Die SZ und die Ureinwohner: Gestrandet im vorsintflutlichen Evolutionismus

(via Ethno::log) Ein haarstraeubender Artikel ist in der SZ zu lesen. Ueber die Ureinwohner auf den Andaman-Inseln, die wir von der Tsunami-Katastrofe kennen. Der Text ist ein gutes Beispiel dafuer, wie weitverbreitet die vergessen geglaubte evolutionismustische Weltsicht noch ist: Wir, der sogenannte moderne Westen steht auf der Spitze der Entwicklungspyramide. Ureinwohner repraesentieren nach dieser Sichtweise den Urzustand der Menschheit. Man bezeichnet sie als “Steinzeitmenschen”, vergleicht sie mit Tieren, bringt sie in Reservate unter.

Originalzitat aus dem Text:

Der Kameramann sagt: „Da sind sie.“ Wie aufgescheuchte Tiere rennen nackte Menschen hin und her, schieben Auslegerboote ins Wasser. Um ihre Bäuche gelbe Matten, in ihren Händen Speere.

Daher wird ein Naturschuetzer zitiert, der sich nun um die Ureinwohner kuemmert:

„Wenn man die Tiger vor der Ausrottung retten kann, kann man jeden retten. Wir haben hier keine großen Katzen. Unsere großen Katzen sind die Ureinwohner.“

Ein wirklich richtig uebler Text, geschrieben wie vor hundert Jahren, der daran erinnert, dass genau diese Art von ethnozentrischem Evolutionismus, der die Menschen in Ueber- und Unterlegene einteilt, die Grundlage von Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Rassismus bildet.

>> zum Text “Ureinwohner. Gestrandet in der Vergangenheit (Link aktualisiert)

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2 thoughts on “Die SZ und die Ureinwohner: Gestrandet im vorsintflutlichen Evolutionismus

  1. hej.. ich bin sehr froh auf diese seite gestossen zu sein und einige der beiträge gefallen mir sehr gut. aber was mich immer wieder etwas überrascht, ist die selbstverständlichkeit des gedanklich kritischen fortschrittes, von der hier ausgegangen wird. das ist meiner meinung nach absolute realität und ein blog wie dieser einfach die ausnahme. und ich sehe auch nciht, dass die akademische ethnologie diese kritik lebt. wohl doch einzelne personen. aber allein die nach wie vor vorhandene völlig inakzeptabel eurozentrische aufspaltung der geisteswissenschaften in politik [west], soziologie [west], geschichte [west] und dem gegenüberstehend all das zusammengepackt für alle andern in der ethnologie räumt meiner meinung nach dem fachbereich ethno wenig spielraum ein. Eigentlich anstrebenswert wäre doch eine synergie. allein die existenz von ethnologie hebt doch weiterhin den ‘unterschied’ hervor. Dafür kann der fb natürlich teilweise herzlich wenig, und ich finde diesen optimismus faszinierend, aber ich denke, dass die kritische auseinandersetzung in der ethnologie bis heute einen sehr kleinen teil einnimmt und dass das allerwichitgste eine interdisziplinäre zusammenarbeit wäre.

  2. Hi Laura, danke für die freundlichen Worte (obwohl ich nicht sicher bin was du meinst mit “selbstverständlichkeit des gedanklich kritischen fortschrittes, von der hier ausgegangen wird”)

    Ja, der Interdiziplinarität gehört die Zukunft, ich glaube die meisten sehen das so und auch viele Ethnologen u.a. arbeiten ja interdisziplinär. Nur ist es wohl nicht so leicht, Strukturen zu ändern. Universitäten sind sehr konservative Institutionen.

    Eine positive Entwicklung im Fach ist die Umbenennung in Sozial- oder Kulturanthropologie. Völkerkunde benutzt auch niemand mehr. Volkskunde – ein Fach, das es kaum ausserhalb des Herder-infizierten deutschsprachigen Raums gibt – ausser Osteuropa vielleicht – könnte man abschaffen und Teil der Sozialanthropologie oder Geschichtswissenschaften werden lassen?

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