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Suedsee-Phantasien? Neuausgabe von Georg Forster’s “Reise um die Welt” bereits ein Bestseller

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Als “Gründungsvater” der deutschen Ethnologie und literarischen Reisebeschreibung wird er gerne beschrieben. Nun ist Georg Forsters “Reise um die Welt”230 Jahre nach der Erstveröffentlichung, in der ursprünglich geplanten Form herausgekommen – inklusive Forsters eigenen Illustrationen.

“Dieses zugegebenermaßen kostspielige Buch ist bereits zu einem Bestseller geworden”, stellt das Deutschlandradio fest. Das versteht man, wenn man es vor sich sieht, so das Deutschlandradio: “auf dem Cover eines jener traumhaft schönen Aquarelle von Forster, eine Seeschwalbe im Flug, im Hintergrund das Meer”.

Der Zusammenstellung auf buecher.de zufolge haben Rezensenten nur Positives ueber das Buch zu sagen, nicht zuletzt auch was die Beschreibung der Suedseebewohner anbelangt. Forster war Teil der obligatorischen Literatur waehrend meines Ethnologiestudiums. Ich war alles andere als ueberzeugt. In meinen Notizen steht “habe text mit steigender irritation gelesen. er wertet mehr als dass er beschreibt. man muss seine werte teilen, um freude am lesen zu haben.”

Forster schreibt oft sehr abschaetzig ueber die Menschen, die er antrifft. “Sie sehen wie die hässlichsten Neger aus”, schreibt er ueber die Bewohner auf Cap Verde. Und: “Es ist natürlich, dass die Bewohner des heissen Erdstrichs eine Neigung zur Faulheit haben… hoffen lassen, dass diese Inseln wichtig und einträglich gemacht werden könnten, wenn sie einem arbeitsamen, unternehmenden und handlungstreibenden Volke zugehörten.”

Und: “indessen ist es vielleicht die tiefe barbarei, in welcher sich die neu-seeländer befinden, und die immer nur das gesetz des stärkeren erkennt, schuld daran, dass sie mehr als jedes andre volk der erde geneigt sind, ihren mitmenschen bei der ersten gelegenheit umzubringen, so bald rachsucht oder beleidigung sie dazu auffordert…”

Mehr Freude hatte ich an Cook und (ganz besonders) Montaigne

Forsters Aufzeichnungen kann man auch online lesen beim Projekt Gutenberg.

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Als "Gründungsvater" der deutschen Ethnologie und literarischen Reisebeschreibung wird er gerne beschrieben. Nun ist Georg Forsters "Reise um die Welt" - 230 Jahre nach der Erstveröffentlichung, in der ursprünglich geplanten Form herausgekommen - inklusive Forsters eigenen Illustrationen.

"Dieses zugegebenermaßen…

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Alkoholismus und Selbstmorde bei den Inuit: “Kolonisierung hat Schuld”

Die WoZ interviewt Ethnologen Yvon Csonka, der ueber Zwangsumsiedlungen von Inuit in Kanada und Grönland forscht:

Angefangen hat das zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. In Kanada zum Beispiel war bis 1945 gar nicht klar, ob Inuit überhaupt kanadische Staatsbürger sind. Erst als wegen des Kriegs im Norden Militärstationen gebaut wurden, realisierte man, dass es dort eine Bevölkerung gibt. Zur selben Zeit baute die Regierung ihr Wohlfahrtssystem aus. (…) Damit (die Kinder) zur Schule gehen konnten, sollten sie auch in der Nähe einer Schule leben. Also überzeugte man die Familien, dorthin zu ziehen, wo Schulen entstanden – namentlich in Orte, wo es bereits eine Polizeistation oder eine religiöse Mission gab. Einer der ersten Schritte war also, die Nomaden zu sesshaften Bürgern zu machen.

Eine andere Zwangsumsiedlung: In 1953 errichtete die US-Armee in der Nähe von Thule, im Nordwesten Grønlands einen Armeestützpunkt:

Ja, die dänische Regierung erteilte den Amerikanern grünes Licht für den Bau – ohne die Menschen, die dort lebten, nach ihrer Meinung zu fragen. Die mussten von einem Tag auf den andern umziehen. Man hatte ihnen Grosses versprochen: wunderbare neue Dörfer mit schönen Häusern und finanzielle Kompensation. Dort angekommen aber sahen sie, dass das leere Versprechen waren. Erst viel später wurde das Versäumte nachgeholt.

Derzeit forciert die Regierung auf Grönland den Umzug von in kleinen Siedlungen lebenden Menschen in grössere Dörfer und Städte. Ein riesiges Aluminiumwerk ist geplant. Dafür müssten dann Tausende von Arbeitern in Fabriknähe verlegt werden.

Bringen diese Verän­derungen auch etwas Positives mit sich? Für wen hat sich die Situation verbessert, für wen nicht? Dies versucht der Ethnologe herauszufinden.

Doch Grønland hat mit vielen Problemen zu kaempfen: Alkoholismus, Kindsmissbrauch und die vielen Selbstmorde. Der Ethnologe sagt:

Diese Probleme gibt es erst seit fünfzig Jahren. Sie entstanden zur gleichen Zeit, in der die sogenannte Modernisierung stattfand und in der die Bevölkerung in die Zentren geholt wurde. Es ist also klar, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den Problemen und dem den Inuit auferlegten Zwang, ihr Leben zu ändern.

Im Westen glaubte man fest an die Modernisierung und dass sie für alle gut sei. Man fand, das Nomadentum sei keine praktische Lebensform, jeder solle von den Errungenschaften und Bequemlichkeiten der Moderne profitieren können. Und dann glaubte man, diese Leute seien zu blöd, um das zu verstehen und für sich selbst zu entscheiden. Deshalb hat man für sie entschieden, ohne sie zu fragen. So lief das damals nicht nur in der Arktis, sondern in den meisten kolonialisierten Ländern ab.

Der Klimawandel wird den Inuit erneut rasche Veränderungen aufzwingen.

Können sie sich den Veränderun­gen anpassen? Menschen sind anpassungsfaehig. Auch die Inuit könnten sich anpassen, wenn die Veränderungen nicht so schnell passieren würden, so der Ethnologe.

>> zum Interview in der WoZ

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Die WoZ interviewt Ethnologen Yvon Csonka, der ueber Zwangsumsiedlungen von Inuit in Kanada und Grönland forscht:

Angefangen hat das zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. In Kanada zum Beispiel war bis 1945 gar nicht klar, ob Inuit überhaupt kanadische Staatsbürger sind. Erst…

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Australiens “gestohlene Kinder” – Eine anthropologische Auseinandersetzung

Stefan Haderer von der Uni Wien hat mir einen Essay geschickt, der auf seiner Diplomarbeit über Australiens rassisistischer Politik gegenüber Aboriginees basiert. Er schreibt über Australiens “gestohlene Kinder” – Kinder mit einem Aborigines- und einem europäischen Elternteil, die vor der Pubertät zwangshaft von ihren Eltern entfernt werden sollten, um in Weißen Institutionen bis zu ihrer Unmündigkeit (mit 21 Jahren) „zivilisiert“ zu werden. Haderer wirft auch einen kritischen Blick auf die Rolle unseres Faches.
In einem “richtungweisenden Urteil” hat soeben ein australisches Gericht einem Ureinwohner Schadensersatz für die Zwangstrennung von seiner Mutter zugesprochen.

Australiens “gestohlene Kinder” – Eine anthropologische Auseinandersetzung mit der Stolen Generation
von Stefan Haderer

Einleitung

Im folgenden Essay nehme ich Bezug auf meine Diplomarbeit „Forced to be ‘civilized’ – Australia’s Stolen Generation in the Light of 20th Century Assimilation Policies” (2007), welche ich am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien geschrieben habe. Die Arbeit wird voraussichtlich im Januar 2008 allen Studierenden und Interessenten zugänglich sein. Sie basiert auf einer ethnohistorischen Forschungsmethode mit einem diskursiv-analytischen Ansatz.

Während meines Auslandsstudiums an der University of Sydney in Sydney (Juli bis November 2006) konnte ich eine Forschung vor Ort durchführen. Schriftliche Quellen, welche unter anderem auch die Interviews zahlreicher betroffener Aborigines-Männer und –Frauen beinhalten, dienten mir als Vorlage meiner Arbeit. Ebenfalls hatte ich die Erlaubnis, in australischen Staatsarchiven, welche der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, zu forschen.

Ein zentraler Ansatz für meine Arbeit war, so viele verschiedene Stimmen und Aussagen wie möglich darzustellen und die kontroversen Ansichten im Licht der Wissenschaft möglichst objektiv zu kontrastieren.

Inhalt

Meine Forschung nimmt direkten Bezug auf die Stolen Generation, die heute noch ein politisches Thema in der Politik Australiens darstellt, da sich leider PolitikerInnen weigern, die Realität des Genozids an Aborigines-Kindern anzuerkennen und sich dafür offiziell zu entschuldigen. Was aber versteht man genau unter Stolen Generation?

Im Rahmen des australisch-kolonialen Protektionssystems, welches vorsah, Aborigines als „sterbende Rasse“ zu retten und ihnen deshalb Reservate zuteilte, entstand zunehmend die Forderung nach einer Assimilationspolitik. Diese basierte nach wie vor auf sozialdarwinistischen und sozioevolutionistischen Theorien, welche die europäischen Einwanderer als „höhere weiße Rasse“ darstellten. Die Mehrheit der australischen Bevölkerung nahm diese Ansicht unhinterfragt an und schaffte somit mittels Medien, Wissenschaft und Medizin einen Diskurs, der das Leben der Aborigines und ihrer Kinder wesentlich beeinflussen sollte.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde zunehmend das „half-caste problem“ thematisiert. „Half-caste“ ist ein sozialdarwinistischer Begriff für sogenannte „Mischlingskinder“, d.h. Kinder mit einem Aborigines- und einem europäischen Elternteil. Diese Kinder wurden von angesehenen AnthropologInnen (z.B. A.P. Elkin) und WissenschaftlerInnen dieser Zeit als „rückständig“, „kulturlos“ (weil zwischen zwei Kulturen) und „unzivilisiert“ bezeichnet. Größtenteils waren es Kinder, die Opfer von Vergewaltigungen waren, welche fast täglich neben anderen Gewaltakten auf Reservaten durch Weiße Manager und Aufseher stattfanden.

Bis in die 1930er Jahre hatte die „half-caste“-Bevölkerung stark zugenommen – eine Entwicklung, die die Weiße Regierung Australiens mit Besorgnis beobachtete. Physische Anthropologen wie Cecil E. Cook und Gouverneure wie A.O. Neville und Paul Hasluck fürchteten den „Untergang der weißen Rasse“ und eine – in ihren Augen schädliche – „Vermischung der Rassen“, wie sie auch in Nazi-Deutschland zur gleichen Zeit angedroht wurde.

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In der Commonwealth State Conference, welche 1937 in Canberra unter ausnahmslos Weißen Regierungsvertretern, Gouverneuren und Akademikern abgehalten wurde, wurde schließlich gesetzlich über das Schicksal jener „half-caste“-Kinder entschieden. A.O. Neville sah eine Lösung, indem diese Kinder vor der Pubertät zwangshaft von ihren Eltern entfernt werden sollten, um in Weißen Institutionen (Erziehungsanstallten, Wohlfahrtseinrichtungen und bei Weißen Pflegefamilien) bis zu ihrer Unmündigkeit (mit 21 Jahren) „zivilisiert“ zu werden.

Dieses Programm basierte auf der Annahme einer biologischen und kulturellen Assimilation: Aboriginality sollte den Kindern „ausgetrieben“ werden, sodass in den kommenden Generationen das „half-caste problem“ nicht mehr bestünde. So sollten die dunklere Hautfarbe, die Bindung zu Land, Vorfahren und spirituellem Wissen und die indigene Muttersprache komplett eliminiert und der „weißen christlichen Norm“ angepasst werden.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Welfare Board gegründet, welches die komplette Vollmacht über Aborigines-Kinder mit hellerer Hautfarbe erhielt. Die Elternteile und Verwandten auf Reservaten wurden als „unzurechnungsfähig“ angesehen, ihre Kinder als „vernachlässigt“ (neglected). Szenen wie die gewaltsame Trennung der Kinder von ihrer Mutter in Philip Noyce’s preisgekröntem Film Rabbit-Proof Fence (2002) waren leider grausame Realität und betrafen fast jedes 3. bis 5. Kind (vgl. Healey 1998). Schätzungen von ENIAR (European Network for Indigenous Australian Rights) setzen die Zahl der entfernten Kinder auf ca. 100.000.

Nach der gewaltsamen Trennung erwartete die Kinder ein Leben in einer Welt voll psychischer und physischer Grausamkeit. Dr. Paul Read, der Begründer einer der ersten Organisationen namens Link-Up, die auf die Stolen Generation in den 1980ern aufmerksam machte und Augenzeugenberichte in ganz Australien sammelte, schätzt, dass in Institutionen jedes zehnte und in Pflegefamilien jedes fünfte Kind ein Vergewaltigungsopfer war.

Trotz internationaler Einsprüche seitens Amnesty International und der Vereinten Nationen, die als „linke Propaganda“ abgetan wurden, setzte Australien die rassistische Politik des Kindesentzugs bis 1969 fort. Die Bevölkerung war vom kollektiven und positiven Nutzen des „Wohlfahrtssystems“ fest überzeugt. Gewalt und Leid, aussichtslose Zukunftsperspektiven und Akkulturation wurden absichtlich übersehen.

Das Magazin Dawn zeigte der Öffentlichkeit lachende Gesichter von weiß gekleideten, frommen Aborigines-Kindern in Heimen wie Kinchela und Cootamundra und setzte fröhliche Leitartikel darunter, um sie vom guten Zweck der Politik zu überzeugen. Verschwiegen wurde, dass das Lächeln der Kinder aufgesetzt war, dass sie selbst im Winter keine Schuhe bekamen und hungern mussten, wenn sie ihre handwerklichen Arbeiten nicht vor Tagesanbruch beendet oder ein Fahrrad „illegal“ benutzt hatten.

Nachdem die Kinder von ihrer Unmündigkeit befreit waren, durften sie als freie Menschen ins gesellschaftliche Leben. Sie galten zwar als „zivilisiert“, doch erwartete sie ein harter Kampf. Nur in den untersten Berufen, wie etwa als work boys, farmhands und Hausbedienstete konnten sie eine Anstellung finden, da das soziale Netz nach wie vor keinen Aufstieg für Aborigines vorsah – auch nicht, wenn sie als „zivilisiert“ galten. Das Geld, das ihnen eigentlich vom Welfare Board nach Vollendung des 21. Lebensjahres zustehen sollte, wurde den Kindern meist nicht ausgehändigt oder verheimlicht.

Aufgrund der physischen und psychischen Traumata, welche die Stolen Generation nach wie vor nicht verarbeiten konnte, wurden viele der Kinder obdachlos, Alkoholiker, drogenabhängig, suizidgefährdet oder gewalttätig gegen ihre eigene Familie.

Seit den 1980ern hat sich die Situation in Australien nicht wesentlich geändert. Die Stolen Generation ist kein Mythos der Vergangenheit, eine Sünde der Vorväter, über die man besser schweigen und in die Zukunft blicken soll – wie es sich Australiens Premier John Howard und zahlreiche anderen PolitikerInnen wünschen. Sie ist noch heute präsent – auf den Straßen in den Städten Australiens, in den Gefängnissen, in den Jugendschutzheimen, wo Aborigines-Kinder nach wie vor noch die größte Zahl einnehmen, aber auch in Statistiken, in denen Aborigines die höchste Selbstmordrate der Welt aufweisen.

Die Anregungen und Wünsche jener Menschen, die von der rassistischen Assimilationspolitik betroffen waren, ist lang. Viele von ihnen konnten – mit Hilfe von Link-Up und psychologischer Aufarbeitung der Vergangenheit – ein neues Leben beginnen. Viele von ihnen drücken ihre Träume und Ängste kreativ aus – als KünstlerInnen, SängerInnen oder in Form von Gedichten. Andere sind politisch engagiert und setzen sich aktiv für indigene Rechte ein, die nach wie vor in der australischen Weißen Gesellschaft wenig Anklang finden.

Die Stolen Generation ist somit ein wesentlicher Ansatzpunkt in der Auseinandersetzung mit Rassismus. Eine wissenschaftliche anthropologische Analyse kann dazu beitragen, die Gesellschaft aufzuklären, Zusammenhänge besser zu begreifen und Zukunftsperspektiven darzustellen.

Quellenangaben

ENIAR European Network for Indigenous Australian Rights. www.eniar.org/stolengenerations.html

HEALEY, Kaye. 1998. The Stolen Generation. Issues in Society Vol. 91. Balmain:The Spinney Press.

VILLELLA, Fiona A. March 2006. “Long Road Home: Philip Noyce’s ‘Rabbit-Proof Fence’”

http://www.sensesofcinema.com/contents/01/19/rabbit.html

Stefan Haderer, Student der Kultur- und Sozialanthropologie. Kontakt: ath_steph_3000 (at) hotmail.com

Stefan Haderer von der Uni Wien hat mir einen Essay geschickt, der auf seiner Diplomarbeit über Australiens rassisistischer Politik gegenüber Aboriginees basiert. Er schreibt über Australiens "gestohlene Kinder" - Kinder mit einem Aborigines- und einem europäischen Elternteil, die vor der…

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Unsere heutigen Maerchenerzaehler

In alten Zeiten erzaehlte man sich Maerchen ueber Zwerge, Trolle und Ungeheuern. Heutige Maerchen handeln gerne um sogenannte wilde Staemme, Indianer, Kannibalen. Die faz schreibt ueber einen dieser – wie es scheint – modernen Maerchenerzaehler, Rick Williamson:

In “Tavua – Der weiße Kannibale” (Erscheinungstermin 23. Juli) behauptet Williamson, er habe auf einer Insel zwischen Australien und Neuseeland einen von der Zivilisation unberührten Pygmäenstamm entdeckt. Er sei Kannibale geworden wie sie, Oberhäuptling – und mehrfach gerade noch mit dem Leben davongekommen.

Er habe sich schaurigen Ritualen unterzogen und Dinge getan, die man keinem auch nur zu sehen wünscht. Er habe zwischen Kakerlaken geschlafen und vergammeltes rohes Fleisch gegessen. Wie sie. Kaum eine Seite, auf der er die Wildnis und ihre Bewohner nicht als “brutal”, “grausam” oder “gewalttätig” beschreibt, immerzu und überall drohen ritueller Mord und Totschlag. Auf einer DVD mit demselben sensationslüsternen Titel sieht man einen dunkelhäutigen Bogenschützen, der seinen Pfeil aus einem menschlichen Rücken zieht.

Seine Herangehensweise erzeuge Feindbilder, kritisiert die Ethnologin Sabine Hess von der Universität Heidelberg. Sie hat selbst fast zwei Jahre lang auf Vanuatu geforscht. Die heftigste Kritik kommt infolge der faz jedoch aus Vanuatu selbst. Die Zeiten, in denen Ausländer Einheimische beschrieben, ohne auf Widerspruch zu stoßen, sind lange vorbei.

Williamson hat indes schon neue Plaene: “Er will drei Protagonisten seines Buches aus dem Busch von Santo nach Neuseeland holen und die westliche Hypermoderne kommentieren lassen”, schreibt die faz.

>> zur Geschichte in der faz

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In "Tavua -…

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China: Reiche Touristen verdrängen die Naxis?

lijang
Lijang Sommer 1992

Als ich 1992 in Lijang im Suedwesten Chinas war, rund 20 lebensgefaehrliche Busstunden vom nachsten Bahnhof (Kunming) entfernt, war der Ort noch eine Art Geheimtip fuer Backpacker. Dem ist nicht mehr so. “Die Veränderungen brachen über Lijiang herein, als die Unesco die Altstadt im Jahr 1997 mit dem Titel „Weltkulturerbe“ auszeichnete”, meldet die faz:

Zehntausende strömen jeden Tag in die kleine Altstadt am Fuß des Jade-Drachen-Berges. Die Einwohner haben ihre Häuschen an Souvenirgeschäfte vermietet und sind aus dem Rummel geflohen. Jetzt ist die Altstadt voll mit Läden, Bars und Restaurants.

Lijiang, noch vor zehn Jahren eine verschlafene Stadt, ist berühmt geworden. In der auf 2400 Meter Höhe am Rand des Himalaja gelegenen Ortschaft sind große Anlagen mit luxuriösen Einfamilienhäusern entstanden. Reiche Städter aus Peking, Schanghai und anderen chinesischen Städten kaufen sich hier ein und genießen die frische Luft und die Aussicht auf die Berge.

In der Stadt Lijiang beherrschen weniger und weniger Naxi ihre eigene Sprache. Schamanen gibt es nur noch ein paar und sie geben ihr Wissen nicht mehr an die Jungen weiter, sondern an Ethnologen, lesen wir. Ihre Söhne und Enkel haben an der Religion ihrer Vorfahren kein Interesse mehr. Sie wollen lieber in der Stadt Geld verdienen.

Derweil wird die Minderheitenkultur im Tourismus vermarket. Die Naxis selbst sehen den Zustrom der Touristen aus ganz China und Übersee nicht nur negativ:

„Der Tourismus bringt Einnahmen und macht unsere Kultur bekannt“, sagt Naxi-Lehrerin Yang. „Doch sehen Sie mal, was sie mit unserer Schrift machen! Oft sind die Piktogramme auf den Souvenirs ganz falsch geschrieben!“ Alles wird eben möglichst gut vermarktet: die ureigene Kunst der Schamanen, die Bilderschrift, die Schnitzereien, die Keramik und die Malereien.

„Der Tourismus ist gut“, sagt Naxi-Forscher Li Xi, der Leiter des Dongba-Museums von Lijiang. Er bringe der armen Region Einnahmen. Tatsächlich wurden Straßen und ein Flughafen gebaut. Hotels entstanden, und die Sehenswürdigkeiten der Umgebung wurden erschlossen. „Der Tourismus hat unsere Kultur aufgewertet. Jeder kann jetzt mit unserer Kultur Geld verdienen. Wir Naxi können jetzt wieder auf unsere Kultur stolz sein. Es ist nicht mehr wie früher, als wir wegen unserer Rückständigkeit gehänselt wurden.“

Bzgl Ueberschrift der faz: Die faz bedient sich eines statischen Bildes von Kultur. Wie wir Ethnologiestudierenden bereits im 1.Semester gelernt haben: Kulturen sterben nicht aus, sondern veraendern sich.

>> zur Geschichte in der faz: Die Dongba sterben aus

>> Wikipedia ueber Naxis

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Christoph Antweiler: Fuer mehr Tourismusethnologie! – Neue Ausgabe journal-ethnologie

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Lijang Sommer 1992

Als ich 1992 in Lijang im Suedwesten Chinas war, rund 20 lebensgefaehrliche Busstunden vom nachsten Bahnhof (Kunming) entfernt, war der Ort noch eine Art Geheimtip fuer Backpacker. Dem ist nicht mehr so. "Die Veränderungen brachen über Lijiang herein,…

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