jedoch die Forschung zum Zeitverständnis der Aymara kritisiert

Rüdiger Burg beruhigt in 2012 – Viel Lärm um nichts die Kinogänger: Laut dem Kalender der Maya geht nun doch nicht die Welt in 2012 unter.

Wie gehen verschiedenen Gesellschaften mit dem Phänomen "Zeit" um? Die Autoren des Magazins "Ethmundo" haben wieder interessanten Lesestoff für uns zusammengestellt:

Was ist das eigentlich: die Zeit, dieses diffuse Etwas, das unser aller Leben Tag für Tag bestimmt? Fließt sie…

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Michael Schönhuth: Mehr Interesse für eine öffentliche Ethnologie?

Dass die Ethnologie ein problematisches Verhältnis zu Medien und Forschungsvermittlung generell hat, ist keine Neuigkeit. Michael Schönhuth gibt in der neuesten Ausgabe von Ethnoscripts eine Standortbestimmung, die jedoch meiner Auffassung nach etwas zu negativ ist.

Er schreibt u.a.

Das Standing der Ethnologie im öffentlichen Raum in Deutschland ist keinesfalls vergleichbar mit dem in den USA, Großbritannien, Frankreich und vor allem Skandinavien, wo die Popularisierung durch Vertreter wie Fredrik Barth, Eduardo Archetti und Thomas Hylland Eriksen eine lange Tradition hat und fest verankert ist. Es fehlen uns auch Spottdrosseln wie Nigel Barley – dessen unterhaltsam-sarkastische ethnologische Feldforschungserzählungen auch in Deutschland Rekordauflagen verzeichnen (Barley 1998). Und der einzige Nachkriegsethnologe, der über die Jahre eine breitere Leserschaft außerhalb der Ethnologie auf sich ziehen konnte, Hans-Peter Duerr, machte keine normale akademische Karriere innerhalb des eigenen Faches.

Vor ein paar Jahren noch hätte ich zugestimmt. Gerade in letzter Zeit hat sich sehr viel getan, sowohl offline (leichtverständliche Papier-Bücher wie Heimat Mensch. Was uns alle verbindet, Maxikulti, Parallelgesellschaften oder Kölner Stammbaum. Zeitreise durch 2000 Jahre Migrationsgeschichte oder Ausstellungen wie Crossing Munich) und online (Blogs, Zeitschriften wie Journal Ethnologie, Portale wie Evifa etc).

Schönhuth nennt selber ein paar solcher Beispiele im Netz.

Interessant auch zu lesen, dass das Pressereferat der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (furchtbarer Name, wie wärs mit einer Namensänderung?) im Laufe dieses Jahres mehrere Tagungen zum Thema „Ethnologie und Öffentlichkeit“ veranstaltet hat.

Auch vielversprechend: Die Webseite www.ethnologie.de soll Schönhuth zufolge überarbeitet und als “Erstkontaktseite für Medienvertreter, potentielle Studierende und interessierte Laien” unter dem Dach des DGV-Pressereferats geführt werden.

Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass “eine Ethnologie, die sich gesellschaftlich relevant macht, eines Orientierungsrahmens bedarf, der sich mit Grenzen verantwortlicher Ethnologie auseinandersetzt”. Er denkt hier vor allem an die Zusammenarbeit von Ethnologen mit dem Militär und Geheimdienst, die nicht nur in den USA immer gewöhnlicher wird, doch von vielen Ethnologen heftig kritisiert wird.

>> Michael Schönhuth: Relevanter werden – Zum Verhältnis zwischen Ethnologie und Öffentlichkeit. Standortbestimmung und Perspektiven

Schönhuth hat sich schon lange mit diesem Thema beschäftigt, siehe auch ein Text aus dem Jahre 2001: Populäre Ethnologie – Auszüge aus :“Ist da wer?: Strategien und Fallstricke einer populären Ethnologie“

Es gibt noch mehrere Texte zum Thema in Ethnoscripts, u.a. Martin Sökefeld: Ethnologie der Öffentlichkeit und die Öffentlichkeit der Ethnologie

Doch weder Schönhuth noch Sökefeld gehen darauf ein, dass solche Publikationen wie Ethnoscripts ein Teil des Problemes sind. Denn Ethnoscripts macht ethnologisches Wissen nicht frei zugänglich – nur zwei Artikel der neuesten Ausgabe sind im Netz zu lesen. Stattdessen werden wir auf die Bibliothek des Instituts für Ethnologie der Universität Hamburg und an den Hamburger Verein für Ethnologie verwiesen.

Das ist um so merkwürdiger da Martin Sökefeld in seinem Text schreibt:

Wir sollten mehr Forschungen auf die politics of the public sphere verwenden, auf die Untersuchung der Frage, wer welchen Zugang zu welcher Öffentlichkeit hat oder mit welchen Mechanismen davon ausgeschlossen wird, so wie ich es in Bezug auf Kaschmir nur sehr grob angedeutet habe. Wenn Strukturen von Öffentlichkeit zentral auf Machverhältnisse verweisen, dann muss die kritische Untersuchung von Öffentlichkeit Bestandteil jeder Ethnologie des Politischen sein.

SIEHE AUCH:

Populärethnologie von Christoph Antweiler: Heimat Mensch. Was uns alle verbindet

Looking back at 10 years Public Anthropology online

Open Access Konferenz in Wien: Wissenschaftler für freien Zugang zu Wissen

Kerim Friedman: Open Source Anthropology: Are anthropologists serious about sharing knowledge?

Ethnologie und Oeffentlichkeit II: Das ambitioese Projekt der Muenchner Ethnologiestudierenden

Nancy Scheper-Hughes: Public anthropology through collaboration with journalists

Marianne Gullestad and How to be a public intellectual

“Anthropology needs to engage in an activist way”

“Discuss politics!” – How anthropologists in Indonesia engage with the public

More and more anthropologists, but they’re absent from public debates – “Engaging Anthropology” (1)

Blogging and Public Anthropology: When free speech costs a career

Envisioning a More Public Anthropology: An Interview with Fredrik Barth

Dass die Ethnologie ein problematisches Verhältnis zu Medien und Forschungsvermittlung generell hat, ist keine Neuigkeit. Michael Schönhuth gibt in der neuesten Ausgabe von Ethnoscripts eine Standortbestimmung, die jedoch meiner Auffassung nach etwas zu negativ ist.

Er schreibt u.a.

Das Standing der Ethnologie…

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