Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit
8 Kommentare
Kommentar von: lorenz
Hallo Ulf!
Danke fuer den Kommentar. Ich stimme Dir voll zu.
Ja, es dreht sich um ein uniweites Problem, ein europaweites, vielleicht auch weltweites, wie ich in einem frueheren Beitrag besprach.
Hier in Norwegen zum Beispiel werden die Forscher dazu angehalten in prestigetraechtigen “Niveau 2 Zeitschriften” zu publizieren, da dies meisten Publizierungspunkte gibt und damit mehr Kohle fuers Institut. Den Inhalt interessiert niemanden, das Wichtigste ist die Anzahl der Publikationen. Das sind zudem oft sehr teuere Zeitschriften, auf die nur Angehoerige weniger Unis Zugriff haben. Fuer ethnologische Filme - obwohl zentral im Fach und unuebertroffen bzgl Forschungsvermittlung - bekommt man keinen Punkt.
Die letzten Jahre ist mir deutlich geworden, dass Unis sehr konservative Institutionen sind. Die meisten Forscher gehorchen, nur wenige mucken auf und engagieren sich. Viele - besonders juengere - denken an ihre Karriere. Es ist alles andere als einfach, eine feste Stelle zu bekommen.
Es hat sich dennoch einiges getan, nicht zuletzt hier im Netz - immer mehr Forscher bloggen, oeffentliche Forschungs- und Kommunikationsnetzwerke entstehen via facebook, ning oder twitter. Auch wenn man sich die Mainstreammedien anschaut, kann nicht sagen, Ethnologinnen beteiligten sich nicht an der oeffentlichen Debatte.
Interessanterweise sind dies jedoch nicht etablierte Forscher, wie dies mir Michael Schönhuth erklærte.
Kommentar von: Valentine Auer
hallo lorenz,
vielen dank für das aufgreifen dieses themenschwerpunktes der diesjährigen tagen der ksa.
ich stimme ulf und dir vollkommen zu, es liegt natürlich nicht nur an der ksa. das problem liegt auf jeden fall auch daran, dass von wissenschafter_innen (egal welchen) verlangt wird, in bestimmten zeitschriften zu publizieren, popularität und wissenschaft werden oft als gegensätzliche begriffe wahrgenommen und daher kann ich das argument von prof zips des fehlenden symbolischen kapitals teilweise verstehen.
allerdings ist mit der frage der medienarbeit auch die wahrnehmung der ksa in der öffentlichkeit verbunden. ein bsp das sich durch die diskussion gezogen hat, war die verbindung von ksa mit rassistischen argumentationen im falle des asylheimbrandes in kärnten, wo ein “ethnologisches gutachten über das fluchtverhalten von afrikaner_innen” gefordert wurde. in diesem falle geht es meiner meinung weniger darum, forschungsergebnisse öffentlich bekannt zu machen, sondern darum ein bestimmtes bild zu korrigieren, seine oder ihre eigene meinung in den öffentlichen diskurs einzubringen. dies sollte abseits von oft ungern gesehener “populären wissenschaft” passieren: in den dialog mit anderen disziplinen zu treten (wobei es auf jeden fall disziplinen gibt, die populärer sind - vor allem die naturwissenschaften), aktuelle themen mit denen sich die gesellschaft gerade beschäftigt aus einer kultur- und sozialanthropologischen perspektive zu beleuchten, naturwissenschaftliche erkentnisse auch mal raus aus der natur zu holen, anstatt mit dem standardsatz “es ist viel komplizierter” anderen wissenschafter_innen entgegenzutreten ohne zu erklären wie wir glauben, dass “es” ist..
egal ob dadurch symbolisches kapital angehäuft wird oder nicht, sollte es doch ein interesse von anthropolog_innen geben, rassismen, sexismen, exotismen und andere diskriminierende diskurse, die wir tagtäglich in massenmedien finden durch eine anthropologische perspektive zu beleuchten und den menschen einen anderen blickwinkel anzubieten (allerdings ohne den bösen zeigefinger - wink) - umso mehr wenn die eigene disziplin mit rassismen verknüpft wird. insofern stimmt ich ulf zu, dass das argument der fehlenden belohnung hier nicht gelten darf.
ach ja und ich wollte noch auf den podcast von thomas lohninger hinweisen, der sich mit seinem aufnahmegerät während den tagen der ksa in den gängen des instituts umgehört hat.. http://www.talkinganthropology.com
und noch eine letzte bemerkung: zur open access policy der paradigmata wurde seitens der redaktion noch keine entscheidung getroffen. wahrscheinlich wird sie nach einem halben jahr nach dem erscheinungsdatum online verfügbar sein. das erscheinungsdatum der ersten ausgabe wird übrigens in den nächsten 2 wochen sein.
liebe grüße, valentine
Kommentar von: lorenz
Hallo Valentine!
Ja, genau, das meine ich auch! Und klar sollen wir “rassismen, sexismen, exotismen und andere diskriminierende diskurse” herausfordern. Doch solche subversiven Aktivitaeten kommen nicht gut an - weder innerhalb und ausserhalb der Unimauern. Schon deswegen wird es nicht immer leicht sein Gehoer zu finden.
Auf den Podcast hatte ich uebrigens bereits hingewiesen
Ich hoffe, Ihr entscheidet Euch doch noch fuer die Open Access Variante, eben um das zu unterstuetzen, was Du hier forderst
Kommentar von: Martin Henking
Hallo zusammen,
die klassischen Medien sind heutzutage nicht mehr von großem öffentlichen Interesse, aber wir haben das Internet und sollten meiner Meinung am besten dort Werbung für Ethnologie machen, Web 2.0 Sites nutzen (Blogs, YouTube, Facebook, MyOnID,Twitter, Podcasts, etc…), um unser Fach bekannter machen. Wenn wir diese Möglichkeiten nutzen, dann hat unser Fach eine Chance viele Menschen zu erreichen. Man könnte auch den e-book Boom nutzen und e-books zu ethnologischen Themen veröffentlichen und zum download anbieten.
Kommentar von: lorenz
Ja, eben, vias Netz ist es einfacher und effektiver. e-buecher ist auch eine gute Idee. Oder apps fuers mobiltelefon, Ipodtouch/iphone? Ich hab kuerzlich eine App entdeckt, die die Klimaveraenderungen erklaert. Mehrere Zeitungen, u.a. die New York Times kann man gratis runteralden und offline lesen, wie waers mit einer ethno/antro-app?
Kommentar von: Valentine Auer
ich glaube eigentlich nicht, dass die “klassischen” medien heute nicht mehr für eine breite masse interessant sind. zeitungen und fernsehen bspw. sind immer noch beliebt, ich sehe das internet als zusätzliches medium und nicht als ein medium, welches fernsehen und vor allem auch zeitschriften und bücher ersetzt. natürlich sind die neuen medien effizienter und schneller, aber ich glaube, dass sich durch die unüberschaubare masse im internet auch nischen bilden und anthropologische angebote auch hauptsächlich von anthropolog_innen genutzt werden für recherche, information, etc (so wie ich sie ja auch nutze)… wenn ich an open access denke sehe ich hauptsächlich den vorteil einer schnelleren und einfachereren recherche für wissenschafter_innen (was ich als sehr gut und wichtig empfinde). um eine disziplin stärker in den öffentlichen diskurs einzubringen sind glaub ich zeitungen und fernsehen machtvoller..
Kommentar von: lorenz
Ja, irrelevant sind Papirzeitungen nicht. Am besten sollte man überall vertreten sein.
Doch ich finde, mittels Internet lassen sich Leute ausserhalb des Faches leichter erreichen.
Fachzeitschriften kaufen nur Speziell interessierte. Zeitungen werden auch nicht von allen gelesen. Das Internet dagegen benutzt jeder.
Dass Antroseiten nur von Antros gelesen werden stimmt nicht. Das zeigt ein Blick in die Webseitenstatistik. Die meisten Besucher bekommt jede Webseite via Google. Internetnutzer googlen “Kastenwesen in Indien", “Sehnsucht Tod” oder “Parallelgesellschaften” (aktuelle Beispiele) und landen dann u.a. auf antropologi.info. Wer auf der Suche ist nach Infos, fragt google.
Nicht jede Fachzeitschrift ist interessant für die Allgemeinheit. Zeitschriften wie Die Maske oder Anthropology Today, die Themen allgemeinverständlich und attraktiv präsentieren, dagegen schon.
Papier ist gut als Zusatz, aber dem Netz sonst in jeder Hinsicht unterlegen (nicht zuletzt auch wenn man an Multimedia und Verlinkung denkt).
Fehlende Medienarbeit in den Wissenschaften (und fehlende Medienprofessionalität!) ist kein Problem der Ethnologie allein, das kann ich aus meiner Erfahrung in geowissenschaftlichen Forschungsbereichen sagen.
Zitat:"Ausserdem werde Medienarbeit nicht belohnt. In der Beurteilung der Arbeit von WissenschafterInnen spiele es keine Rolle, ob Wissenschaft an die Öffentlichkeit kommuniziert wird: Symbolisches Kapital erwerbe man nur über die Publikation in Fachjournalen.”
Zunächst: Was heißt das - Medienarbeit werde nicht belohnt? Wieso muss sie BElohnt werden? Und von wem? Forschung wird zumeist aus den Finanztöpfen der Allgemeinheit bezahlt, also sollte die Allgemeinheit auch mitbekommen dürfen, was die Forschung erbringt. Nicht als Rapport wohlgemerkt, sondern als Information.
Eine Parallelwelt der Forschung bringt der Gesellschaft nichts.
Es sollte das elementare Bedürfnis, ja die moralische Pflicht eines jeden Wissenschaftlers sein, wirkungsvolle Medienarbeit zu leisten. Letztendlich ja auch im Dienste der eigenen Sache.
Es ist gerade in unseren Zeiten wichtig, öffentlich wahrgenommen zu werden, auf den eigenen Forschungsbereich aufmerksam zu machen, die Wichtigkeit der Forschung zum Thema zu machen.
Genauso wichtig sollte es sein, den Elfenbeinturm (der ja für Grundlagenforschung durchaus wichtig ist) vorübergehend auch verlassen zu können, den Kontakt zur Außenwelt (Realität!) nie zu verlieren. Sich und die eigene Forschung durch Feedback reflektieren und einnorden zu können.
Es ist nur zu bequem, sich auf die Aussage zurückzuziehen, dass Medienarbeit “nicht belohnt” werde.
Es hilft nur KURZFRISTIG weiter, sich einzuigeln und Forschungsanträge, interne Forschungsberichte und Endberichte nur für die Datenbanken zu schreiben.
MITTELFRISTIG gibt es kein Geld mehr - von DER Allgemeinheit, die zu dieser Art Forschung berechtigterweise keinen Bezug hat, und diese Bezugslosigkeit irgendwann über politische Wahlen kommuniziert.
Das geradezu technokratische Abarbeiten von (Uni-)Forschungsvorhaben ohne Öffentlichkeitswirkung (und leider viel zu oft auch ohne erkennbaren mittelfristigen Anwendungsbezug!) führt in die Isolation, zur Loslösung von der Gesellschaft, in den Kellerbunker des Elfenbeinturms.
Die Loslösung von der Gesellschaft aber ist letztlich ein Luxus, den sich unsere Gesellschaft auch finanziell nicht leisten kann.
Für mich stellt sich die Frage:
Ist fehlende Medienarbeit in der Wissenschaft nicht auch ein Spiegel der Tatsache, dass in der heutigen Forschungslandschaft dem Fortschritt bei (publikationswürdigen) Inhalten oft weniger Bedeutung zugemessen wird als der Sicherung von Strukturen (Förderungsprogramme, Publikationsindices, Curricula, Netzwerke,…)?
Ulf S., ein “Universitätsinsider” aus Franken