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Alkoholismus und Selbstmorde bei den Inuit: “Kolonisierung hat Schuld”

Die WoZ interviewt Ethnologen Yvon Csonka, der ueber Zwangsumsiedlungen von Inuit in Kanada und Grönland forscht:

Angefangen hat das zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. In Kanada zum Beispiel war bis 1945 gar nicht klar, ob Inuit überhaupt kanadische Staatsbürger sind. Erst als wegen des Kriegs im Norden Militärstationen gebaut wurden, realisierte man, dass es dort eine Bevölkerung gibt. Zur selben Zeit baute die Regierung ihr Wohlfahrtssystem aus. (…) Damit (die Kinder) zur Schule gehen konnten, sollten sie auch in der Nähe einer Schule leben. Also überzeugte man die Familien, dorthin zu ziehen, wo Schulen entstanden – namentlich in Orte, wo es bereits eine Polizeistation oder eine religiöse Mission gab. Einer der ersten Schritte war also, die Nomaden zu sesshaften Bürgern zu machen.

Eine andere Zwangsumsiedlung: In 1953 errichtete die US-Armee in der Nähe von Thule, im Nordwesten Grønlands einen Armeestützpunkt:

Ja, die dänische Regierung erteilte den Amerikanern grünes Licht für den Bau – ohne die Menschen, die dort lebten, nach ihrer Meinung zu fragen. Die mussten von einem Tag auf den andern umziehen. Man hatte ihnen Grosses versprochen: wunderbare neue Dörfer mit schönen Häusern und finanzielle Kompensation. Dort angekommen aber sahen sie, dass das leere Versprechen waren. Erst viel später wurde das Versäumte nachgeholt.

Derzeit forciert die Regierung auf Grönland den Umzug von in kleinen Siedlungen lebenden Menschen in grössere Dörfer und Städte. Ein riesiges Aluminiumwerk ist geplant. Dafür müssten dann Tausende von Arbeitern in Fabriknähe verlegt werden.

Bringen diese Verän­derungen auch etwas Positives mit sich? Für wen hat sich die Situation verbessert, für wen nicht? Dies versucht der Ethnologe herauszufinden.

Doch Grønland hat mit vielen Problemen zu kaempfen: Alkoholismus, Kindsmissbrauch und die vielen Selbstmorde. Der Ethnologe sagt:

Diese Probleme gibt es erst seit fünfzig Jahren. Sie entstanden zur gleichen Zeit, in der die sogenannte Modernisierung stattfand und in der die Bevölkerung in die Zentren geholt wurde. Es ist also klar, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den Problemen und dem den Inuit auferlegten Zwang, ihr Leben zu ändern.

Im Westen glaubte man fest an die Modernisierung und dass sie für alle gut sei. Man fand, das Nomadentum sei keine praktische Lebensform, jeder solle von den Errungenschaften und Bequemlichkeiten der Moderne profitieren können. Und dann glaubte man, diese Leute seien zu blöd, um das zu verstehen und für sich selbst zu entscheiden. Deshalb hat man für sie entschieden, ohne sie zu fragen. So lief das damals nicht nur in der Arktis, sondern in den meisten kolonialisierten Ländern ab.

Der Klimawandel wird den Inuit erneut rasche Veränderungen aufzwingen.

Können sie sich den Veränderun­gen anpassen? Menschen sind anpassungsfaehig. Auch die Inuit könnten sich anpassen, wenn die Veränderungen nicht so schnell passieren würden, so der Ethnologe.

>> zum Interview in der WoZ

SIEHE AUCH:

“Der Ethnologie der Arktis kommt eine Vorreiterrolle zu”

Rethinking Nordic Colonialism – Website Sheds Light Over Forgotten Past

Inuit language thrives in Greenland

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How internet changes the life among the First Nations in Canada

The Journals of Knud Rasmussen: The impact of Christianity among the Inuit

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Die WoZ interviewt Ethnologen Yvon Csonka, der ueber Zwangsumsiedlungen von Inuit in Kanada und Grönland forscht:

Angefangen hat das zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. In Kanada zum Beispiel war bis 1945 gar nicht klar, ob Inuit überhaupt kanadische Staatsbürger sind. Erst…

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“Der Ethnologie der Arktis kommt eine Vorreiterrolle zu”

Der orf berichtet von Ergebnissen einer ethnologischen Fachtagung in Wien. Auf Einladung der “Arbeitsgemeinschaft Arktis und Subarktis” kamen Ethnologen aus Russland, Japan, Nordamerika und Europa zusammen. “Mit der im Wissenschaftsbetrieb nicht ganz ungewohnten Verzögerung von fünf Jahren”, so der orf, liegen nun die Konferenzbeiträge als Buch vor.

Interessant:

Der Ethnologie des arktischen und, subarktischen Raumes kommt in vieler Hinsicht auch eine Vorreiterrolle hinsichtlich einiger momentaner Paradigmenwechsel in der Forschung zu. Darüber ist sich der Ethnologe Stefan Donecker sicher. Die alte Tradition, das alte hierarchische Verhältnis, der Ethnologe forscht und die Indigenen sitzen da und werden erforscht, dieses vollkommen einseitige Machtverhältnis, so Donecker, habe inzwischen ausgedient.

Gerade aus dem arktischen Raum gibt es in jüngster Vergangenheit einige sehr aufschlussreiche und sehr viel versprechende Pilotprojekte, wo Indigene und europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam forschen und gemeinsam publizieren.

>> weiter beim orf

Auf der Homepage der Arbeitsgruppe gibt es mehrere Artikel in Volltext!

SIEHE AUCH:

“Expanding willingness among anthropologists to listen to Native peoples”

“Aboriginal knowledge is science”

Inuit play makes fun of anthropologists

Der orf berichtet von Ergebnissen einer ethnologischen Fachtagung in Wien. Auf Einladung der "Arbeitsgemeinschaft Arktis und Subarktis" kamen Ethnologen aus Russland, Japan, Nordamerika und Europa zusammen. "Mit der im Wissenschaftsbetrieb nicht ganz ungewohnten Verzögerung von fünf Jahren", so…

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NZZ etwas zu einseitig: Stimmen aus der Arktis immer noch rar?

Die NZZ gibt einen Ueberblick ueber Literatur ueber und aus der Arktis. Die Konklusion:

Ein Blick auf die heute in deutscher Sprache vorliegende Literatur erweist, dass authentische Stimmen aus dem hohen Norden nach wie vor rar sind.

Schade, dass nicht englischsprachige Texte mit einbezogen wurden – oder auch Literatur in lokalen Sprachen. Dann waere der Autor Martin Zähringer sicher fuendig geworden. Die Saamen haben viele Autoren hervorgebracht, dasselbe laesst sich sicher ueber die kanadischen Inuit sagen. Der Text konzentriert sich zu sehr auf Grønland. Zur Arktis gehøren jedoch auch noerdliche Gebiete Kanadas, Alaskas und Sibiriens, eventuell auch Teile Nordskandinaviens.

>> zum Text in der NZZ

Die NZZ gibt einen Ueberblick ueber Literatur ueber und aus der Arktis. Die Konklusion:

Ein Blick auf die heute in deutscher Sprache vorliegende Literatur erweist, dass authentische Stimmen aus dem hohen Norden nach wie vor rar sind.

Schade, dass nicht englischsprachige Texte…

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Erderwärmung – die Inuit fürchten um ihre Lebensgrundlage

Der Standard

“Der Schnee, der sich für den Bau von Iglus eignet, fällt immer seltener und teilweise viel zu früh”, schildert Namonai Ashaona, die rund 150.000 Inuit repräsentiert. “Unsere Häuser stürzen ein, weil der Permafrost-Boden schmilzt, die Küste erodiert, die Eisstraßen sind viel kürzere Zeit befahrbar.”

Was die Inuit beobachtet haben, stellten nun Wissenschafter im Auftrag des Arktischen Rates in einer Studie fest: Demnach schreitet die Erderwärmung in der Arktis schneller voran als im Rest der Welt. >> weiter

SIEHE AUCH:
Social and economic aspects of climate change in arctic regions (Hugh Beach, TheArctic.is)
WWF-Studie: Die Arktis verkommt zur chemischen Müllhalde der Erde (ngo-online, 17.2.05)

Der Standard

"Der Schnee, der sich für den Bau von Iglus eignet, fällt immer seltener und teilweise viel zu früh", schildert Namonai Ashaona, die rund 150.000 Inuit repräsentiert. "Unsere Häuser stürzen ein, weil der Permafrost-Boden schmilzt, die Küste erodiert, die Eisstraßen…

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