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Unverständliche Wissenschaft: Ohne KI kann man Texte auf Deutsch kaum lesen

Wissenschaftliche Sprache ist künstlich kompliziert, vielleicht besonders auf Deutsch, und vielleicht besonders in den Geisteswissenschaften, auf jeden Fall in der Sozial- und Kulturanthropologie. Auch wenn jetzt immer mehr Artikel und auch Bücher im Netz frei zugänglich sind, so laden diese Texte nicht zum Dialog mit der Öffentlichkeit ein.

Ich wollte gerade etwas schreiben über ein Buch, das Open Access ist, und auf Deutsch, und das aus den Forschungen der Sozial- und Kulturanthropologie der FU Berlin herausspringt, die so von Kürzungen bedroht ist. Doch die Lektüre war alles andere als eine Freude.

Hier ein Ausschnitt eines potenziell interessanten Textes über ein wichtiges aktuelles Thema:

Die systematische und iterative Relevantsetzung der Hautfarbe sowie der ethnischen, kulturellen und religiösen Zugehörigkeit kann als Strategie der Differenzmarkierung verstanden werden, die Zugehörigkeitsordnungen erfahr- und greifbar machen will.

Die Praxis der Differenzmarkierung im deutschen Kontext impliziert vor allem die Zuschreibung bestimmter Merkmale, die immer in Relation zu der hegemonialen Gruppe der weißen Mehrheit deutscher Personen steht. Die konstruierten Zuschreibungen werden häufig als unüberwindbar dargestellt, also „naturalisiert“.

Damit eignen sie sich gerade für eine politische Instrumentalisierung, bei der sie unterschiedliche Arten der In- und Exklusionspraxen begünstigen bzw. beeinträchtigen. Diese althergebrachte und bereits in unterschiedlichen Kontexten untersuchte Form der Differenzmarkierung (vgl. Mills 1997; Hall 1997; Balibar 1990) wird gegenwärtig mit neuen Strategien der Affizierungspraxen verknüpft, um negative Affekte zu mobilisieren, die systematisch auf „Menschen mit Migrationshintergrund“ bezogen werden.

Ich habe diesen Text von Perplexity.ai vereinfachen lassen. Heraus kam Folgendes:

Oft wird in unserer Gesellschaft ganz bewusst auf Merkmale wie Hautfarbe, Herkunft, Kultur oder Religion geachtet. Das soll zeigen, wer „dazugehört“ und wer nicht. Besonders in Deutschland werden Menschen meist nach bestimmten Eigenschaften bewertet – diese Orientierung geschieht immer im Vergleich zur weißen, deutschen Mehrheitsgesellschaft.

Diese Eigenschaften werden oft so dargestellt, als seien sie fest und unveränderbar („so geboren“), was dazu führt, dass Unterschiede zwischen Menschen „natürlich“ wirken. Das wiederum wird politisch genutzt: Es entsteht eine Grundlage, auf der Menschen entweder eingeschlossen oder ausgeschlossen werden können. Wer die Macht über solche Einteilungen hat, kann darüber bestimmen, wie Zugehörigkeit gestaltet wird und wer als „anders“ gilt.

In den letzten Jahren werden diese Methoden mit neuen Strategien verbunden, etwa indem gezielt negative Gefühle gegenüber „Menschen mit Migrationshintergrund“ ausgelöst werden. Dadurch wird die Ablehnung verstärkt und gesellschaftliche Ausgrenzung gefördert

Die KI schreibt kein schlechteres Deutsch als der Mensch, oder?

Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass wissenschaftliche Artikel – nicht nur auf Deutsch – mit der Zeit immer unverständlicher geworden sind, auch für die Forschenden. Thomas Hylland Eriksen, kürzlich verstorben, hat in seinem Buch Engaging Anthropology  dieselbe Entwicklung für die Sozialanthropologie aufgezeigt .

Wissenschaftliche Sprache ist künstlich kompliziert, vielleicht besonders auf Deutsch, und vielleicht besonders in den Geisteswissenschaften, auf jeden Fall in der Sozial- und Kulturanthropologie. Auch wenn jetzt immer mehr Artikel und auch Bücher im Netz frei zugänglich sind, so laden diese…

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Fast keine Artikel auf Deutsch in Open Access Zeitschriften

Seit kurzem ist die altehrwürdige Zeitschrift für Ethnologie  frei zugänglich. Alle Artikel der neueren Ausgaben (ab 2023) sind gratis zu lesen. Doch so gut wie alle Artikel sind auf Englisch.

Paywalls überall: Wie kann man sich noch über Sozial- und Kulturanthropologie / Ethnologie informieren?  hab ich vor vier Jahren gefragt. Zugang zu Wissen, der so essenziell ist für eine funktionierende Demokratie, wird schwieriger, da fast alle Zeitungen und Online-Medien sich vom offenen Internet verabschiedet haben. Neuere Online-Magazine sind auch meist nur für Abonnenten zugänglich, Blogs gibt es auch kaum mehr. Und die Zeitschriften? Die haben eine umgekehrte Entwicklung vollzogen, von geschlossen zu offen. Das wäre der Moment für Zeitschriften – und damit der Wissenschaften, mehr in Kontakt mit der Öffentlichkeit zu treten.  Eigentlich wären Zeitschriften jetzt wichtiger denn je.

Es gibt nicht viele sozial- oder kulturanthropologische Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Neben der Zeitschrift für Ethnologie gibt es noch die  Schweizerische Zeitschrift für Sozial- und Kulturanthropologie sowie Ethnoscripts. Doch in keinem dieser Publikationen findet man – von Buchbesprechungen abgesehen – etwas auf Deutsch zu lesen. Damit bleiben die Texte – auch wegen des Jargons – nur einer Minderheit hierzulande zugänglich.

Die Anglifizierung ist ja eine gute Sache, was den internationalen Austausch betrifft, für den gesellschaftlichen Diskurs im Land jedoch weniger.

Besser sieht es auf Deutsch lediglich in Zeitschriften aus, die sich mehr in Richtung – wie man früher sagte – “Volkskunde” oder “Europäische Ethnologie” orientieren. Beispiele hierfür sind das Hamburger Journal für Kulturanthropologie oder interdisziplinäre Zeitschriften wie suburban.

Damit haben sich die wissenschaftlichen Blätter im deutschsprachigen Raum für einen anderen Weg entschieden als Publikationen in Norwegen, wo es immer noch erstaunlich viele wissenschaftliche Zeitschriften gibt, in denen so gut wie alle  Texte auf Norwegisch sind, so auch in Norsk Antropologisk Tidsskrift.  In Norwegen werden Norwegisch-sprachige Zeitschriften auch besonders vom Staat gefördert.

Auch in der dänischen Tidsskriftet Antropologi lässt sich alles bequem auf seiner Muttersprache lesen, und in der schwedischen Kulturella Perspektiv  zumindest teilweise. Und besonders gut sieht es aus für die Spanisch-Sprechenden; Auf dieser Sprache gibt es fast die meisten offenen Zeitschriften.

Zum Schluss ein Verweis auf den einzigen Artikel auf Deutsch in der Zeitschrift für Ethnologie:

Peter Rohrbacher: Politisches Chamäleon: Richard Thurnwald und seine kolonialethnologischen Ansätze in der NS-Zeit (2/2024)

Und zwei Artikel auf Deutsch gab es in  der Schweizerischen Zeitschrift für Sozial- und Kulturanthropologie in den letzten 5 Jahren:

Mélanie Pitteloud: Sozialfirmen und ihre Beziehungen zu potenziellen Arbeitgeber·innen: Praktiken und Handlungslogiken der Stellenvermittler·innen (2021)

Mira Menzfeld: «Wo ist deine Eifersucht? Wo ist deine Religion?»: Emotionsmanagement in polygynen salafitischen Partnerschaften (2022)

Und – interessant – 2022 gab es eine Extra-Ausgabe von Ethnoscript zum Fall Kabuls 2021 – “eine Sonderausgabe (nicht nur) für die interessierte Öffentlichkeit”, die mehr über Afghanistan und die Taliban wissen möchten mit Texten auf Deutsch und Englisch!

UPDATE: Aber vielleicht spielt das alles ja keine große Rolle, denn: Unverständliche Wissenschaft: Ohne KI kann man Texte auf Deutsch kaum lesen

Aus dem Archiv:

Ist verständliche Sprache unwissenschaftlich?

Verständliche Wissenschaft: Der Siegeszug der Science Slams

Instituts-Webseiten: Immer noch keinen Dialog mit der Öffentlichkeit

Marianne Gullestad and How to be a public intellectual

 

Seit kurzem ist die altehrwürdige Zeitschrift für Ethnologie  frei zugänglich. Alle Artikel der neueren Ausgaben (ab 2023) sind gratis zu lesen. Doch so gut wie alle Artikel sind auf Englisch.

Paywalls überall: Wie kann man sich noch über Sozial- und Kulturanthropologie…

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Instituts-Webseiten: Immer noch keinen Dialog mit der Öffentlichkeit

In den letzten zwölf Jahren hat sich nicht viel verändert. Die Webseiten von Ethnologie- und Sozialanthropologie-Instituten sind heute grösstenteils genauso langweilig wie 2004.


Nicht besonders attraktiv, doch beinhaltet zumindestens eine Stellungsnahme zur Flucht- und Migrationsdebatte: Die Webseite des Freiburger Instituts für Ethnologie.

Damals kam eine Untersuchung des Ethnologischen Institutes der Uni Trier zum Schluss, dass “sich die Inhalte der deutschsprachigen Internetauftritte ethnologischer Universitätsinstitute in erster Linie an den Bedürfnissen der internen Studentenschaft, schon seltener an denen eines kundigen Publikums außerhalb des eigenen Instituts und nur in Ausnahmefällen an denen der Öffentlichkeit orientieren”.

Als ich mir kürzlich sämtliche Webseiten deutschsprachiger Ethnologie- und Sozialanthropologie-Institute (mehr als 30) anschaute, musste ich feststellen, dass sich in den letzten 12 Jahren nicht viel getan hat. Ein Dialog mit der Öffentlichkeit findet immer noch nicht statt. Die Webseiten sind weiterhin nur an eigene Studierende und Forschende sowie Forschungsbürokraten und Sponsoren gerichtet.

Die deutsche Ethnologin, die ich letztes Jahr in Oslo auf einer Konferenz in Oslo traf, hatte recht. Sie war beeindruckt darüber, dass mich die Uni Oslo dafür bezahlt, für die Uniwebseiten mehrere Artikel über eine Konferenz zu schreiben.”So einen Service kenne ich leider überhaupt nicht in Deutschland”, sagte sie. “Für administrative Dinge ist sehr wenig Geld da, die Websites werden häufig von den Sekretärinnen bestückt, die ständig am Rand ihrer Belastbarkeit sind.” (Siehe auch früherer Beitrag zum Thema: Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit)

An Unis in Norwegen ist Kommunikation mit der Öffentlichkeit mittels journalistisch aufgearbeiteter Forschungsnachrichen inzwischen Standard geworden – nachdem Thomas Hylland Eriksen in der Anfangszeit ziemlich lange allein auf weiter Flur war mit seinen Bemühungen, Brücken zwischen Forschung und Öffentlichkeit zu bauen.

Die letzten zehn Jahre hab ich mich deshalb so einigermassen mit Forschungsjournalismus in Oslo übers Wasser halten können. Ich habe sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehrerer Forschungsprojekte interviewt, Studenten während ihrer Feldforschung auf vier Kontinenten angerufen und nach ihren Erfahrungen befragt, Master- und Doktorabhandlungen und neue Bücher vorgestellt – und natürlich viele Zusammenfassungen von Seminaren und Konferenzen geschrieben (siehe u.a. hier).

Die besten Webseiten

Platz 1

Aber es gibt Ausnahmen im deutschsprachigem Raum. Wenn ich eine Rangliste über die besten Institutswebseiten aufstellen müsste, dann hätte ich einen eindeutigen Gewinner – es ist die Webseite des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung in Halle, also kein universitäres Institut.


Klare Nummer 1: Die Webseite des Max Planck-Instituts für ethnologische Forschung in Halle.

Kein anderes Institut im deutschsprachigen Raum präsentiert seine Forschung so ansprechend der Aussenwelt. Zwar ist das News-Archive etwas bürokratisch gehalten und die Beschreibungen der Forschungsprojekte etwas trocken. Doch in der Mediathek gibt es jede Menge Bilder aus der Forschung sowie neun Dokumentarfilme.

Eines der Forschungsprojekte hat einen eigenen Blog, den REALEURASIA Blog, mit imponierend vielen Beiträgen. Das Institut hat auch zwei Beiträge zum Thema Terrorismus beigesteuert: Wie Terroristen gemacht werden (von Günther Schlee) und „Wir tappen immer noch im Dunkeln“ (Interview mit Carolin Görzig)

Eine grosse Anzahl von Working Papers gibt es auch.

Platz 2

Platz zwei würde ich dem Institut für Ethnologie in München vergeben.

Auf den ersten Blick schaut die Münchner Seite so gähnend langweilig wie alle anderen Institutsseiten aus. Eine neue Welt tut sich denjenigen auf, die auf den unscheinbaren Menüpunkt “Schmankerl” klicken. Hier gibt es ansprechend aufgearbeitete Einblicke in die Forschung des Instituts. Es gibt Studentische Filme zu sehen, Ausstellungen sowie Feldforschungsberichte, u.a. über Ökotourismus-Projekte in Mexiko oder Civil Society in Pakistan oder Remoteness & Connectivity – Highland Asia in the World – und zwar mit Bildern und Videos.

Platz 3

Platz 3 würde ich an das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie an der Uni Wien vergeben. Internes dominiert auch hier, doch in der Sektion News gibt es teilweise auch Lesestoff für die interessierte Öffentlichkeit. Es wird auf Interviews mit Forschern hingewiesen (“Migration als Chance, über uns nachzudenken”) und auf Videos über ein Fieldworkslam und einen Berufsinformationsfilm. Ausserdem hat das Institut eine Webseite erstellt zum Thema: ‘Mehr Als Flucht. Initiativen und Hintergründe aus Kultur- und Sozialanthropologischer Perspektive’ (Hier finde ich allerdings die Idee besser als die Durchführung).

Platz 4

Ein guter Kandidat für den vierten Platz sind die Webseiten des Lehrstuhls für Ethnologie und Kulturanthropologie an der Uni Konstanz. Denn dieses Institut hat seit drei Jahren seinen eigenen Blog, wo zu aktuellen Ereignissen Stellung genommen wird, z.B. zu Der Fluch der ‚Kariben‘ – Zu Disneys Darstellung anthropophagischer Ureinwohner in Piraten der Karibik 2 oder wo Forscherinnen selbst von ihrer Forschung berichten wie z.B. Sarah Fuchs in ihrem Beitrag Armut, Kultur oder Menschenhandel? Die „Biographie des Bettelns“ in Senegals Koranschulen.

Platz 5

Zu guter Letzt auf Platz 5 die Facheinheit Ethnologie an der Uni Bayreuth. Gleich auf der Startseite werden wir auf drei studentische Videos hingewiesen, die im Seminar “Schreiben und Mediales Präsentieren: Picturing Anthropology” (SS 2015) von Valerie Hänsch entstanden sind. Herauszuheben ist die umfangreiche Photogalerie mit Bildern von Feldforschung in diversen afrikanischen Ländern.

Habe ich gute Seiten übersehen?

SIEHE AUCH:

Halle, Bern und Basel vorn – Webseiten von Ethnologie-Instituten untersucht (1.9.2004)

Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit (17.5.2010)

Nancy Scheper-Hughes: Public anthropology through collaboration with journalists (7.8.2009)

Michael Schönhuth: Mehr Interesse für eine öffentliche Ethnologie? (15.11.2009)

In den letzten zwölf Jahren hat sich nicht viel verändert. Die Webseiten von Ethnologie- und Sozialanthropologie-Instituten sind heute grösstenteils genauso langweilig wie 2004.

Nicht besonders attraktiv, doch beinhaltet zumindestens eine Stellungsnahme zur Flucht- und Migrationsdebatte: Die Webseite des Freiburger Instituts für…

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Deutschsprachige Ethnologie-Blogs – Ein kurzer Zustandsbericht

Diesen ruhigen, stets sonnigen Weihnachtstag in Kairo, nehme ich als Anlass, einen kurzen Blick auf die deutschsprachige Ethnologie-Blogosphäre zu werfen. Einiges hat sich verändert, seitdem es wegen meiner veränderten Lebenssituation auf antropologi.info ruhiger geworden ist.

Einige neue Blogs, die sich mit Ethnologie, bzw Sozial- oder Kulturanthropologie beschäftigen, sind hinzugekommen, während mehrere beliebte Blogs am Einschlafen sind oder existieren nicht mehr.

Hier zuerst eine Übersicht über neue Blogs

Zu den Blogs, die bessere Zeiten gesehen haben, gehört leider Ethno::log aus München, ein Blog der ersten Generation, mehr als zehn Jahre alt. Nur sehr wenige Posts, die meisten sind Ankündigungen. Wildes Denken, eine Zeitlang einer der besten Blogs, scheint völlig eingeschlafen zu sein, seit März 2013 ist da Funkstille. Ethmundo, das jahrelang gute Magazinbeiträge lieferte, scheint ein ähnliches Schicksal ergangen zu sein. Sämtliche Texte sind verschwunden. Ruhiger geht es auch zu auf dialogtexte.

Weiter eifrig gepostet wird u.a. auf Teilnehmende Medienbeobachtung, dem Ethno-Podcast/Radio Der Weltempfänger und Kulturwissenschaftliche Technikforschung

Die neuesten Beträge deutschsprachiger Blogs gibt es von nun an hier: https://feeds.antropologi.info/german/

Welche Blogs habe ich vergessen?

Diesen ruhigen, stets sonnigen Weihnachtstag in Kairo, nehme ich als Anlass, einen kurzen Blick auf die deutschsprachige Ethnologie-Blogosphäre zu werfen. Einiges hat sich verändert, seitdem es wegen meiner veränderten Lebenssituation auf antropologi.info ruhiger geworden ist.

Einige neue Blogs, die sich mit…

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Ist verständliche Sprache unwissenschaftlich?

Warum nicht nach so langer Stille mit einer positiven Nachricht beginnen? In den Schweizer Medien wurde nämlich Kritik am trockenen, umständlichen Wissenschaftsjargon laut. Sehr gut!

In der alles anderen als radikalen NZZ schreibt Markus Häfliger:

An Unis ist eine bizarre Kultur verbreitet: Akademische Texte werden oft bemängelt, wenn sie komplizierte Sachverhalte einfach erklären. Vor allem in Dissertationen und Habilitationsschriften gibt es einen Zwang zur Kompliziertheit. Akademisch belohnt wird, wer monströse Formulierungen und viel Fachjargon verwendet. Welche Blüten dieses System treibt, erlebte eine Anthropologie-Studentin unlängst an der Universität Freiburg. Die Frau, die nebenher als Journalistin arbeitete, wurde vom Professor dafür kritisiert, dass sie in Seminararbeiten zu kurze Sätze formuliere.

Wir können da einiges von den USA lernen, meint er:

Wie anders gehen amerikanische Hochschulen mit der Sprache um. Dort gehört Rhetorik teilweise zum Pflichtstoff. Schon College-Studenten üben sich in sogenannten Elevator Speeches. Dabei erhält der Student für ein Kurzreferat so lange Zeit, wie eine Fahrt im Aufzug dauert. Das muss genügen, um dem Publikum seinen Gedanken zu präsentieren.

Wo in der Schweiz werden solche Fähigkeiten trainiert? Die Auswirkungen dieses unterschiedlichen Verhältnisses zur Sprache lassen sich an jedem Kiosk erkennen. Sachbücher amerikanischer Wissenschafter werden zu Bestsellern, während Sachbücher schweizerischer Wissenschafter in Bibliotheken verstauben.

>>weiter in der NZZ

Typischerweise ist Markus Häfliger nicht Teil des akademischen Etablissements, sondern Journalist (und ehemaliger Student).

Doch dass diese Kritik vonnöten ist, dürfte keine kontroversielle Aussage sein. Das Problem dürfte an deutschen Unis noch grösser sein. Ich habe sowohl an deutschen Unis wie auch an einer Schweizer Uni (Uni Basel) studiert und empfand Schweizer AkademikerInnen als weniger förmlich (mündlich und schriftlich) als deutsche. Dennoch widerfuhr mir ähnliches wie der oben erwähnten Studentin. U.a. das Einleitungskapitel meiner Feldforschungsarbeit über HipHop “Sein Ding machen” wurde kritisiert. Der Schreibstil sei “zu journalistisch”….

Der NZZ-Artikel hat nur mässige Resonanz bekommen. Eine interessante Diskussion hat Ali Arbia auf zoon politikon angeleiert. Er verteidigt die komplizierte Fachsprache und bekam gute Antworten im Kommentarfeld. Dort ist auch ein Link zu einem Text von Physiker Florian Aigner, der positive Beispiele der Wissenskommunikation aus England und anderen Ländern liefert.

Vor ein paar Monaten ist übrigens eine akademische Zeitschrift ins Leben gerufen wurde, die dem akademischen Jargon den Kampf ansagt – siehe früherer Beitrag Journal of Business Anthropology: Open Access and “Without Jargon”.

Übrigens: Auf seinem Blog Kulturelle Welten informiert uns Joern Borchert über die Konferenz “Rezensieren – Kommentieren – Bloggen: Wie kommunizieren Geisteswissenschaftler in der digitalen Zukunft?”, die vom 31.1. bis 1.2.2013 in München stattfindet – gratis!

SIEHE AUCH

Six reasons for bad academic writing

Thomas Hylland Eriksen (Savage Minds): What is good anthropological writing?

Verständliche Wissenschaft: Der Siegeszug der Science Slams

“Verständlich schreibende Akademiker” – ZEIT lobt Afghanistan-Buch

Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit

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An Unis ist eine bizarre Kultur verbreitet:…

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