search expand

Ethnologen gründen “Forum Tsiganologische Forschung”

Es sind offenbar nur wenige Ethnologen, die sich für Roma/Zigeuner interessieren. Aus Forscherkreisen in Leipzig und Freiburg ist nun das Forum Tsiganologischer Forschung (FTF) entstanden, meldet der Deutschlandfunk.

Die Webseite des Forums ist informativ. Wir erfahren, dass das Forum schon seit drei Jahren besteht. Das FTF ist die “einzige deutsche Institution, die sich aus ethnologischer Perspektive mit den transnationalen, nationalen und lokalen Gruppen der Roma/Zigeuner beschäftigt”.

Wir sollen wir sie nennen. In Deutschland und Europa ist die adäquate Bezeichnung der Roma/Zigeuner umstritten:

Viele Roma/Zigeuner empfinden den Begriff “Zigeuner” (über dessen ethymologische Herkunft nur spekuliert werden kann) als beleidigend und propagieren stattdessen “Roma” als nichtdiskriminierende Bezeichnung (im Romani bedeutet “rom” übersetzt “Mensch”). Auf der anderen Seite plädieren jedoch andere Roma/Zigeuner für die Beibehaltung der Fremdbezeichnung, da sie den Begriff “Roma” als diskriminierend empfinden. Sie argumentieren, dass das Ethnonym einer großen Untergruppe (Roma, die vor allem im 19. Jh. aus Südosteuropa nach Westeuropa und Amerika migriert sind) als Allgemeinbezeichnung generalisiert wird und damit andere Untergruppen (z.B. Sinti, Kalé, Ashkali) zurücksetzt.

Ihr Forschungsansatz ist vielversprechend:

Wir studieren Roma/Zigeuner nicht als ethnische Einheit, sondern beschäftigen uns unter dem Paradigma eines tsiganologischen Relationismus mit einer Vielzahl von Gruppen, die sich alle durch ein interaktives Verhältnis zu ihrer gesellschaftlichen Umgebung auszeichnen. Als Minderheit sind sie immer dem Zugriff der Mehrheit (in der Romanisprache: den Gadje) ausgeliefert. Diese stereotypisiert “ihre Minderheiten” und versucht sie entweder einzugliedern oder wenigstens zu disziplinieren.

In der Geschichte dieser interethnischen Beziehung litten die Roma/Zigeuner oft unter Stigmatisierung und Diskriminierung, Rassismus und Verfolgung und auch heute haben viele Staaten große Mühen, der “weltbürgerlichen Praxis” ihrer Roma/Zigeunerminderheiten die nötige Toleranz entgegenzubringen. Roma/Zigeuner entwickeln jedoch – und das macht sie international vergleichbar – immer auch eigene Strategien, mit denen sie auf die Mehrheit und ihre Grenzen reagieren.

In Übereinstimmung mit neueren ethnologischen Ansätzen in der Tsiganologie erkennen wir in den verschiedenen Roma/Zigeunerkulturen ethnische Gruppen, die stets Teil der Mehrheitsgesellschaft und gleichzeitig eigenständiger Teil einer Minderheitenkultur sind.

(…)

Im Zentrum unserer Beschäftigung steht das Studium der Roma/Zigeunerkulturen vornehmlich mit ethnologischen Theorien und Forschungsinstrumentarien. Gleichzeitig gehen wir jedoch davon aus, daß eine transnationale Minderheit nur interdisziplinär adäquat erforscht werden kann.

>> Bericht im Deutschlandfunk

>> Webseite des Forums Tsiganologische Forschung

Es sind offenbar nur wenige Ethnologen, die sich für Roma/Zigeuner interessieren. Aus Forscherkreisen in Leipzig und Freiburg ist nun das Forum Tsiganologischer Forschung (FTF) entstanden, meldet der Deutschlandfunk.

Die Webseite des Forums ist informativ. Wir erfahren, dass das Forum schon…

Read more

Je mehr Wissenschaft, je mehr Okkultismus

buch cover

Der Glaube an verborgene Kräfte ist im angeblich rationalen Europa heute keineswegs ausgestorben. Im Gegenteil. In dem Mass, in dem Wissenschaft und Rationalität sich als Organisationsprinzipien des modernen Lebens durchsetzen konnten, stieg auch das Bedürfnis nach dem Unerklärlichen, schreibt Ethnologin / Volkskundlerin Sabine Doering-Manteuffel in ihrem neuen Buch Das Okkulte, das u.a. in der faz besprochen wird.

Sabine Doering-Manteuffel lässt ihre Geschichte des Okkulten mit der Erfindung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts beginnen. Denn die Buchdruckerkunst war die Voraussetzung für die “Erfolgsgeschichte des Okkulten”, lesen wir:

Wenn aufklärerische Geister hofften, der Buchdruck werde den Sieg der Vernunft über den Aberglauben herbeiführen, sollten sie sich getäuscht sehen. Denn gleich nach der gedruckten Heiligen Schrift entstanden “Ersatzbibeln”, in denen alle Spielarten des Aberglaubens in einem bis dahin nicht gekannten Maß verbreitet wurden: “Die Geburt der modernen Esoterik lässt sich in derselben Zeit verorten, in der Bildung und Wissenschaft aufblühten”, schreibt Sabine Doering-Manteuffel und weist nach, wie mit der Lesefähigkeit und dem Bildungsgrad der Menschen der Bedarf an Okkultem stieg.

>> weiter in der faz

Wie wir in der Besprechung im Deutschlandradio erfahren, stellt das Internet für Doering-Manteuffel “ganz allgemein ein okkultes Medium dar, in dem nicht nur unüberprüfte Informationen Wildwuchs treiben, sondern auch alle möglichen obskurantistischen, esoterischen und magischen Inhalte gepflegt werden, deren Überleben bis in die Wissensgesellschaft der Gegenwart eigentlich als erstaunlich erscheinen könnte”.

Der Begriff des “Okkulten” werde jedoch im Buch zu wenig theoretisiert:

Die noch immer schwierige Frage, wo genau die Trennlinien zwischen guter wissenschaftlicher Praxis und rationalem Wissen einerseits und okkulten Praktiken und Wissensformen andererseits zu ziehen sind, wird wenig thematisiert. Gerade diese Frage ist aber interessant. Denn ganz abgesehen davon, dass auch heute noch wissenschaftstheoretische Debatten über das Verhältnis von legitimem und illegitimem Wissen geführt werden, wird ja gerade in der frühen Neuzeit diese Abgrenzung erst etabliert.

Die Alchemie etwa ist nicht einfach “okkult”, sondern Vorläuferin sowohl von esoterischen Strömungen als auch unserer heutigen Wissenschaft Chemie. Doering-Manteuffel beschreibt in spannender Weise das Okkulte als langen Schatten der Aufklärung; wo aber genau die Grenze zwischen Schatten und Licht liegt, ist vielleicht doch etwas unklarer, als es dieses Buch an manchen Stellen vorauszusetzen scheint.

>> weiter beim Deutschlandradio

Ich war vor rund zehn Jahren fuer die Badische Zeitung auf einer Esoterik-Messe. Das war sehr exotisch, siehe meinen Bericht “Esoterik? Das ist der Weg zu mir”

SIEHE AUCH:

Forschungsprojekt untersucht Rituale in Internet

Ethnologe Thomas Hauschild: Böser Blick nicht nur im Mittelmeer

Schamanismus im Alpenraum: Uralte Praktiken wurden vom Christentum übernommen

buch cover

Der Glaube an verborgene Kräfte ist im angeblich rationalen Europa heute keineswegs ausgestorben. Im Gegenteil. In dem Mass, in dem Wissenschaft und Rationalität sich als Organisationsprinzipien des modernen Lebens durchsetzen konnten, stieg auch das Bedürfnis nach dem Unerklärlichen, schreibt Ethnologin…

Read more

Festung Europa: “Wir wollen die Schicksale hinter den Zahlen aufzeigen”

Von Globalisierung und einer Welt mit weniger Grenzen koennen die meisten Menschen auf dieser Welt nur traeumen. Fuer die Flucht nach Europa risikieren viele Afrikaner ihr Leben. NUn drehen Ethnologin Christine Moderbacher und Afrikanistin Annika Lems einen Dokumentarfilm über tunesische Bootsflüchtlinge, meldet der Standard. “Wir wollen die Schicksale hinter diesen Zahlen aufzeigen”, sagt Moderbacher.

Die beiden Filmemacher sind auch beteiligt am Projekt Storie Migranti, einem Archiv fuer Migrationsgeschichten. Dort sind auch Interviews von ihnen zu lesen mit Bootfluechtlingen auf dem Weg von Tunesien nach Italien (Interview mit Aymen / Interview mit Riadh).

Information zum Thema auch bei Borderline Europe.

SIEHE AUCH:

For free migration: Open the borders!

Why borders don’t help – An engaged anthropology of the US-Mexican border

Von Globalisierung und einer Welt mit weniger Grenzen koennen die meisten Menschen auf dieser Welt nur traeumen. Fuer die Flucht nach Europa risikieren viele Afrikaner ihr Leben. NUn drehen Ethnologin Christine Moderbacher und Afrikanistin Annika Lems einen Dokumentarfilm über tunesische…

Read more

Multimedia-Webseite: Feste – Bräuche – Traditionen in Europa

Ein Multimedia-Boom bei den Ethnologen? Kanal8 meldet, dass an der Freiburger Universität gestern die neue multimediale Datenbank folklore europaea vorgestellt worden sei. Sie dokumentiert erstmals Feste, Bräuche und Traditionen aus den verschiedenen Regionen Europas. Entwickelt wurde die Datenbank im Fach Europäische Ethnologie an der Uni Freiburg unter der Leitung von Professor Werner Mezger in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk Stuttgart (SWR).

Die Webseite ist viersprachig (deutsch, englisch, franzoesisch und italienisch) und noch im Aufbau. Ein kurzer Test ergab, dass noch ein paar Texte fehlen.

Schauen wir nach Ereignissen in dieser Woche, erfahren wir, dass am 5. Februar frueher in Aha (Breisgau-Hochschwarzwald) der Agathatag gefeiert wurde:

In Aha klebte man am Abend des Agathentags, also am 5. Februar, auf ein Brettchen Kerzen, gewöhnlich für jeden Verwandten eins, bei deren Schein alle Familienmitglieder eine gewisse Anzahl Rosenkränze beten. Das abgetropfte Wachs wurde gesammelt und zu einem Kreuzchen geknetet, das später dem Hirtenbuben oben ins Hosenbrisele, d. h. in den Hosensaum, eingenäht wurde.

Am 2. Februar ist Lichtmess. In Adelsheim (Neckar-Odenwald) fand da frueher die Kerzenweihe statt. Via Multimedia-Suche kommt man zu einer kleinen Lichtmess-Bildergalerie.

Sehr lustig ist das Video ueber das Butzentragen in Ailringen (Hohenlohe, Baden-Wuerttemberg) – ein aus Staedtersicht exotisches Ritual, das weiterhin gepflegt wird.

Die Buben des siebten Schuljahres machen seit unbekannter Zeit am 3. Fastensonntag den Butz. Mehrere Wochen vorher beginnen sie an mehreren Abenden in einem Stall das für die Einbindung verwendete Roggenstroh fein säuberlich herzurichten. Am Sonntag Oculi wird dann in einer geheimgehaltenen Scheune unter Mithilfe eines erfahrenen Mannes der Butz gebunden. Einer der Schüler wird mit dem Roggenstroh eingebunden, erst Füße und Arme, dann der ganze Junge.

Man findet auch Materialen von Braeuchen ausserhalb Deutschlands, z.B. Bilder vom Perchtenumzug in Bad Gastein bei Salzburg oder ein Video vom Basler Morgestraich (Fasnacht) oder Bilder vom Fischsuppenkochfest in Baja (Ungarn) sowie ein Interview zum Eierlaufen in Nagy Kapus (Rumaenien).

Coole Seite! Viel zu entdecken!

>> zur Webseite Feste – Bräuche – Traditionen in Europa

SIEHE AUCH:

“Wie in Afrika!” Ausstellung über archaische süddeutsche Bräuche

Musikethnologie des Alphorns – neue Multimedia-Webseite

“Mediterranean Voices” – Ethnologen mit neuer Multimedia-Datenbank im Netz

Matthias Eberl: Multimedia als Mittel der ethnologischen Darstellung

Ein Multimedia-Boom bei den Ethnologen? Kanal8 meldet, dass an der Freiburger Universität gestern die neue multimediale Datenbank folklore europaea vorgestellt worden sei. Sie dokumentiert erstmals Feste, Bräuche und Traditionen aus den verschiedenen Regionen Europas. Entwickelt wurde die Datenbank im Fach…

Read more

“Mediterranean Voices” – Ethnologen mit neuer Multimedia-Datenbank im Netz

“Mediterranean Voices – Mündliche Überlieferung und Kulturelles Brauchtum in Mittelmeer-Städten” heisst ein EU-Projekt, wofuer Ethnologen drei Jahre lang Stimmen, Klänge, Erzählungen und Eindrücke in 13 Städten gesammelt haben. Ziel des Projektes war die Rolle des kulturellen Erbes im Mittelmeerraum kritisch zu beleuchten. Man wollte sich der Geschichte und der Erinnerung jener Menschen widmen, die heute in den urbanen Vierteln und Städten am Mittelmeer leben, meldet der ORF.

Auch Migration und Multikulturalismus sind Themen: Wie wird kulturelles Erbe in eine zunehmend globalisierten Welt konstruiert? Und wie Konzepte des Kulturbegriffes erweitert werden können, was ist zum Beispiel in Multikulturalität enthalten?

>> zum Artikel beim ORF

>> zur Webseite Mediterranean Voices

"Mediterranean Voices - Mündliche Überlieferung und Kulturelles Brauchtum in Mittelmeer-Städten" heisst ein EU-Projekt, wofuer Ethnologen drei Jahre lang Stimmen, Klänge, Erzählungen und Eindrücke in 13 Städten gesammelt haben. Ziel des Projektes war die Rolle des kulturellen Erbes im Mittelmeerraum kritisch…

Read more