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Forschung indonesischer Ethnologiestudierender: Deutsche sind religiöser als erwartet

Schöne Geschichte im Spiegel über Ethnologiestudierende aus Indonesien, die in Deutschland forschen.

Sie fanden u.a. heraus, dass Deutsche religiöser sind als man oft meint. Den Begriff Religion haben sie weit ausgelegt – und das ist gut so. Religiösität fanden sie u.a. bei der Grünen Jugend und bei Veganern

Nach vier Wochen Forschung können die indonesischen Gäste das Vorurteil der Areligiosität der Deutschen nicht bestätigen. So fand Fitria, dass die Veganer durchaus missionarische Züge trugen und dass der Schutz der Umwelt für sie quasi-religiösen Charakter annimmt. Inda Marlina ging es bei ihrem Forschungsgegenstand, der Jugendorganisation der Partei die Grünen, ganz ähnlich. Der konsequente Umweltschutz und der Enthusiasmus der jungen Aktivisten sei beeindruckend. “Für sie ist es eine Art Religion. Sie wollen damit die Welt verändern,” sagt sie.

Die Forschung ist Teil eines Tandemprojektes zwischen der Uni Freiburg und der Gadjah-Mada-Universität im indonesischen Yogyakarta, über das ich früher schon einmal geschrieben habe.

Darin geht es u.a. darum das “schwere Erbe” der Ethnologie zu überwinden, wie Projektleiterin Judith Schlehe dem Spiegel gegenüber erklärt. Denn immer noch ist es oft so, dass Deutsche Indonesier erforschen, selten ist es umgekehrt. Und warum nicht zusammen forschen!

>> weiter im Spiegel

Übrigens: Der Spiegel-Artikel ist eine Kurzversion eines bereits ein Monat alten Artikels in der Jakarta Post, verfasst von derselben Autorin, Anett Keller.

Der kenianische Ethnologe Mwenda Ntarangwi hat das Fortwirken dieses Erbes in der amerikanischen Ethnologie in einem neuen Buch dokumentiert, das obligatorische Lektüre werden sollte, siehe früherer Beitrag How racist is American anthropology?

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Sie fanden u.a. heraus, dass Deutsche religiöser sind als man oft meint. Den Begriff Religion haben sie weit ausgelegt - und das ist gut so. Religiösität fanden sie…

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Horrorfilm-Premiere bei Ethnologischem Filmfestival in Leipzig

Kölner, die sich in ihrer Freizeit als Fremde verkleiden, verdrängte Kolonialgeschichte, Punkrock und Oper in China, ein Horrorfilm aus Tansania: Anfang Dezember starten Ethnologiestudierende und “Ausstudierte” zum dritten Mal ein Filmfestival in Leipzig: An/Ver-Wandungen 2011.


Aus Tansania: Shumileta – Queen of Devil

“Die Ethnologie hat in Leipzig eine lange Geschichte und verlässt doch selten den akademischen Rahmen”, schreiben sie in ihrer Pressemitteilung (pdf). “Das Festival möchte einen Blick durch die Kamera auf Themen der sogenannten Wissenschaft vom kulturell Fremden bieten und diese auf der Agenda des Leipziger Kulturprogramms fest etablieren”.

Ich habe kurz via email beim Festivalteam nachgehakt:

Wer seid Ihr, die das Festival organisieren?

– Wir sind Ethnologiestudierende bzw. „Ausstudierte“ aus Leipzig und Halle/ Saale, die sich für Film im Allgemeinen und für audiovisuelle Anthropologie im Besonderen begeistern. Vor drei Jahren hatten Theresa und Susie die Idee zum Festival: sie wollten Werke, die sie auf anderen Festivals besonders beeindruckt hatten, nach Leipzig holen. Aber damit standen sie auch vor einer grundlegenderen Aufgabe; nämlich ein heterogenes Publikum mit ethnologischen Themen und Filmen außerhalb des akademischen Rahmens vertraut zu machen.

Wie bekommt Ihr das hin, so ein Festival auf die Bühne zu stellen?

– Wir sind keine Profis: weder im Filmbereich, noch in der Festivalorganisation. Aber wir haben An/Ver-Wandlungen von Anfang sehr ernst genommen und auch dementsprechend viel Arbeit investiert. Davon ausgehend, was für ein Festival wir uns wünschen würden, lernen wir seither immer mehr dazu.

– Es gibt außerdem viele Menschen und Kooperationspartner, ohne die An/Ver-Wandlungen nicht stattfinden könnte und denen wir danken möchten; insbesondere den Filmschaffenden, die uns ihre Filme so bereitwillig zur Verfügung stellen. Die finanzielle Unterstützung ist – wie so oft – eher gering und wir müssen deshalb ein Low-Budget-Festival auf die Beine stellen. Ein Problem dabei ist, dass wir nicht jede Arbeit von Beteiligten gerecht entlohnen und Filme oft nur als DVD-Kopie zeigen können. Das würden wir in Zukunft gern ändern.


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Wie war die Resonanz bei den ersten beiden Festivals?

– Sowohl die Reaktionen der Gäste nach den Filmen, als auch die Presseberichterstattung waren ausnahmslos positiv. Auch die (wenigen) Filmschaffenden, die wir bisher einladen konnten, waren sehr erfreut ihre Werke in diesem Rahmen zeigen zu können. Aber natürlich gab es auch Kritik, die einige Details in der Organisation betraf. Aber das ist ja genau, worauf wir auch angewiesen sind: eben weil wir keine Expert_innen sind und sein wollen, freuen wir uns mit dem Publikum zusammen das Festival jedes Jahr aufs Neue „an/ver-wandeln“ zu lassen.

Wie viele Leute könnt Ihr zu den Filmen locken? Sitzt nur eine Gruppe besonders interessierter im Kinosaal?

– Ein Hauptanliegen von An/Ver-Wandlungen war ja immer, sowohl Ethnologiebegeisterte als auch Cineast_innen oder Neugierige anzusprechen. Deshalb haben wir unseren Filmblöcken immer sehr offene Themenschwerpunkte – wie bspw. „Wahnsinn“ oder „Erinnern“ – zugeordnet. Auch die Gestaltung unsrer Flyer und die Pressearbeit insgesamt war uns aus diesem Grund wichtig. Schließlich setzen wir uns für eine offene Interpretation von Film als Text ein: heraus aus dem Elfenbeinturm der universitären Lehre hinein in den Kinosaal und die Köpfe der Filmschauenden!

– Nach den letzten beiden Jahren können wir sagen, dass unsere Strategie Erfolg hat. Es waren zwar vornehmlich Ethnologiestudierende in den Vorführungen, aber durchaus auch andere Interessierte.

– Das LuRu-Kino mit seinen 60 Sitzplätzen war zu den Eröffnungs- und Abschlussfilmen (trotz Schneesturm 2010) jeweils voll besetzt. Auch zu den anderen Vorführungen kamen nicht wenige Gäste.

Zum Abschluss drei Filme aus dem Programm, die man Eurer Meinung nach unbedingt gesehen haben sollte ?

– Eine schwierige Frage. Denn wir haben ja nur Filme im Programm, die wir als besonders empfehlenswert erachten.

– Aber gut: Colonel Bunny von Miranda Pennell ist – nicht zuletzt aufgrund seines beeindruckenden Umgangs mit Bild und Ton – sicher ein Highlight des Festivals.

– Am Montag, dem 05. Dezember, zeigen wir den Kurzfilm Shahor shakuf (Transparent Black), der durch einen empathischen Zugang zu seinen Protagonist_innen das schwierige Thema der israelischen Asylpolitik differenziert beleuchtet.

– Und schließlich hoffen wir auf einen krönenden Festivalabschluss mit Shumileta – Queen of Devil. Der tansanische Horrorfilm von Mussa Banzi bekommt extra für An/Ver-Wandlungen deutsche Untertitel und feiert mit uns seine Europapremiere.

An/Ver-Wandlungen wird organisiert in Kooperation mit den Filmtagen im GRASSI, dem Leipziger Völkerkundemuseum.

>> Pressemitteilung (pdf)

>> Vollständiges Programm

Nur wenig Zeit später findet übrigens das Münchner Ethnofilmfest statt.

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– Lebensstil ein grösseres Problem als Bevölkerungswachstum

Im Deutschlandradio hat es ein interessantes Interview mit der Ethnologin Shalini Randeria von der Uni Zürich.

Reporter Matthias Hanselmann ist sehr auf das Bevölkerungswachstum in Indien und China als ein Problem fixiert: Mehr Armut `= mehr Naturzerstörung? Die Ethnologin widerspricht ihm. Die Forderung des Westens, den Bevölkerungsanstieg zu stoppen, findet sie falsch:

Nein, also es gibt keinen unmittelbaren kausalen Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte und Armut. (…) Wir müssen von vornherein darauf achten, dass wir hier im Westen, Sie und ich, unseren Lebensstil ändern, nicht das Bevölkerungswachstum in Indien drosseln, weil die Armen in Indien verbrauchen kaum etwas im Vergleich zu dem, was Sie und ich täglich verbrauchen.

Also man muss sich die Größenordnung so vorstellen: Die Stadt New York verbraucht an einem Tag so viel Strom wie der ganze Kontinent Afrika. Das heißt, das Bevölkerungswachstum in Afrika kann so hoch sein, wie es will. Es führt nicht zum selben Energiekonsum.(…)

So lange wir alle mit dem Finger Richtung Indien und China zeigen und sagen, sie sollen ihr Bevölkerungswachstum bremsen, weil wir die falsche Problemdiagnostik haben, solange natürlich wird sich hier auch wenig ändern. Wir müssen einfach die Finger Richtung uns selber zeigen und sagen: Welchen Beitrag kann ich leisten? Nicht: Welchen Beitrag soll jemand anderes leisten?

Als der Reporter dann sagt “es kann ja nicht angehen, dass in der Unterschicht immer mehr Kinder geboren werden, um sich sozial abzusichern, und damit die Bevölkerung erst recht explodiert”, protestiert die Ethnologin:

Aber die Bevölkerung explodiert nicht. Erstens bin ich sehr, sehr allergisch gegen diesen Ausdruck. Das sind Menschen! Die explodieren nicht. Und zweitens, die Bevölkerung wächst, Menschen bekommen Kinder, weil sie diese Kinder möchten, oder sie bekommen welche, weil sie darauf bauen müssen, dass ihre Kinder sie im Alter versorgen, wenn man einen fehlenden Sozialstaat hat, dann ist man auf die Kinder angewiesen bei Krankheitsfall, im Alter. Man hat weder Rente noch Krankenversicherung.

Das heißt, man ist ökonomisch auf Kinder angewiesen, emotional haben Kinder einen großen Stellenwert, einfach auch in der Werteskala haben Kinder einfach eine andere Bedeutung als im Westen.

Sie erklärt auch wie problematisch Programme zur Bevölkerungskontrolle sind. Möchte man das Bevölkerungswachstum verlangsamen, solle man eher für eine Reduktion der Mutter- und Säuglingssterblichkeit sorgen.

Siehe auch frühere Beiträge über Shalini Randeria:

Die Gefahren des eurozentrischen Weltbildes

Ethnologin Shalini Randeria zum Kastensystem und Hindunationalismus

Auf dem Word Peope’s Blog werden einige ihrer früheren Publikationen vorgestellt

Im Deutschlandradio hat es ein interessantes Interview mit der Ethnologin Shalini Randeria von der Uni Zürich.

Reporter Matthias Hanselmann ist sehr auf das Bevölkerungswachstum in Indien und China als ein Problem fixiert: Mehr Armut `= mehr Naturzerstörung? Die Ethnologin widerspricht…

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Transnationalmannschaft: Mehr für Deutschland als die Deutschen

Wer sagt denn, die Bevölkerung interessiere sich nicht für eine differenzierte Darstellung von Themen wie Einwanderung und Identität?

Das Kino war ausverkauft als Ethnologe und Regisseur Philipp Kohl seinen Film “Transnationalmannschaft” vorführte. Es ist ein Film über das Mannheimer Quartier Jungbusch, einem “hochdynamischen Schmelztiegel aus sozialer Unterschicht, Bohéme und den verschiedensten ethnischen Einflüssen”, wie die Weinheimer Nachrichten / Odenwälder Zeitung es formuliert:

Der Ethnologe hat in langer Vorarbeit das Vertrauen seiner Protagonisten gewonnen, die im Gespräch ein authentisches Bild von diesem Fleckchen Erde im Rhein-Neckar-Delta zeichnen. Tiefgründig beleuchtet Kohl die persönlichen Implikationen dessen, was es bedeutet, jenseits der eigenen kulturellen Wurzeln aufzuwachsen oder zu leben, die Schwierigkeiten und Erfolge bei der Suche nach kultureller oder nationaler Identität.

Die Fussball-WM ist ein zentrales Thema im Film. Der Ethnologe sorgte für Erstaunen beim Kinopublikum. Im Film sind auch die Migranten alle begeisterte Anhänger der deutschen Nationalmannschaft – die ohnehin eher eine “Transnationalmannschaft” sei. “Die Migranten”, sagte er bei der Vorführung, “sind mehr für Deutschland als die Deutschen selbst.”

Philipp Kohl hat seine Magisterarbeit auch über das Quartier geschrieben.

>> weiter in Weinheimer Nachrichten / Odenwälder Zeitung

Auch der Stern hatte bereits sehr positiv über den Film geschrieben.

Auf der Webseite des Films gibt es mehr Medienstimmen, einen Trailer und sogar auch Lehrmaterial für Schulen (pdf).

Hier ist der Trailer…

[video:vimeo:24420830]

… und hier ein Interview mit dem Ethnologen (Embedden klappt nicht).

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Football World Cup = an arena of everyday cosmopolitanism?

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Ausstellung “Crossing Munich”: Ethnologen für neue Perspektiven in der Migrationsdebatte

How to challenge Us-and-Them thinking? Interview with Thomas Hylland Eriksen

Book review: Photography, Anthropology and History (Part I)

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Das Kino war ausverkauft als Ethnologe und Regisseur Philipp Kohl seinen Film “Transnationalmannschaft” vorführte. Es ist ein Film über das Mannheimer Quartier…

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Die Mythen über angebliche religiöse Gewalt in Kairo

Koptische Christen und Muslime geraten in Kairo tödlich aneinander. So wie diese Schweizer Agenturmeldung tönen die meisten Meldungen in deutschsprachigen und internationalen Medien.

Auch Kulturanthropologe Stefan Haderer reduziert in seinem Gastkommentar in der Wiener Zeitung das Massaker in Kairo auf einen religiösen Konflikt.

Kaum jemand erwähnt, dass das Militär (inklusive Staats-Fernsehen), hinter der Gewalt stand, und vermutlich bezahlte Provokateure wie damals Mubarak benutzte, um Christen und Muslime aufeinander zu hetzen, um so ungestört weiterzuherrschen (“Divide and Rule”). Stattdessen präsentieren deutschsprachige Medien, u.a. die Sueddeutsche den regierenden Militärrat (SCAF) und den Präsidenten als verantwortungsvolle Kräfte, die die Bevölkerung zur Besinnung aufrufen. Dabei gilt SCAF für viele Aktivisten als einer der Hauptfeinde der Revolution.

Kaum jemand erwähnte, dass nicht nur die Christen (Kopten) demonstriert hatten, sondern auch viele Muslime für die Rechte der Christen auf die Strasse gingen und beim Kampf gegen das Militär ihr Leben einsetzten, und vermutlich hat keine Zeitung das Bild des Salafisten, der ein Kreuz trägt, gedruckt und die Demonstranten zitiert, die laut ruften, es drehe sich nicht um ein Religionskonflikt, sondern um ein Militärmassaker und “Christen und Muslime sind eine Hand”.

Ein Blick auf lokale Medien und Blogs gibt ein ganz anderes Bild als die Lektüre internationaler Medien.

Ich habe mehr dazu in meinem Beitrag in Englisch geschrieben The Cairo massacre and How to invent “religious conflicts”.

Koptische Christen und Muslime geraten in Kairo tödlich aneinander. So wie diese Schweizer Agenturmeldung tönen die meisten Meldungen in deutschsprachigen und internationalen Medien.

Auch Kulturanthropologe Stefan Haderer reduziert in seinem Gastkommentar in der Wiener Zeitung das Massaker in Kairo auf…

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