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In Wien: Neues Zentrum zur Jäger- und Sammler-Forschung

Am Museum für Völkerkunde Wien entsteht derzeit ein Zentrum zur Jäger- und Sammler-Forschung, meldet der ORF:

Kernstück des Projekts rund um Helmut Lukas ist eine komparative, kulturanthropologische Studie, das die Subsistenzaktivitäten zweier Jäger- und Sammlergesellschaften untersucht. Zum einen, die Maniq, eine 200 bis 250 Menschen zählende Jäger und Sammler – Gesellschaft in Südthailand. (…) Zum anderen die Anak Dalam oder Orang Rimbo, die die dichten Regenwälder der Provinzen Jambi und Palembang auf der indonesischen Insel Sumatra bewohnen.

Neben einer intensiven kulturökologischen Studie will das Wiener Jäger-und Sammlerprojekt die gesellschaftliche Strukturen der Maniq und Kubu, aber auch die Außenbeziehungen zu sesshaften Gruppen einer gründlichen Analyse unterziehen. Besonderen Wert legen die Forscher auf eine Untersuchung der Wechselbeziehungen und Interaktionen von sozialer und natürlicher Umwelt.

Interessant sind die Positionen der beteiligten Forscher. Christian Wawrinec räumt ein, er hätte diese Gesellschaften anfangs romantisch verklärt. Dies sei nach einem ersten Feldforschungsaufenthalt jedoch anders.

Helmut Lukas bekennt sich als aktionistischer Ethnologe: “Die Daten, die wir sammeln, müssen wir nutzen für diese schwer bedrohten Gruppen”, sagt er. Die Alternative sei, “dass die Mitglieder einer klassenlosen Gesellschaft in dörfliche Strukturen integriert würden, und zwar am untersten Ende der sozialen Skala”. Tamara Neubauer hält das für “westliche Anmassung”. Die wahren Experten ihrer Zukunft seien die Betroffenen selbst, so der ORF.

>> weiter beim ORF

Am Museum für Völkerkunde Wien entsteht derzeit ein Zentrum zur Jäger- und Sammler-Forschung, meldet der ORF:

Kernstück des Projekts rund um Helmut Lukas ist eine komparative, kulturanthropologische Studie, das die Subsistenzaktivitäten zweier Jäger- und Sammlergesellschaften untersucht. Zum einen, die Maniq, eine…

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Ausstellung “Crossing Munich”: Ethnologen für neue Perspektiven in der Migrationsdebatte

Wie können Ethnologen zu einer nuancierteren Migrationsdebatte beitragen? In München startet ab 10. Juli ein neuer Versuch. Zusammen mit Volkskundlern, Historikern und Künstlern haben Studierende und Doktoranden der Ethnologie an der Uni München die Ausstellung “Crossing Munich” konzipiert.

Drei Semester lang hat sich dieses interdisziplinäre Team mit dem Thema Migration in München auseinandergesetzt. Doch die Forschenden waren nicht nur in München unterwegs, sondern auch in Istanbul, Antwerpen oder Pristina im Kosovo.

Sie wollen zeigen, dass man das Thema Migration auch anders diskutieren kann. Migration dreht sich nicht nur um Kultur, Ethnizität oder Integration. Und ob nun Migration eine Bereicherung oder eine Bedrohung darstellt, ist auch nicht die interessanteste Problemstellung.

Die Ausstellung hat auch eine überraschend informative Webseite und ist damit auch für uns interessant, die weit weg von München wohnen.

Einen Einblick in die Ausstellung finden wir unter dem Menuepunkt Projekte.

In ihren Projekten verorten die Forscher die Stadt München in einem globalen Netz von Bewegungen und Verbindungen – sowohl heute wie auch in der Vergangenheit.

Einen spannenden Eindruck macht das Projekt Spedition Schulz. Die Autos und Autowracks, die man von aussen sieht, lassen nicht erahnen, dass die „Spedition Schulz“ Teil eines übergreifenden transnationalen ökonomischen Systems ist, welches München mit Afrika und Vorderasien verbindet:

Die Arbeit „Spedition Schulz“ geht in akribischer Feldforschung den ökonomischen Transaktionen nach und macht die transnationalen familiären, sozialen und ökonomischen Pfade sichtbar, die von diesem Ort ausgehen. (…) So erzählen die Autos, die z.B. über Antwerpen afrikanische Häfen ansteuern, nicht nur eine post-koloniale Geschichte von historischen Handelsnetzwerken und ungleichen Tauschbeziehungen, sondern über die Mikroökonomie eines Speditionsplatzes auch die Geschichte afrikanischen Lebens in München.

Einen wichtigen aber offenbar unbekannten Teil der Geschichte rollt das Projekt Migrantische Kämpfe. Kämpfe der Migration auf:

Bisher ist die Geschichte der Proteste und Kämpfe der MigrantInnen der ersten Stunden der „Gastarbeitsära“ nur in sehr geringem Umfang aufbereitet worden. Allerdings können die Recherchen von „Migrantische Kämpfe – Kämpfe der Migration“ deutlich machen, in welchem breitem Ausmaß sich bereits die sogenannte erste Generation an den Protest- und Streikbewegungen in den 1960er und 1970er Jahren beteiligte und/oder ihre eigenständigen politischen Projekte, Solidaritätsbewegungen und Forderungen nach gleichen Rechten in Bildung, Arbeit und Staatsbürgerrecht entwickelte. (…) Das Wissen um diese Ereignisse wird aber bis heute nur spärlich weitergegeben.

Einen kritischen Beitrag zur Debatte um “Ghettos” in den Vorstädten liefert das Projekt “westend“. Die Migration von Arbeitern aus dem Süden veränderte nämlich den Diskurs über die Verhältnisse in den Vorstädten:

Während zunächst noch die sozialen „krassen Missstände“ (SZ 3.3.1970) in den zu hohen Preisen vermieteten Altbauwohnungen angeklagt wurden, produzierte der bald einsetzende Ghetto-Diskurs (1972) eine andere öffentliche Aufmerksamkeit. Jetzt waren es nicht mehr die Praktiken der Vermieter, sondern „der Zustrom der Gastarbeiter“, der plötzlich mit den als Ghettos stigmatisierten Stadtteilen ein Gesicht bekam. (…) Die Arbeit „westend urban_lab“ startet mit einer kritischen Lektüre des Münchner Ghetto-Diskurses und begibt sich selbst auf historisch-ethnographische Spurensuche ins Westend.

Das Dossier skizziert die Positionen der beteiligten Wissenschaftlerinnen. Die wissenschaftliche Leiterin der Ausstellung, Volkskundlerin/Europäische Ethnologin Sabine Hess, wirft in ihrem Text Welcome to the Container einen kritischen Blick auf die dominierenden Diskurse über Migration und zeigt neue Wege in der Forschung auf (sprachlich jedoch nicht gerade leserfreundlich)

Es ist vor allem wichtig, das Containerdenken und den methodologischem Nationalismus zu überwinden und transnationale Perspektiven anzuwenden.

Mit Containerdenken meint sie folgendes:

Die eigene Gesellschaft oder die Stadtgesellschaft wird als kulturell homogener Zusammenschluss mit deutlichen Grenzen vorgestellt. Naturalistischen, ja gar physikalischen und hydraulischen Gesellschaftsvorstellungen folgend wird das von außen Kommende als Fremdkörper imaginiert, das die „Aufnahmefähigkeit“, die „Belastbarkeit“, die „Integrationskraft“ der nationalen Containergesellschaft herausfordert, aus dem „Gleichgewicht“, ja zum „Überlaufen“ bringt (vgl. Crossing Munich 2009).
(…)
Politisch gesehen bringt das Containermodell dabei eine ungeheuere Rigidität mit sich, die den Prozess der Akkulturation und Neuansiedlung in nationale Loyalitäts- und Identitätsrhetorik kleidet nach dem Motto: „Du kannst kein anderes Vaterland neben mir haben“. Diese Perspektiven sind der derzeitigen Integrationsdebatte tief eingeschrieben, die Integration als Imperativ an die MigrantInnen adressiert.

>> zur Webseite von Crossing Munich

UPDATE 1: Interview mit Sabine Hess in der Sueddeutschen und Ausstellungsbesprechung auf no-racism.net

UPDATE 2: 900 Gäste kamen zur Eröffnung. Crossing Munich wurde ausgewählt an der 4. Internationalen Architektur Biennale Rotterdam teilzunehmen, die unter dem Motto „Open City: Designing Coexistence“ vom 24. September 2009 bis zum 10. Januar 2010 stattfindet. Crossing Munich ist in der Kategorie Diaspora vertreten und wird sich dort neben Projekten aus Taiwan, Tokio, Washington und Leipzig präsentieren.

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Drei Semester…

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“Projekt Migrationsgeschichte”: Kulturwissenschaftler in Container in Innenstadt

Die Geschichten von Migranten ist selten Thema in Museen. Im Rahmen der Heimattage startet ein Projekt zur Migrationsgeschichte in Reutlingen: In Ab dem 14. März werden Ethnologen, Volkskundler und andere Kulturwissenschaftler in einem “Geschichtsbüro auf Zeit” in der Innenstadt Reutlingens zu finden sein, um mit Migranten zu reden, meldet der Alb-Bote.

Projektleiterin Claudia Eisenrieder und drei Mitarbeiter werden in dem Container an der Nikolaikirche bis Mitte Mai nicht nur Interviews führen mit den so genannten Gastarbeitern, die Reutlingen als neue Heimat im Wirtschaftswunderland auserkoren haben, sowie mit den Spätaussiedlern, Flüchtlingen und den Asylbewerbern, die ab den 90er Jahren an den Fuß der Achalm umgesiedelt sind. Sie werden auch “Erinnerungsgegenstände” entgegennehmen.

Zur Zeit nehmen die Forscher Kontakt mit Migranten auf. “Wir möchten einen Aktionskreis mit Vertretern unterschiedlicher Migrantengruppen aufzubauen”, erklärt Eisenrieder.
 
Die Arbeit soll in eine Ausstellung im Heimatmuseum im Frühjahr 2010 münden, sowie in ein Buch oder eine andere Dokumentation.

>> weiter im Albbote

>> mehr Information im Schwäbischen Tagblatt

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Umstrittener “Sitting Bull” im Bremer Überseemuseum

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„Eine solche Ausstellung wäre in den USA schwer vorstellbar“, sagt Ethnologe Christian Feest. Nicht jedoch in Bremen. Im Übersee-Museum ist bis zum 3.5.09 eine Ausstellung über das Leben eines der bekanntesten Indianer zu sehen – Sitting Bull. Zivilisationskritiker erkoren ihn zur Ikone. Doch unter den Lakota-Sioux war er isoliert; seine kompromisslose Haltung gegenueber den Weissen ist bis heute in den USA umstritten.

Christian F. Feest, Direktor des Museums für Völkerkunde Wien, konzipierte die Ausstellung im Auftrag des Kunsthistorischen Museums Wien. „Sitting Bull und seine Welt“ feiert Premiere in Bremen, bevor die Ausstellung nach Finnland und Österreich weiterreist.

>> weiter in der WAZ

>> Webseite der Ausstellung

“Eine große und ziemlich grandiose Ausstellung”, schreibt die Welt, die auch mehrere weiterfuehrende Links gesammelt hat.

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„Eine solche Ausstellung wäre in den USA schwer vorstellbar“, sagt Ethnologe Christian Feest. Nicht jedoch in Bremen. Im Übersee-Museum ist bis zum 3.5.09 eine Ausstellung über das Leben eines der bekanntesten Indianer zu sehen - Sitting Bull. Zivilisationskritiker erkoren ihn…

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Ethnologe holt Bungeespringer aus der Südsee ins Museum

Unsere Vorstellungen über “die anderen” stammen zu einem Grossteil von den Medien. Wer will, dass diese Bilder “ethnologischer” werden, muss sich selber aktiv in den Prozess der Kulturproduktion einmischen, meint Ethnologe Thorolf Lipp, der soeben Pläne fuer eine neue Südsee-Ausstellung vorstellt hat.

Fünf Bewohner von Bunlap, einem kleinen Dorf der Sa auf der Pazifikinsel Pentecost, werden nach München kommen, um Vorurteile über die Südsee herauszufordern. Bekannt geworden sind die Sa als Erfinder des “Bungee-Turmspringens”, das sie seit vielen hundert Jahren praktizieren.

Ethnologe Thorolf Lipp ist Mitglied im “Forum deutsch-pazifischer Begegnungen“:

Seit jeher dienen uns die pazifischen Inseln als ferner Spiegel für unsere eigenen Sehnsüchte nach einem paradiesischen Leben. Dabei machen wir ihre Bewohner nicht selten zu exotischen Statisten und verklären ihre tatsächliche Lebenswirklichkeit. Vorurteile und kulturelle Mißverständnisse sind hier nachhaltiger als anderswo entstanden.

Das “Forum deutsch-pazifischer Begegnungen e.V.” hat sich zum Ziel gesetzt, durch interkulturelle Begegnungen und Austausch zwischen den Völkern gegenseitiges Verständnis jenseits gängiger Südsee-Klischees zu befördern.

UrSprung in der Südsee. Begegnung mit den Turmspringern von Pentecost ist das erste grosse Vorhaben des Vereins. Das Resultat wird im Sommer 2009 im Museum für Völkerkunde München zu sehen sein.

In der Beschreibung des Ausstellungskonzeptes lesen wir:

Die Ausstellung will vermitteln, daß die Kastom Männer, Frauen und Kinder von Bunlap nicht die „letzten Wilden“ sind. Vielmehr wollen wir sie als Vertreter einer überaus lebendigen Kultur vorstellen, in der Tradition, Adaption und Vision eine selbstbewußte und kreative Synthese ergeben.
(…)
Die Sa haben vor vielen hundert Jahren das Turmspringen erfunden, den Vorgänger des heutigen Bungeespringens. Erstaunlich ist, dass die Sa bis heute an den Eckpfeilern ihrer traditionellen Kultur hartnäckig festhalten. Sie tragen Penisbinde und Grassrock, pflegen ihre Überlieferungen und lehnen Kirchen und Schulen ab. Dennoch befindet sich die Kultur der Sa keineswegs im Stillstand, sondern wird beständig kreativ und behutsam weiterentwickelt – vielfach gegen die Trends einer globalisierten Welt.

Zusammen mit Partnern aus Vanuatu gestalten die Ausstellungsmacher eine virtuelle Reise von München in das Dorf Bunlap. Zusätzlich zu den Ausstellungsräumen im Museum wird auf dessen Vorplatz ein künstlicher Sandstrand als Ort der Begegnung in das Ausstellungskonzept integriert. Auf einem Teil des Strandes bauen einige Gäste aus Bunlap einen etwa 20 Meter hohen nanggol, einen traditionellen „Bungee“ Sprungturm aus Holz und Rindenstreifen.

Thorolf Lipp hat uebrigens eine schoene und informative Webseite. Dort erfahren wir, dass er seine Dissertation ueber diese Turmspringer geschrieben hat, die man sogar als pdf herunterladen kann

Auf

kann man sich das Turmspringen, an dem sich auch Kinder beteiligen, näher anschauen:

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