Die Berner Ethnologie oder „Institut für Sozialanthropologie" - so die Bezeichnung seit 1.September hatte schon immer einer der besten Ethnologieseiten. Gerade entdeckt, dass das Institut saemtliche Feldforschungsarbeiten des vergangenen Sommersemesters ins Netz gestellt hat. UPDATE (30.3.06): Die Links funktionieren nach einer Umstrukturierung der Berner Ethnologie nicht mehr, es gibt eine Kopie im Internetarchiv) Das Thema lautet "Jagen und Sammeln". Der erste Gedanken geht Richtung traditionelle Ethnografie im afrikanischen Busch, doch die Studenten waren sehr kreativ bei der Wahl ihrer Themen.
Merkwuerdigerweise basieren mehrere Studien lediglich auf Frageboegen (was ist daran ethnologisch?) und nicht auf teilnehmender Beobachtung. Die Erlebnisse im Feld kommen leider oft zu kurz (zuviel Theorie!) - dennoch hier ist viel Interessantes zu lesen
Hier ein paar Beispiele:
SCHUHE - Die Sammelwut der Frau. Stephanie Nathalie Stüdle hat beobachtet wie Frauen Schuhe kaufen und Interviews gefuehrt: "Eine Frau kann sich weder auf einen Mann noch auf ein Paar Schuhe beschränken, eine Frau macht keine Kompromisse beim Schuhkauf und bei ihren Beziehungen mit Männern."
Junge Maenner in der ICF (International Christian Fellowship): Jagd nach Jesus Christus oder Sammeln von Freunden Franziska Fankhauser, Dalila Ingold, Florence Reichmuth und Len Schiess haben einen Gottesdienst der ICF- Church besucht und Glaeubige interviewt.
„Es chunnt gar nid druf a was du eigentlech verzeusch“. Mitgliederjäger und ihre Strategie. Die Rolle der Zuneigung im Tausch zwischen Jäger und Opfer Joëlle Glauser und Andreas von Känel beobachteten und interviewten die - in der Regel nervigen - Mitgliedersammler humanitaerer Organisationen. Sehr lustig ihre Versuche, sich als Restaurantgaeste - im Freien sitzend) zu tarnen, s.9ff.
Erfahrungen sammeln in einer fremden Kultur. Der Versuch sich als Austauschschülerin in eine fremde Gesellschaft zu integrieren Gabriela Rauber und Sandra Mooser interviewten Austauschschülerinnen.
Download von Musik bei StudentInnen: Bewusstes Suchen oder reine Willkür? Annick Vollmar, Annick Wangler, Ksenija Vujotić und Fabienne Studer interessierte besonders das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Bezug auf ihren persönlichen Downloadkonsum. Auf Frageboegen basierend.
Jagen und Sammeln nach dem „Selbst“ Ariane Schneider, Michelle Harnisch, Michèle Reist und Anna Wyss interessierte: Welche Art von Erfahrungen sammeln Studentinnen und Studenten, um sich selbst näher zu kommen? Basiert auf Frageboegen
Jagd nach Bekanntschaften Sarah Ryser, Nathalie Waser, Laura Weidmann untersuchten die Motivation und das Vorgehen bei Bekanntschaftsschliessungen - leider nur via Fragebogen.
>> Uebersicht ueber alle Feldforschungsarbeiten
Das Fragebogenphänomen ist bezeichnend. Es ist mir jüngst im letzten Projekt begegnet. Der Unterschied zwischen qualitativer und quanitativer Forschung - wobei ich keines über das andere stellen möchte; beide sind unverzichtbar - war vielen meiner Kommilitonen nicht klar. Naja wie auch, wenn man Geschichte, Methoden, Theorie und Praxis der Ethnologie in zwei zweistündigen Seminaren unterbringt und dann erwartet, daß die Leute im Hauptstudium und fortan in der Lage sind, selbstständig Ethnographie zu betreiben.