(via lightning.antville.org) Eine sehr schön geschriebene Geschichte in der taz über eine Ethnologin, die fuer ihre Doktorarbeit die Stammeskultur in Berliner Clubs erforscht. Das Thema: “alternative Technoszene”.
Anna Schöne steht allein an der Bar. Sie trägt eine modische Achtzigerjahrefrisur und ein ärmelloses, neonrosa Top mit russischen Sportabzeichen. Ihr Blick wandert langsam durch den Raum und streift jeden der Anwesenden. “Ich arbeite wie eine Kamera”, erklärt sie. “Ich versuche, erst einmal alles aufzunehmen.”
Anna Schöne ist Ethnologin.
Sie untersucht grundlegende Fragen zum Leben in der Stadt:
“Inwieweit lässt eine Stadt eine bestimmte Szene zu? Und inwieweit nimmt eine Szene die Gegebenheiten einer Stadt auf und entwickelt auch aus dem Ideellen, das wir mit einer Stadt verbinden, einen bestimmten Stil? Die Analyse der Szene als urbaner Akteur stellt bisher ein soziologisches Defizit dar.” Viel zu lange, glaubt sie, ist Subkultur als bloße Gegenkultur verstanden worden. “Das Spezifische an der Subkultur ist, dass sie das, was unsere Kultur ausmacht, bewusst macht, ausdrückt und in Begriffe und einen Stil bringt.”
taz-Autor Matthias Andreae beschreibt auch sehr schoen wie die Ethnologin – wie es sich gehoert – teilnehmend beobachtet. Zusehr? Sogar den Leitspruch “Don#t fuck the natives” fordert sie heraus.
Auch Schöne ist von den anderen Szenegängern auf der Tanzfläche kaum zu unterscheiden. Die langen dunkelbraunen Haare fallen ihr ins Gesicht. Sie reckt die geballte Faust in die Höhe und hüpft im Takt der Musik auf und ab. Mehr und mehr scheint sie selbst Teil dieser Welt zu werden.
Interessant ihre Einschaetzung von Ethnologen. Laesst sich das so verallgemeinern?
“Alle Ethnologen sind Ersatzabweichler. Sie fühlen sich zu exotischen Milieus hingezogen, ihnen fehlt aber der Mut, selbst einen solchen Lebensentwurf zu verwirklichen. Deshalb unternehmen sie nur Ausflüge mit Rückfahrkarte.”
>> zum Bericht in der taz: Die Argonauten des östlichen Berlins
PS: Erst als ich den Beitrag fertiggeschrieben hatte, bemerkt, dass der Text nicht gestern (27.1.), sondern bereits am 27.12.03 veroeffntlicht wurde. Ueber Anna Schöne ist merkwuerdigerweise seitdem nix im Netz erschienen
“Matthias Andreae beschreibt auch sehr schoen wie die Ethnologin – wie es sich gehoert – teilnehmend beobachtet. Zusehr?
Sogar den Leitspruch “Don#t fuck the natives” fordert sie heraus. (…) “
Wodurch genau tut sie das deiner Ansicht nach ?
War eigentlich nur so halb ironisch gemeint, oder eigentlich wars eine Frage? Ist ja ein Standardproblem fuer viele – dieses Spannungsfeld Naehe und Distanz. Der taz-Autor spricht dies auch an.
“Pass auf dass Du kein HipHopper wirst”, mahnten mich z.B. meine Mitbewohnerinnen, als je laenger ich unter HipHoppern forschte, immer mehr HipHop-Sound aus meinem Zimmer kam. Ich hab Philipp Bougois zitiert, der sagt:
“War eigentlich nur so halb ironisch gemeint, oder eigentlich wars eine Frage?”
Verstehe.
“.. This leads to a unconscious self-censorship (…)” (BOURGOIS 1995:14).
Na was der wohl von Dichter Teilnahme hält, der Bourgois.. ? hm.
Ich bezweifele, daß diese Selbstzensur zwingend unbewußt stattfindet.
Zu der Ausgangs Frage von Orange ein Zitat aus dem Artikel:
Mit den Schwierigkeiten der ethnologischen Feldforschung hat sie allerdings immer noch zu kämpfen: “Es gibt den Ethnologenethos: No sex with the natives. Aber ich habe mit der Distanz so meine Probleme.” Sie lacht. “Ständig verliebe ich mich in irgendwelche Typen.” (letztes Drittel)
Ja. Aber wie geht sie damit um ?
Die Feststellung, daß die ethnologische Distanz ein Konstrukt ist, das die “Wissenschaftlichkeit” der Forschung mitgewährleisten solle, und daß es in der Praxis anders aussehen kann, ist ja nur die halbe Miete.