Ab wann Nativ?

NKM, Dienstag, 18.10.2005, 16:43 (vor 6977 Tagen)

Hallo liebe Mitleser.

Hier möchte ich einfach mal einen Versuch starten, das Forum ein wenig zu beleben. Zwar hatte ich das unten schon einmal etwas angesprochen, Rückmeldung kam soweit keine, aber gelesen wurde der Beitrag in den paar Tagen recht fleißig.

Nun.... laßt uns doch einmal über die Frage reden, ab wann man von Bewohnern eines Landes von Eingeborenen, also Nativen sprechen kann und: wie / wodurch drückt sich das aus>
Als Beispiel vielleicht die ohnehin so oft schon herbeigezogenen Indianer: ein weißer Amerikaner, dessen Familiengeschichte bis in's frühe 17. Jhrdt. zurückgeht fühlt sich sicher als "echter" Amerikaner. Aber als Native, also Eingeborene gelten nur die Indianerstämme.
Gut, jetzt kann man sagen daß, wer zuerst da war Eingeborener ist.
Aber ist das wirklich so einfach>
Ist das auch so aus Sicht der Nativen oder ist das nur die Sichtweise der Wissenschaft um bestimmte Zuordnungen treffen zu können>

Mit liebem Gruß,
NKM

RE: Ab wann Nativ?

admin ⌂ @, Dienstag, 18.10.2005, 18:34 (vor 6976 Tagen) @ NKM

Ja, da schneidest Du ja eine der schwierigsten Fragen an. Ich habe mich in meiner Magisterarbeit herumgeschlagen. Es gibt 10000 Definitionen, letztendlich ist dies eine politische Frage, die in jedem Land anders definiert wird. So etwas wie isolierte "Kulturen" oder "Ethnien" mit klaren Grenzen gibt es ja nicht.

Hier in Norwegen darfst Du Dich als Angehoeriger der Urbevoelkerung (als "native") bezeichnen, wenn Deine (Gross-)Eltern Saamisch gesprochen haben und Du Dich selber als Saame fuehlst. In Canada spielen Deine Vorfahren eine geringere Rolle, wichtiger ist, wie Du Dich selber definierst.

Die Indianer in Suedamerika werden quasi gezwungen, sich wie "Edle Wilde" aufzufuehren, um anerkannt zu werden wie man u.a. [link=http://antropologi.info/blog/anthropology/index.php>p=1372]hier[/link] nachlesen kann

Wer sich als was bezeichnen kann, ist auch unter den Angehoerigen von Urbevoelkerungen umstritten.

Der Ausdruck "Eingeborene" wird in der Ethnologie nicht benutzt aufgrund negativer Assoziationen aus der Kolonialzeit.

RE: Ab wann Nativ?

Franka @, Dienstag, 19.06.2007, 18:33 (vor 6367 Tagen) @ admin

Hallo!

Ich sehe die Sache so: "native" ist - wie alle anderen Kategorien auch - eine politisch umkämpfte Identitätskategorie, die grundsätzlich sowohl diskriminierend als auch ermächtigend eingesetzt werden kann. Gerade in "postkolonialen" Gesellschaften ist der Begriff natürlich kompliziert, da sich ja im Grunde jeder Mensch, der dort geboren ist, so bezeichnen kann. Ich finde den Begriff ausserdem problematisch, weil er auf rassistische Theorien rekurriert und die Position der bezeichneten Personen biologisiert (daher ist auch die Frage, "ab wann" man jemanden so bezeichnen kann, nicht ganz unproblematisch, denn sie unterstellt "rassische" Differenzen, nach denen man Menschen unterteilen könne).

Generell kann man m.E. nicht sagen, für wen der Begriff grundsätzlich angemessen oder nicht angemessen ist (da er sehr unterschiedlich verwendet wird). Ich würde ihn daher (wie alle anderen Identitätskategorien) grundsätzlich zitathaft verwenden, in Anführungsstriche setzen und offen für widersprüchliche Anwendungen sein. Es ist gut möglich, dass zwei Menschen, die von Ethnologen der selben "Gruppe" zugeordnet werden, sich ganz unterschiedlich positionieren. Das sollte man respektieren, statt darüber zu diskutieren, ob sie das "wirklich" sind, denn Identitätskategorien gibt es nicht "wirklich".

Eine gute Möglichkeit ist es daher, jeweils die Selbstbezeichnung der Personen zu benutzen, die durch den Begriff "native" bezeichnet werden sollen. Diese Selbstbezeichnung kann "native" sein, muss aber nicht. Und dann würde ich noch zusätzlich zumindest in einer Fußnote etwas zu der jeweiligen Geschichte des Begriffs schreiben - die ist nämlich je nach Ort eine andere, weshalb auch die Bedeutungen, die in ihm mitschwingen, unterschiedlich sind.

Viele Grüße, Franka

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