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Frauenpower, Juden und Muslime: Journal Ethnologie 1/2007 über den Iran

Viel Interessantes gibt es zu lesen in der neuen Ausgabe von Journal Ethnologie zum Thema Iran, die in Kooperation mit der iranischen Ethnologin Shahnaz Nadjmabadi entstanden ist.

Hier ein Ueberblick ueber die Texte:

Mehdy Naficy: Die Jüdische Anlage in Isfahan, Iran. Ein Feldforschungsbericht
Wenn man in der Geschichte zurückblickt, so waren die Beziehungen zwischen Juden und Muslimen weniger spannungsreich als die zwischen Juden und Christen. Vor allem das Verhältnis der Juden zu den Iranern (Persern) war immer gut, und historische Fakten belegen diese Aussage.

Ulrich Marzolph: Der Märtyrer und das Paradies. Schiitische Megaposter als Ausdruck des normativen Gedenkens
Wer heute nach Teheran reist, dem wird bereits bei der Fahrt vom Flughafen ins Zentrum ein Phänomen auffallen, das besonders in den späten 1990er-Jahren immer mehr um sich gegriffen hat: Die zu den Straßen hin liegenden fensterlosen Wände der großen Wohnblocks und Geschäftshäuser sind mit Megapostern verziert. Sie sind ein von religiös-politischen Organisationen genutztes Medium, die Märtyrer darstellen, die im Dienste des schiitisch-islamischen Bekenntnisses ihr Leben gelassen haben.

Erika Friedl: Dornen im Ehebett. Eheprobleme im modernen Iran
Es gibt mehr und mehr unverheiratete junge Menschen, die im Elternhaus, in Studentenheimen Wohngemeinschaften und – in den Städten – auch ganz allein leben. Aber auch die Scheidungszahlen steigen an. Junge Leute lassen sich nicht mehr einfach von den Eltern verheiraten, sie verlangen zumindest Mitspracherecht in der Wahl des Ehepartners. Überall im Iran wird über diese neuen sozialen Trends diskutiert.

Mary Elaine Hegland: Großmutter lebt allein in ihrem Häuschen. Alte Frauen in einem iranischen Dorf
Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass eine Schwiegertochter der Mutter ihres Mannes ohne Widerrede gehorcht, für sie arbeitet, oder sich von ihr bekritteln oder kontrollieren lässt. Dieser Wandel von traditionellen zu modernen persönlichen Beziehungen hat schwerwiegenden Einfluss auf das Leben der älteren Frauen.

Barbara Aboueldahab: “Wir können auch denken!” Iranische Frauenpower bei der RoboCup Soccer-WM 2006
In einem fußballverrückten Land wie dem Iran macht auch dieser Sport vor den Frauen nicht halt. Laut Umfragen sind 60 Prozent aller Fußballfans weiblich. Diese Fußballbegeisterung könnte auch der Grund für die hohe Beteiligung von iranischen Frauen bei der diesjährigen Roboter-Fußball-WM, dem RoboCup sein.

Shahnaz Nadjmabadi: Bandar-e Lengeh, die „Braut“ am Persischen Golf. Eine Ethnologin unter Seeleuten
Der Prozess der sich im Wandel befindenden lokalen Handelstradition in Bandar-e Lengeh und die Entschlüsselung der Netzwerke, die die iranische und arabische Welt miteinander verbinden, stehen im Mittelpunkt meiner ethnologischen Forschungen in diesem Raum.

SIEHE AUCH:

Oxford to Host First Conference on Visual Anthropology of Iran

Visual ethnography and Kurdish anthropology by Kameel Ahmady

Censorship of research in the USA: Iranians not allowed to publish papers

Viel Interessantes gibt es zu lesen in der neuen Ausgabe von Journal Ethnologie zum Thema Iran, die in Kooperation mit der iranischen Ethnologin Shahnaz Nadjmabadi entstanden ist.

Hier ein Ueberblick ueber die Texte:

Mehdy Naficy: Die Jüdische Anlage in Isfahan, Iran. Ein…

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Zidane’s Kopfstoss: Helfen ethnologische Erklärungen weiter?

Warum hat Zidane Materazzi im Finale der Fussball-WM mit einem Kopfstoss zu Boden gebracht? Warum hat er ihn nicht geboxt, getreten oder geschlagen? Ethnologe Thomas Hauschild macht sich ein paar Gedanken ueber – in seiner Ansicht – “eine der emblematischsten und faszinierendsten Szenen der jüngsten Kulturgeschichte”. Fast alle Konfliktlinien, die die Gegenwart prägen, so der Ethnologe euphorisch, lassen sich dort studieren.

Solche Worte lassen erstmal aufhorchen: Sind nun wieder Ethnologen dabei, zu kulturalisieren, Handlungen ueberzuinterpretieren? Doch die Ausgangsfrage ist durchaus legitim, und wir alle – oder viele unter uns – werden uns wohl ueber Zidanes Kopfstoss gewundert haben. Fuer Mittelmeerethnologen, so Hauschild, ist dieser Kopfstoss gar nicht ueberraschend. Im “mediterranen Ehrbegriff” spielen naemlich Kopfstoesse (und Hornsymbolik) eine zentrale Rolle. Doch den Kopfstoss allein mit dem Konzept der Ehre zu erklaeren greift zu kurz. Genauso wichtig, so Hauschild weiter, ist es, den Klassenbegriff mit in die Analyse einzubringen.

Der Ethnologe schreibt:

Die zum Ziegengehörn gereckten Finger signalisieren, daß das Gegenüber sich benimmt wie ein Ziegenbock – die mächtigeren Böcke lassen nach der Begattung auch jüngere Männchen an ihre Weibchen heran. Ein Klatscher der linken Hand gegen den rechten Oberarm, manchmal verbunden mit nach hinten gebogenen Fingern aber signalisiert den Widder. Sein Kopfstoß ist bei Hirten zu Recht gefürchtet und trifft jeden, den er zu nah bei seinen Weibchen sieht.
(…)
Zidane verpaßte also dem Italiener einen Widderstoß: Zidanes Kopfstoß wandelt die klassischen Themen der Ehrsymbolik virtuos in ein internationales Fußballdrama um.

(..)

Er hat vielleicht gehandelt wie ein algerischer Hirte, aber er hing dabei nicht am langen Faden der Tradition, sondern er hat als moderner selbstbewußter Aufsteiger gehandelt, der am Endpunkt seiner Karriere Zeichen setzt. Die Zeichen gelten nicht islamischen Moralaposteln, sondern in paradoxer Weise auch einem Teil jener Kinder, derentwegen er sich nun wieder so schämen muß.

Es sind die Kinder aus den Banlieues. Es sind also nicht die auf ihre Ehre bedachten Kinder der algerischen Hirten, um die es geht. (…) La Castellane, der von Migranten und ihren Nachfahren bevölkerte Vorort von Marseille, aus dem Zidane stammt, ist der primäre räumliche Bezugspunkt seines Aktes im Olympiastadion, nicht Algerien allein oder der Mittelmeerraum an sich.

[Zidane hat] allen Franzosen und der Welt gezeigt, daß man sich als “beur” nicht alles gefallen lassen muß, daß man sich wehren kann.

>> weiter in der Faz

SIEHE AUCH:

Hauschild: “Wir müssen begreifen, was es heißt, als Muslim im Westen zu leben”

Warum hat Zidane Materazzi im Finale der Fussball-WM mit einem Kopfstoss zu Boden gebracht? Warum hat er ihn nicht geboxt, getreten oder geschlagen? Ethnologe Thomas Hauschild macht sich ein paar Gedanken ueber - in seiner Ansicht - "eine…

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Ethnologe: “Deutscher WM-Patriotismus positiv”

In ein paar Stunden werden wieder die deutschen Fahnen geschwenkt – auch in Oslo (siehe Bild vom Spiel gegen Argentinien). Anders Deutsch-Bloggerin Urmila Goel ist vom Fahnenschwenken nicht angetan. Obwohl ich dem WM-Enthusiasmus nicht so kritisch gegenueberstehe, werde ich im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Einwanderern in Norwegen wieder sitzenbleiben, wenn die Deutschland-Hymne ertoent und nicht mitsingen (aber dennoch die deutsche Mannschaft anfeuern).

Urmila Goel schreibt, die Medien “überschlagen sich geradezu, ob der friedlichen WM und dem positiven Fahnenschwenken”. Kuerzlich war auch hier auf antropologi.info zu lesen World Cup Enthusiasm:”Need for a collective ritual, not nationalism”.

Der Deutschlandfunk hat nun den Berliner Ethnologen Wolfgang Kaschuba zum deutschen WM-Patriotismus befragt. Kaschuba meint, die meisten Menschen freuten sich über die deutsche Mannschaft, sie seien aber nicht nationalistisch eingestellt – und Neonazis haben da keine Chance:

Also die deutsche Fahne wurde in Kreuzberg von türkischen Lieferfahrzeugen zunächst mal hoffähig gemacht, und dann trauten sich die Deutschen natürlich auch allmählich.

(…)

Es sind keineswegs nur sozusagen nationalistische oder nationale Bedürfnisse, da mischt sich vieles. Wenn Sie genau hinschauen, wie gefeiert wird, da ist natürlich ein Stück Party mit drin, Eventkultur, es gibt sehr viele Großereignisse, die von den Menschen aufgesucht werden, und in dieser Zeit des Individualismus gibt es eben auch ganz offenbar diese andere Seite, diesen Wunsch nach Gemeinschaftserlebnissen, die nicht zu tief sein sollen, nicht zu lange dauern sollen, aber die man sucht.

(…)

Es gibt gerade auch in dieser Fankultur und in diesen Formen von Begeisterung eben ein deutliches Abgehen sozusagen von diesen harten und gröhlenden Formen nur hin eben auch zu spielerischen und zum Teil auch ironischen. Wer die deutsche Fahne trägt, hat nicht immer sozusagen dieses Stammtischdenken dahinter, sondern macht es zum Teil auch ganz spielerisch, und manche der Fahnen sind da reine Fantasieprodukte.

(…)

Ein ganz interessanter Befund, den ja auch schon einige Medien schon angestellt haben, die Neonazis bekommen in dieser patriotischen Welle kaum einen Fuß auf den Boden. Warum? Weil es offenbar eben nicht ihr Nationalismus ist, also einer, der aggressiv sich gegen andere wendet.

>> weiter beim Deutschlandfunk

Den Vogel schiesst die fahnenverhuellte Claudia Schiffer ab: “Das Topmodel zeigt, wie sexy Germany ist. Um Investitionslust zu wecken”, meldet die Sueddeutsche.

SIEHE AUCH:

Anders deutsch: Fahnen schwenken (mit vielen guten Links!)

anders deutsch: Aggressiver Nationalismus bei der WM

Anders Deutsch: Trauer und Jubel: Ich verstehe nach wie vor nicht, warum alle diesen sogenannten ‘positiven Patriotismus’ so positiv finden

World Cup: Cultural representations and why patriotism is not healthy

World Cup Enthusiasm: “Need for a collective ritual, not nationalism”

Is the Football World Cup a peacemaker?

Frauen und Fussball: Warum sich die Geschlechterklischees trotzdem halten

Fussball: Keineswegs nebensächlich für Ethnologen

“Faszination Fußball” im Hamburger Völkerkundemuseum -ueber diese Ausstellung berichtet sogar die Zeitung The National (Papua New Guinea)

Ethnologe Kurt Wachter: Von “Othello” bis Milla – Fußball in Afrika

Marc Auge: Ein Ethnologe bei der Fußball-WM

Aus der Halbdistanz – Fussballbiografien und Fussballkulturen heute (Studienprojekt des Instituts für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität Berlin)

Blickpunkt Fussball-WM: eine Form von Religion?

In ein paar Stunden werden wieder die deutschen Fahnen geschwenkt - auch in Oslo (siehe Bild vom Spiel gegen Argentinien). Anders Deutsch-Bloggerin Urmila Goel ist vom Fahnenschwenken nicht angetan. Obwohl ich dem WM-Enthusiasmus nicht so kritisch gegenueberstehe, werde ich…

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Frauen und Fussball: Warum sich die Geschlechterklischees trotzdem halten

Laut Statistik gucken etwa gleich viele Frauen wie Männer Fußball. Wieso halten sich die Geschlecherklischees dennoch? Die taz interviewt Ethnologin Almut Sülzle von der Uni Marburg. Sie promoviert über “Frauen in Männerdomänen” und ist Mitautorin des Buches “Arena der Männlichkeit. Über das Verhältnis von Fußball und Geschlecht.” Sie sagt:

Ich interpretiere das so, dass die bisher geltende selbstverständliche Gleichsetzung von Fußball und Männlichkeit mit der Thematisierung gegen eine Invasion vom Rand, die Fußballerinnen, verteidigt werden sollte.

(…)

Es ist so, dass Fußball zur Konstruktion der Männlichkeit dazugehört. Männlichkeit ist Fußball, und zwar ganz unabhängig davon, dass 50 Prozent der Männer sich nicht für Fußball interessieren.

>> zum Interview in der taz

SIEHE AUCH:

Frauensache Fußball (Deutschlandfunk)

Weibliche Fans: Die zwölfte Frau (faz)

Fußball: Arena der Männlichkeit (ORF ON Science)

Ethnologie und Fussball: “Der Fußball hat ein Problem mit der Homosexualität”

Laut Statistik gucken etwa gleich viele Frauen wie Männer Fußball. Wieso halten sich die Geschlecherklischees dennoch? Die taz interviewt Ethnologin Almut Sülzle von der Uni Marburg. Sie promoviert über "Frauen in Männerdomänen" und ist Mitautorin des Buches "Arena der Männlichkeit.…

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Ethnologie und Fussball: “Der Fußball hat ein Problem mit der Homosexualität”

Kurz vor dem Beginn der Fussball-WM haeufen sich die Berichte ueber gesellschaftliche Aspekte dieser Sportart. In der Wiener Zeitung schreibt Peter Landerl ueber das Tabu Homesexualitaet im Fussball.

Während es in der Kunst kaum Probleme bereitet, sich als Homosexueller zu outen, es selbst in der Politik möglich ist, homosexuell zu sein, ist – obwohl statistisch unmöglich – in ganz Europa kein homosexueller Fußballprofi zu finden. Es gibt sie, aber keiner von ihnen wagt es, sich zu outen. Der Fußball hat ein Problem mit der Homosexualität.

Er zitiert Tatjana Eggeling vom Institut für Kulturanthropologie und europäische Ethnologie der Universität Göttingen. Sie bezeichnet Fussball als “einer der konservativsten Bereiche unserer Gesellschaft”.

Wir erfahren auch von Initiationsriten, die dafuer sorgen sollen, dass Fußball nur von “echten, harten Kerlen” gespielt werden kann.

>> weiter in der Wienerzeitung

>> Habilitiert über “Homosexualität im Sport”

Volkskundlerin Johanna Rolshoven meint:

Je schwieriger das Geschlechterverhältnis wird und je mehr Männer unter Druck geraten, desto mehr halten sie sich vielleicht an traditionelle Männerbastionen wie den Fussball.

MEHR ZU FUSSBALL UND ETHNOLOGIE:

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Aus der Halbdistanz – Fussballbiografien und Fussballkulturen heute (Studienprojekt des Instituts für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität Berlin)

Blickpunkt Fussball-WM: eine Form von Religion?

Kurz vor dem Beginn der Fussball-WM haeufen sich die Berichte ueber gesellschaftliche Aspekte dieser Sportart. In der Wiener Zeitung schreibt Peter Landerl ueber das Tabu Homesexualitaet im Fussball.

Während es in der Kunst kaum Probleme bereitet, sich als Homosexueller zu…

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