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Ethnologe Victor Shnirelman: “Rassismus in Russland kein neues Problem”

Auf der einen Seite wurde Rasismus in der Sowjetunion von Anfang an wissenschaftlich kritisiert. Zugleich aber wuchs in Russland eine andere, ethnisch begründete Form der Unterscheidung heran, die Rassismus quasi ueber die Hintertuer einschleuste. Rassismus sei daher kein neues Problem in Russland, sagte Ethnologe Victor Shnirelman kuerzlich auf einem Vortrag in Wien, meldet der Standard.

In den 1930er-Jahren, erzaehlte der Ethnologe, wurde die ethnische Zugehörigkeit als Eintragung im Pass Pflicht:

Damit aber wurde ein hochpolitisches Faktum geschaffen, das neue Formen der Diskriminierung ermöglichte, und neue “Diskurse”, die frappierend an die Theorien der Feinde aus dem Weltkrieg erinnerten.

So hieß es im stalinistischen Russland ab den Vierzigerjahren, zwar selten offiziell, aber umso mehr hinter vorgehaltener Hand, dass “Mischehen” wegen “schlechter psychogenetischer Disposition” zu vermeiden seien.

Die antisemitischen Kampagnen damals, mehr noch die Abwertung der als Räuber und Diebe verschrienen Bewohner des Kaukasus und der als Verbrecher bezeichneten Tschetschenen stellen den Kern des “neuen Rassismus” dar, der unbeschadet die Wende überlebte und im gegenwärtigen Russland weiter virulent ist.

>> weiter im Standard

Zum Rassismus siehe u.a. Rassismus mit Rückenwind (taz 1.12.07). Zum ethnischen Denken in der Wissenschaft in Osteuropa siehe mein Interview mit Vytis Ciubrinskas “Anthropology Is Badly Needed In Eastern Europe”

Auf der einen Seite wurde Rasismus in der Sowjetunion von Anfang an wissenschaftlich kritisiert. Zugleich aber wuchs in Russland eine andere, ethnisch begründete Form der Unterscheidung heran, die Rassismus quasi ueber die Hintertuer einschleuste. Rassismus sei daher kein neues Problem…

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Die Chanten bangen um Taiga und Tundra. Ölfirmen bedrohen ihre Lebensgrundlage

Ethnologin Vera Thümmel, Rheinischer Merkur

Die Chanten, der indigenen Bevölkerung Westsibiriens – zählt zu den „kleinen Völkern des Nordens“, wie sie auf Russisch genannt werden. Viele leben an den unzähligen Nebenarmen des Ob, der zu den größten Flüssen der Erde zählt und wie eine Ader das gesamte Territorium der Westsibirischen Tiefebene durchzieht. Doch Hecht, Stör und sibirischer Weißlachs haben es hier nicht mehr so gut wie einst. Taiga und Tundra sind getränkt vom Erdöl. Über die Hälfte des russischen Erdöls wird in Westsibirien, im autonomen Bezirk der Chanten und Mansen, gefördert.

Mitte der neunziger Jahre raste Westsibirien mit mehr als 3100 registrierten Unfällen einer Ökokatastrophe entgegen. Eine starke Protestbewegung unter der indigenen Bevölkerung schaffte es, neue Rechte und Gesetze sowie eine Vertretung in der staatlichen Duma und der Duma des autonomen Bezirks durchzusetzen und die Tragödie abzuwenden. Kulturzentren und Museen wurden eröffnet, Kulturfestivals und internationale Forschungsprojekte finanziert.

Beträchtliche Teile der veralteten Ölleitungen wurden jedoch bisher nicht erneuert. Die Importmenge hat sich in den letzten Jahren sogar erhöht, ungeachtet der Verschmutzung und Probleme, die es bewirkt. >> weiter

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Indigenous Russians Unite Against Oil and Gas Development
Die Mari in Russland: Die kleinen Leute aus dem Wald

Ethnologin Vera Thümmel, Rheinischer Merkur

Die Chanten, der indigenen Bevölkerung Westsibiriens – zählt zu den „kleinen Völkern des Nordens“, wie sie auf Russisch genannt werden. Viele leben an den unzähligen Nebenarmen des Ob, der zu den größten Flüssen der Erde zählt…

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Die Mari in Russland: Die kleinen Leute aus dem Wald

WOZ

Das Volk der Mari in der russischen Wolga-Republik Marij El bezeichnet sich selbst als das «letzte heidnische Volk Europas». Es spricht mit den Geistern des Wassers und der Sonne. Aggressivität, erklärt der Historiker und Ethnologe Nikandr Popow, gelte bei den Mari als Schwäche. Die Mari passten sich an wie ein Halm im Wind. Genau das habe ihrer Kultur und Religion das Überleben ermöglicht.

Heute gibt es in Russland noch etwa 650 000 Mari. Von ihnen lebt aber nur die Hälfte in der Republik Marij El. Die restlichen Mari wohnen verstreut in vielen Gebieten und Republiken des Wolga-Ural-Gebiets. In ihrer eigenen Republik sind sie eine Minderheit: Sie stellen nur etwa 43 Prozent der EinwohnerInnen. 48 Prozent sind RussInnen, der Rest hauptsächlich TatarInnen und TschuwaschInnen.

Der neue Präsident der Republik, Leonid Markelow, ist Russe und gehört der ultranationalistischen Partei von Wladimir Schirinowskij, der LDPR, an. Seit Markelows Amtsantritt im Jahr 2000 fühlen sich die Mari in ihrer eigenen Republik politisch, wirtschaftlich und kulturell mehr und mehr an den Rand gedrängt. >> weiter (Link aktualisiert 2.8.2020)

WOZ

Das Volk der Mari in der russischen Wolga-Republik Marij El bezeichnet sich selbst als das «letzte heidnische Volk Europas». Es spricht mit den Geistern des Wassers und der Sonne. Aggressivität, erklärt der Historiker und Ethnologe Nikandr Popow, gelte bei den…

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