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Transnationalmannschaft: Mehr für Deutschland als die Deutschen

Wer sagt denn, die Bevölkerung interessiere sich nicht für eine differenzierte Darstellung von Themen wie Einwanderung und Identität?

Das Kino war ausverkauft als Ethnologe und Regisseur Philipp Kohl seinen Film “Transnationalmannschaft” vorführte. Es ist ein Film über das Mannheimer Quartier Jungbusch, einem “hochdynamischen Schmelztiegel aus sozialer Unterschicht, Bohéme und den verschiedensten ethnischen Einflüssen”, wie die Weinheimer Nachrichten / Odenwälder Zeitung es formuliert:

Der Ethnologe hat in langer Vorarbeit das Vertrauen seiner Protagonisten gewonnen, die im Gespräch ein authentisches Bild von diesem Fleckchen Erde im Rhein-Neckar-Delta zeichnen. Tiefgründig beleuchtet Kohl die persönlichen Implikationen dessen, was es bedeutet, jenseits der eigenen kulturellen Wurzeln aufzuwachsen oder zu leben, die Schwierigkeiten und Erfolge bei der Suche nach kultureller oder nationaler Identität.

Die Fussball-WM ist ein zentrales Thema im Film. Der Ethnologe sorgte für Erstaunen beim Kinopublikum. Im Film sind auch die Migranten alle begeisterte Anhänger der deutschen Nationalmannschaft – die ohnehin eher eine “Transnationalmannschaft” sei. “Die Migranten”, sagte er bei der Vorführung, “sind mehr für Deutschland als die Deutschen selbst.”

Philipp Kohl hat seine Magisterarbeit auch über das Quartier geschrieben.

>> weiter in Weinheimer Nachrichten / Odenwälder Zeitung

Auch der Stern hatte bereits sehr positiv über den Film geschrieben.

Auf der Webseite des Films gibt es mehr Medienstimmen, einen Trailer und sogar auch Lehrmaterial für Schulen (pdf).

Hier ist der Trailer…

[video:vimeo:24420830]

… und hier ein Interview mit dem Ethnologen (Embedden klappt nicht).

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Das Kino war ausverkauft als Ethnologe und Regisseur Philipp Kohl seinen Film “Transnationalmannschaft” vorführte. Es ist ein Film über das Mannheimer Quartier…

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Vuvuzelas und das ungleiche Verhältnis zwischen Nord und Süd

Foto: Axel Bührmann, flickr

Die WM scheint Ethnologen zu inspirieren. Mehr und mehr Ethnologen äussern sich zur WM in Süd-Afrika, nun auch zu den Vuvuzelas, den Plastiktrompeten, die manchen Fussball-Fans im Norden am liebsten verbieten würden.

Ja, sie sind laut, doch so ist das immer in Fussballstadien. Ist es so schwierig andere Traditionen respektieren? Ist hier ein (antidemokratischer) Trend zu beobachten in West- und Nordeuropa, wo Traditionen, die man nicht mag oder versteht (wie Hijab oder Burqa) versucht zu verbieten?

Doch nun bekommt das Anti-Vuvuzela-Lager Hilfe von zwei Südafrika-Experten. “Kulturlüge: Vuvuzelas sind reiner WM-Marketinggag. Fans gehen vorgegaukeltem Bezug auf Tradition auf den Leim”, meldet die Agentur pressetext.

Gero Erdmann vom Leipzig-Institut für Globale und Regionale Studien sagt:

Die Vuvuzela ist noch sehr jung und wurde vor neun Jahren erfunden. Das traditionelle Instrument, auf das sich der Erfinder in der Vermarktung bezieht, war in der Kultur kaum präsent.

Der Würzburger Musikethnologe Bernd Clausen meint auch, der Anschluss an traditionelle Musikinstrumente sei weitgehend aus der Luft gegriffen und spricht von einem Marketing-Gag.

Doch auch junge Traditionen haben Bedeutung. Vielleicht hätten den deutschen Forscher postkoloniale Perspektiven gut getan?

Graham Hough-Cornwell hat den Diskurs vor allem auf Twitter analysiert und schreibt auf anthropologyworks:

A large portion of the tweets fall along Westerners vs. Africa, neo-imperial fault lines. Some see the vuvuzela issue as Westerners trying to control an important part of South African sporting culture

Er kritisiert auch den “Ethnozentrismus” der Kritiker, die meinen Vuvuzelas “ruinierten die traditionelle Fussballatmosfäre” mit Supportergesängen:

This particular Twitter user fails to recognize that different parts of the world have their own fan traditions, and the songs and chants familiar to many European audiences may not be so “traditional” elsewhere. In other places, drums or horns — a variation on the vuvuzela, the corneta, is popular in Latin America — might create the sound of a soccer match.

Sind es eigentlich nur die Südafrikaner, die mit den Vuvuzelas heruntröten, fragt Norman Schräpel auf wildesdenken.de? Keineswegs. Alle Nationen tröten. “Schlagen die ehemals Kolonialisierten zurück? Ja, denn die Welt trötet mit und das ist gut so”, meint der Ethnologe.

Derweil untersucht Ethnologe Matthias Gruber einen anderen Aspekt der WM, der das ungleiche Verhältnis zwischen Nord und Süd problematisiert: gefälschte Markenartikel, sogenannte Fong Kongs. Darunter befinden sich auch Trikots. Der Preis eines Original-Trikot kostet in einem Sportgeschäft in Abidjan 35 000 Francs (knapp 54 Euro) – mehr als ein durchschnittlicher Monatsverdienst, erfahren wir im Handelsblatt. Kein Wunder also, , dass die große Nachfrage nach den Hemden der Nationalmannschaft eine ganze Fälscherindustrie hervorgebracht hat

Der Handel mit Fong Kongs sei seit der Weltmeisterschaft auf Druck der Fifa zur Zielscheibe täglicher Polizeieinsätze gegen Händler und Kunden geworden. Verkäufer würden abgeführt, die Waren vernichtet, berichtet der Ethnologe:

“Diese Einschränkungen werden von vielen als ungerecht wahrgenommen und als Beispiel asymmetrischer Hierarchien zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden verstanden.”

Von Matthias Gruber gibt es auch den Text Fussball in Südafrika (Journal Ethnologie)

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Foto: Axel Bührmann, flickr

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Ja, sie sind laut, doch…

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Homosexualität: “Fussball so konservativ wie die Feuerwehr”

Schwulsein und Fussballspielen gelten weiterhin als miteinander unvereinbar, sagt Europäische Ethnologin Tatjana Eggeling in einem Interview in der Jungen Welt. Fussball sei so konservativ wie die Feuerwehr.

Eggeling forscht seit mehreren Jahren über Homosexualität im Sport. Seit kurzem berät sie auch schwule Profifußballer.

Sie sagt u.a.

Selbstverständlich gibt es schwule Profifußballer. Doch sie haben über Jahre erfahren, daß Schwulsein und Fußballspielen gemeinhin als unvereinbar miteinander gelten. Diese Ansicht teilen viele Spieler, Funktionäre, Trainer und Fans im Fußball. Einige Spieler finden die Vorstellung, es gäbe in ihrem Team Schwule, vollkommen absurd. Das wissen und spüren auch die Betroffenen, selbst wenn gar nicht darüber gesprochen wird. Sie halten also ihre Homosexualität sorgsam verborgen.

Homophobie gibt es in allen Bereichen des Fußballs, nicht nur unter den Fans, sondern auch unter Trainern, Betreuern, Physiotherapeuten, Vereinsfunktionären und Schiedsrichtern. Sie alle sind mit denselben im Fußball herrschenden Werten und Vorstellungen groß geworden und bisher wenig dazu herausgefordert worden, diese zu hinterfragen.

Angeführt von seinem Präsidenten Theo Zwanziger finde jedoch im DFB seit einiger Zeit ein Umdenken statt und die Offenheit gegenüber Minderheiten sei gestiegen:

Man hat dort erkannt, daß schwule Spieler wegen ihrer sexuellen Orientierung genauso wenig diskriminiert werden dürfen wie nichtweiße Spieler wegen ihrer Hautfarbe. Der DFB will gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und die Integrationskraft des Fußballs bekräftigen.

>> zum interview in der Jungen Welt

Eggeling hat habilitiert über “Homosexualität im Sport”

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Neue Ethmundo-Ausgabe über Sport

EM

Uebermorgen findet es statt, das Endspiel zwischen Deutschland und Spanien. Passend zur Fussball-Europameisterschaft ist nun die allerneueste Ausgabe von Ethmundo zum Thema Sport im Netz.

Fussball ist eines von vielen Themen. Faszination Fußball – grenzenlos?! fraegt sich Caro Kim und zeigt auf, dass Fussball seinen besonderen Sinn durch die Mythen und Riten, die sich um Stadien, Vereinsentstehungen oder bestimmte Spiele ranken, erhält.

Fussball hat religiöse Dimensionen. Stadien – die sakralisierten Tempel der Moderne. Fans als Gläubige. Fangesänge – eine Art Glaubensbekenntnis. Spieler als verehrte, angebetete Heilige?

Fussball, so Caro Kim, ist von Bedeutung für die Konstruktion persönlicher und nationaler Identität. “Wir sind wieder wer”, hiess es als Deutschland 1954 Weltmeister wurde. Statt wie einst Krieg zwischen den Dörfern zu führen, wird die Rivalität heute in Fußballturnieren ausgetragen, hat der Ethnologe Karl-Heinz Kohl auf der Insel Flores in Indonesien beobachtet.

Auch interessant: Im Text Nationalismus auf der Straße und in den Medien vergleicht Katrin Krause die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung über die WM 2006 mit der WM 1974. Nationalbewusstsein und Patriotismus waren damals kaum ein Thema, Nationalspieler Paul Breitner hielt das Singen der deutschen Nationalhymne für überflüssig.

Dies hat sich geändert, und Krause spricht von der Entwicklung eines “positiven Nationalbewusstseins”. Wie man auf dem obigen Bild, das ich während des Spiels Deutschland-Polen machte, werden auch in Oslo eifrig deutsche Fahnen geschwenkt. Auffallend: Während des Abspielens der Nationalhymne erhoben sich viele deutsche Migranten und sangen mit.

Wie es sich gehört für Ethnologen, die über Sport schreiben, mischt man sich unter die “natives” und probiert Sportarten selbst aus. Simone Schubert schreibt von einem Selbstversuch im Drachenfliegen und Tobias Lickes mischte sich unter die Unterwasserrugby-Spieler.

>> zur Übersicht über alle Artikel der neuen Ethmundo-Ausgabe

Trotz nationalistischer Berichterstattung, soll der Erfolg der türkischen Mannschaft bei der EM für neue Töne im Miteinander gesorgt haben, meldet die Welt.

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“Männlichkeit im Fussball ist eine echte Forschungslücke”

“Ich glaube nicht, dass Fußball ohne Männlichkeitskult und den Ausschluss von Weiblichkeit möglich ist”, sagt Ethnologin Almut Sülzle in einem Interview mit den Standard.

Drei Jahre lang ist Almut Sülzle in Fussballstadien auf Feldforschung gegangen. Sie steht kurz vor Abschluss ihrer Dissertation an der Universität Marburg zum Thema „Fussball und Männlichkeit“. “Männlichkeit im Fussball ist eine echte Forschungslücke”, meint sie – trotz einer seit Jahren boomenden sozialwissenschaftlichen Forschung zum Thema Fussball. “Die Forscher sind eben selbst Männer und Fussballfans.”

Feltarbeit im Stadion ist faszinierend, sagt sie – nicht zuletzt auch weil sich im Stadion alle Schichten, vom Manager bis zum Arbeitslosen, finden. Die gesellschaftlichen Schranken werden dort teilweise aufgehoben. Und es gibt jede Menge weibliche Fussballfans. Die Ethnologin ist zum Fan von Fussballfankulturen geworden:

Weibliche Fußballfans genießen es, nicht auf die Rolle der Frau festgeschrieben zu sein. Sie können vieles ausprobieren, was für Männer reserviert ist. Im Stadion darf eine Frau auch einmal wüst schreien und fluchen. Alles, was rosa und zickig ist, hat im Stadion nichts verloren. Was mich fasziniert, ist der Zusammenhalt unter den Frauen und der ironische Umgang mit Sexismus. Frauenfanklubs nennen sich „Titten auswärts“ oder „Hooligänse“.

>> zum Interview im Standard

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“Faszination Fußball” im Hamburger Völkerkundemuseum

Fussball: Keineswegs nebensächlich für Ethnologen

"Ich glaube nicht, dass Fußball ohne Männlichkeitskult und den Ausschluss von Weiblichkeit möglich ist", sagt Ethnologin Almut Sülzle in einem Interview mit den Standard.

Drei Jahre lang ist Almut Sülzle in Fussballstadien auf Feldforschung gegangen. Sie steht kurz vor…

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