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Die gefährlichen (Mainstream-) Medien

Eine der wichtigsten Blogs ist Teilnehmende Medienbeobachtung. Regelmässig zeigen die Autorinnen und Autoren von der Uni Wien auf, wie Medien Vorurteile in der Bevölkerung verbreiten. Damit nicht genug. Viele ihrer Blogbeiträge sind zuvor bereits als Leserbrief in der jeweiligen Redaktion gelandet.

Persönlich bin ich mehr und mehr zur Überzeugung gekommen, dass Mainstreammedien eine der grössten Bedrohungen für Demokratie und friedliches Zusammenleben auf diesem Planeten darstellen. Einen grossen Eindruck hinterliessen bei mir die Forschungen von Sharam Alghasi und Elisabeth Eide.

Ein neueres Beispiel sind die Berichte über “muslim rage”, also über die Proteste gegen den Anti-Islam Film eines Rechtsextremisten.

Es war überall nur eine bedeutungslose Minderheit – in der 20 Millionenstadt Kairo keine 200 Leute, die Steine wurfen. Und denen ging es nicht nur um Religion.

Laut den Mainstream-Medien war jedoch die gesamte “islamische Welt” im Aufruhr. Die Mainstreammedien taten ihr Bestes, die gesamte Religion Islam mit allen Gläubigen als gewalttätige Extremisten zu verurteilen.

Über den Rechtsextremismus des Filmemachers redete dagegen kaum jemand.

Und die friedlichen Proteste, an denen viel mehr Leute teilnahmen (auch Christen) bekamen kaum Aufmerksamkeit. Für die Proteste mehrerer christlicher Bewegungen in Kairo gegen den Film interessierte sich auch kaum jemand. Dies obwohl die Proteste der Christen, so Bloggerin Zeinobia auf Egyptian Chronicles, viel wichtiger gewesen seien als alle die anderen. Die ägyptische orthodoxe Kirche in Alexandria, so Zeinobia weiter, war einer der ersten Institutionen, die den Film verurteilten.

Sind nicht die Journalisten, die solche Feindbilder über Muslime und diese Region verbreiten, schlimmer als die Steinewerfer, frage ich mich.

Denn, so schreibt Ingrid Thurner in ihrem Beitrag Unsere Mitschuld an den Krawallen:

Hierzulande ist es keine Minderheit, die zündelt, sondern mächtige Medien, die Hunderttausende erreichen, und täglich wird noch ein wenig zugelegt. Was bedeutet es für den sozialen Frieden im Lande, wenn die muslimische Bevölkerung regelmäßig in den Zeitungen liest, wie gewalttätig ihre Religion sei? Was bedeutet es für Gläubige, wenn das Recht eingefordert wird, sie und ihre Religion im Namen der Meinungsfreiheit beleidigen zu dürfen?

Zum Glück sind Islamverbände sensibler als manche Kommentare. Sie distanzierten sich und verurteilten die Gewaltakte, ebenso wie viele Politiker der Länder, in denen sie geschahen.

Bei den Protesten gegen Mohamed-Karikaturen, die ein französisches Blatt veröffentlichte, tauchten in Kairo nur 20 Leute auf, schreibt taz-Korrespondent Karim El-Gawhary in einem seiner stets wohltuend anders geschriebenen Texte. Die Einwohner Kairos verbrachten den Freitag lieber im Zoo:

Gleich neben der französischen Botschaft in Kairo befindet sich der gut besuchte Zoo. Gut hundert Schaulustige haben sich am Zaun versammelt, um die 20 Demonstranten zu beobachten. Einer der Schaulustigen meint: „Ich weiß nicht, was exotischer ist, die Tiere im Gehege oder die Demonstranten und die Kameramänner vor der Botschaft.“ Zumindest im Moment hat er beschlossen, den Tieren den Rücken zu kehren.

In einem früheren Beitrag auf Teilnehmende Medienbeobachtung thematisiert Ingrid Thurner eine andere Verallgemeinung: In “Neigen Österreicher eher zu Gewalt?” schreibt sie:

Sehr geehrter Herr Baltaci, sehr geehrte Redaktion,

ein einzelner Türke verübt eine Gräueltat, und die Presse fragt am 26. 5. 2012 “Neigen Türken eher zu Gewalt?”

Kann man von einem einzelnen Mann, der ausrastet, gleich Rückschlüsse ziehen auf alle Personen mit gleicher Nationalität, in diesem Falle gegen 75 Millionen Menschen? (…) Wieso kommt in Fällen, in denen österreichische Männer gewalttätig werden – und davon gab es in den letzten Jahren genug –, niemand auf die Idee zu fragen: „Neigen Österreicher eher zu Gewalt?“

Von Ingrid Thurner ist im vergangenen Jahr ein Text zum Thema Hassposten in Online-Foren. Diskursmuster und Diskursstrategien bei Islamthemen erschienen (leider nicht online). Zum Thema sind von ihr u.a. die Zeitungsbeiträge Alles ist erlaubt? Über das Hass-Posten (Die Presse, 25.11.2010) und Echtnamen schützen vor Bosheit nicht. Ein Plädoyer für die Beibehaltung der Anonymität in Internetforen (Der Standard, 23.8.2011) erschienen.

Für mehr Medienkritik siehe den Blog anders deutsch von Urmila Goel.

SIEHE AUCH:

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Ethnologen: WM-Berichte verbreiten Vorurteile über Afrika

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In Norwegian TV: Indian tribe paid to go naked to appear more primitive

Why anthropologists should study news media

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“Ausländerfreie” Schwimmbäder als Ideal?

“Inländer dürften noch in der Überzahl sein”
“Geringer Inländeranteil”
“Hauptsächlich Inländer”

Solche Angaben macht das Wiener Stadtmagazin Wien-konkret in seiner Übersicht über die Schwimmbäder der österreichischen Hauptstadt. Darauf weisst Ingrid Thurner in ihrem Beitrag Sind die Wiener Bäder fremdenfeindlich? auf dem Blog “Teilnehmende Medienbeobachtung” hin.

Die Wiener Anthropologin bittet “die Verantwortlichen der Gemeinde Wien, dafür zu sorgen, dass öffentliche Institutionen, die auch mit Steuergeldern erhalten werden, nicht mit diskriminierenden Inhalten beworben werden”.

Denn trotz mehrer Medienberichte hat Wien-konkret diese “diskriminierenden und ausgrenzenden Beschreibungen des Publikums einiger städtischer Bäder” nicht entfernt, sondern nur leicht abgeändert.

Das Online-Magazin hat auch eine eigene Seite über “Ausländer in Wien”. “Die Ausländerquote ist in Wien mit 20,5% (Stand September 2009) ziemlich hoch”, lesen wir da. Und “Viele Wienerinnen und Wiener haben Angst vor der Überfremdung Wiens.”

Dann folgt eine lange Reihe von Kommentaren, die man früher als rechtsextrem bezeichnet hätte.

Screenshot von wien-konkret.at

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Die Mythen über angebliche religiöse Gewalt in Kairo

Koptische Christen und Muslime geraten in Kairo tödlich aneinander. So wie diese Schweizer Agenturmeldung tönen die meisten Meldungen in deutschsprachigen und internationalen Medien.

Auch Kulturanthropologe Stefan Haderer reduziert in seinem Gastkommentar in der Wiener Zeitung das Massaker in Kairo auf einen religiösen Konflikt.

Kaum jemand erwähnt, dass das Militär (inklusive Staats-Fernsehen), hinter der Gewalt stand, und vermutlich bezahlte Provokateure wie damals Mubarak benutzte, um Christen und Muslime aufeinander zu hetzen, um so ungestört weiterzuherrschen (“Divide and Rule”). Stattdessen präsentieren deutschsprachige Medien, u.a. die Sueddeutsche den regierenden Militärrat (SCAF) und den Präsidenten als verantwortungsvolle Kräfte, die die Bevölkerung zur Besinnung aufrufen. Dabei gilt SCAF für viele Aktivisten als einer der Hauptfeinde der Revolution.

Kaum jemand erwähnte, dass nicht nur die Christen (Kopten) demonstriert hatten, sondern auch viele Muslime für die Rechte der Christen auf die Strasse gingen und beim Kampf gegen das Militär ihr Leben einsetzten, und vermutlich hat keine Zeitung das Bild des Salafisten, der ein Kreuz trägt, gedruckt und die Demonstranten zitiert, die laut ruften, es drehe sich nicht um ein Religionskonflikt, sondern um ein Militärmassaker und “Christen und Muslime sind eine Hand”.

Ein Blick auf lokale Medien und Blogs gibt ein ganz anderes Bild als die Lektüre internationaler Medien.

Ich habe mehr dazu in meinem Beitrag in Englisch geschrieben The Cairo massacre and How to invent “religious conflicts”.

Koptische Christen und Muslime geraten in Kairo tödlich aneinander. So wie diese Schweizer Agenturmeldung tönen die meisten Meldungen in deutschsprachigen und internationalen Medien.

Auch Kulturanthropologe Stefan Haderer reduziert in seinem Gastkommentar in der Wiener Zeitung das Massaker in Kairo auf…

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– Ethnisierung verhindert Frieden

Kirgisien: Ethnischer Konflikt nur vorgeschoben, meldet pressetext.ch.

In dieser Pressemeldung warnt Ethnologin Sophie Roche vor einer Ethnisierung des Konfliktes.

Die Lage in Kirgisien verschärfe sich unnötig, wenn Politiker und Medien die jüngsten Konflikte in der Ex-Sowjetrepublik vereinfacht als Auseinandersetzung von Volksgruppen darstellen, sagt sie:

“Man wird der Situation viel eher gerecht, wenn man die Spannungen als Folge der wachsenden Bevölkerung, der Jugendarbeitslosigkeit oder des Ressourcenkampfes ansieht. Die Ethnisierung, die die Medien betreiben, schaukelt die Lage nur auf und verhindert Frieden.”

Bereits zwei Wochen zuvor hatte eine andere Ethnologin – Judith Beyer – in einem Interview mit dem Deutschlandradio erklaert, warum Ethnizität nicht der Auslöser des Konfliktes ist.

Ethnifizierende Medienberichte sind gang und gäbe. Die Welt schreibt zum Beispiel über die “von ethnischer Gewalt erschütterte Stadt Osch in Kirgistan”, und auch die taz bietet keine alternativen Perspektiven, das Blatt schreibt mehrmals von “ethnischen Unruhen”.

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Ethnologe: “Ethnien und Religion sind keine Kriegsursachen”

Cameroon: “Ethnic conflicts are social conflicts”

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Thesis: That’s why there is peace

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(aktualisiert) Ethnologen: WM-Berichte verbreiten Vorurteile über Afrika

Man soll nicht sagen, Ethnologen würden sich nicht in aktuelle Debatten einbringen. Barbara Meier und Arne Steinforth von der Uni Münster nutzten die Fussball-WM, um einen Dauerbrenner im Fach öffentlich zu diskutieren: die exotisierende Darstellung Afrikas in den Medien.

“Noch ehe der Startschuss zur Fußball-Weltmeisterschaft (WM) in Südafrika gefallen ist, häufen sich die Schauermärchen über archaische „okkulte Praktiken“ im afrikanischen Fußball in den deutschen Medien”, schreiben sie. In vielen Berichten “fertigen die Medien einen ganzen Kontinent als irrational, archaisch und abstoßend ab und bestätigen längst überholte Vorurteile”. Die Medien hätten eine grosse Chance vertan, das Interesse an Gesellschaften Afrikas mit differenzierten Berichten zu wecken:

Schon die Wortwahl mancher Berichte zum Thema „Magie im Fußball“ diskriminiert einen ganzen Kontinent. Afrika mit seinen 53 Staaten, Tausenden von unterschiedlichen Gesellschaften und ebenso vielen Sprachen wird darin zur Heimat von nicht näher be- stimmten „Stämmen“, die ihr Schicksal blind in die Hände von „Hexenmeistern“ und „Scharlatanen“ legen. Viele Berichterstatter haben offenbar einen eingeschränkten Einblick in die Gesellschaften, über die sie schreiben – bedienen aber zuverlässig die Vorurteile ihrer Leser. Dadurch verkaufen sie ein exotisches Afrikabild, das dem der „Wilden“ und „Kannibalen“ aus Kolonialtagen in nichts nachsteht.

“Spirituelles Doping” vor dem Fussballmatch gibt es natürlich in Afrika. Aber nicht nur dort. Fußball ist überall auf der Welt von einer Vielzahl von Ritualen umgeben, auch in Deutschland:

Auch in Deutschland knüpfen Spieler, Trainer oder sogar Fans und Vereine Beziehungen zur Welt des Religiösen, wenn sie um sportlichen Erfolg ringen: Spieler berühren beim Einlaufen ins Stadion aus offenbar unerfindlichen Gründen die Seitenauslinie, ihre Brust oder ihre Stirn; Trainer tragen wochenlang rätselhafte Glückskrawatten; Fans empfinden es als Unheil verheißendes Sakrileg, ihre Fan-Trikots während der Saison zu waschen. Fußballvereine machen religiöse Führer zu Vereinsmitgliedern, richten eigene Friedhöfe für Fans ein, oder sie bauen christliche Kapellen in das spirituelle Zentrum ihrer Stadien – genau unter dem Anstoßpunkt.

>> zum Beitrag von Barbara Meier und Arne Steinforth. Mehrere Medien berichteten darüber, u.a. Focus, Stern und die Sueddeutsche (siehe vollstaendiger Medienspiegel).

Doch sind die Ethnologen so viel besser als die Medien? Afrikanet.info hat in den vergangenen Tagen viel über das Afrikabild in den Medien geschrieben. Im Beitrag Selbstbilder vs Fremdbilder stellt Simon Inou das “Afrika der Ethnologen” (“Hier lernen wir wie primitiv AfrikanerInnen sind. Wie folkloristisch unsere Kultur und Kunst sind”) den Bildern mehrerer afrikanischer Zeitschriften (“signalisieren Aufbruch, zeigen ein neues und anderes Afrika“) gegenüber. Afrikanet.info gibt auch Tips: Wie Medienmacher korrekt über Afrika berichten können

Ein Klassiker zum Thema ist der Text How to Write about Africa von Binyavanga Wainaina (siehe deutsche Uebersetzung). Auf ethno::log wurde der Text einmal in einem Klischee-Check benutzt.

AKTUALISIERUNG 14.6.10 Leider fehlen konkrete Quellenangaben im Text der Ethnologen. Doch heute bittet die Märkische Allgemeine mit folgender Schlagzeile um unsere Aufmerksamkeit VÖLKERKUNDE: Ballmagie mit Talisman Ethnologen der FU Berlin über Zauberei und die Bedeutung des Fußballs für Afrika. Platz fuer Kritik ist, da, doch der Fokus ist und bleibt die Magie. Andere Beispiele: Hexenmeister in Afrika – Fußball von allen guten Geistern verlassen (Spiegel 8.6.2010). Fußball in Afrika
Rezension von Oliver G. Becker: “Voodoo im Strafraum” und Bartholomäus Grill: “Laduuuuuma!”
(Deutschlandradio 1.5.10), Voodoo in Afrikas Fußball „Mit Leichenwasser den Gegner schwächen“ (Focus 9.6.10)

Bei dialogtexte.de gibt es Informationen zu “Fußball als transkulturelles Phänomen und “Public Viewing als religiöses Fest”

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“Gewalt gehört zu Indien wie ein gut gewürztes Currygericht” – Ethnologe kritisiert SZ

Ethnologe: Afro-Festivale schüren Vorurteile

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Man soll nicht sagen, Ethnologen würden sich nicht in aktuelle Debatten einbringen. Barbara Meier und Arne Steinforth von der Uni Münster nutzten die Fussball-WM, um einen Dauerbrenner im Fach öffentlich zu diskutieren: die exotisierende Darstellung Afrikas in den Medien. …

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