search expand

– Das ist der Tod der Ethnologie!

Er kommt aus einem Pfarrhaus, hat als Kind eine Streetgang gegründet und studierte Ethnologie an einem Institut, wo zwei ausgewiesene Nazis lehrten.

Interviews with German Anthropologists heisst eine neue fachgeschichtliche Webseite, die uns u.a. die Geschichte des Ethnologen Hermann Amborn von der Uni München erzählt.

Er wird auch zu neueren Entwicklungen des Faches befragt. Der 78jährige ist “heilfroh”, damit nichts mehr zu tun zu haben.

Auf die Frage, woran es liegen könne, “dass viele talentierte Leute am akademischen Feld des Faches scheitern”, antwortet er:

Es wird auf Dauer ein Ranking angefordert, wonach möglichst viele Leute promovieren oder ihren Magister machen müssen. Anschließend wird dann bewertet. Hinzu kommt, dass es quasi keinen Mittelbau mehr gibt. Was sollen die Leute da machen? Bilden wir sie aus, damit sie dann woanders hingehen, nach Amerika oder in andere Fachgebiete?

Wenn ich bedenke, dass es beispielsweise Frau Hornbacher, die ich für eine der besten Nachwuchspersonen halte, sehr schwer hatte, nur weil sie zwischen der Ethnologie und der Philosophie steht. Doch genau diese Verbindung halte ich für wichtig! 2010 hat sie nun doch noch eine Professur in Heidelberg bekommen.

Den Bologna-Prozess beurteilt er besonders negativ:

Letztlich verödet die Ethnologie dadurch – mit dem Bachelor können jetzt Fachfremde in unser Fach kommen, die vorher noch gar nicht mit der Ethnologie in Kontakt standen. Personen, die beispielsweise Kommunikationswissenschaften studiert haben und jetzt ihren Master in Visueller Anthropologie machen. Da bleibt die Ethnologie auf der Strecke.

Auch rein formal betrachtet sehe ich keine Vorteile: Jedes Institut macht ja seine eigenen Bologna-Projekte, was das Gegenteil einer Vereinheitlichung darstellt.

Ich bin heilfroh, mit diesen Veränderungen nichts mehr zu tun zu haben, denn das ist nicht nur der Tod der Ethnologie, sondern ganz allgemein der Geisteswissenschaften. Es wird versucht, mit angeblichen Anleihen aus Amerika und mit dem Blick auf die Naturwissenschaften, die geisteswissenschaftlichen Fächer auszutrocknen. Man kann in unserem Fach zwar noch immer etwas über die verschiedenen Regionen erfahren, doch eine Ethnologie ist das bald nicht mehr. Wo sollen jetzt beispielsweise Fragen der Macht oder der interkulturellen Ethik angesiedelt werden?

>> zum Interview (pdf)

Interviews with German Anthropologists ist Teil des Forschungsprojektes Fachgeschichte der bundesdeutschen Ethnologie von 1945 bis 1990 und wurde inspiriert von Alan Macfarlanes Webseite und Videoproject Filmed interviews with leading thinkers. Projektleiter ist Dieter Haller von der Uni Bochum.

SIEHE AUCH:

Exzellenzinitiative bedroht Geisteswissenschaften

Bildungsstreik: Seminar für Ethnologie in Halle besetzt

Er kommt aus einem Pfarrhaus, hat als Kind eine Streetgang gegründet und studierte Ethnologie an einem Institut, wo zwei ausgewiesene Nazis lehrten.

Interviews with German Anthropologists heisst eine neue fachgeschichtliche Webseite, die uns u.a. die Geschichte des Ethnologen Hermann Amborn…

Read more

“Die Frage ist, ob die Unis ein Fach wie Ethnologie brauchen”

Der abtretende Rektor der Uni Bern, Urs Wüngler, wird in einem Interview in der Berner Zeitung gefragt, ob es nicht Zeit wäre sich von “elitären Fächern” wie der Ethnologie zu verabschieden, die “mehr Abgänger heranzieht, als es auf dem Arbeitsmarkt Nachfrage gibt”. Sollte sich die Uni nicht stärker an den Bedürfnissen von Gesellschaft und Wirtschaft ausrichten? Die Frage, so die Journalisten Jürg Steiner und Urs Egli sei, “ob Bern ein Fach wie Ethnologie braucht”.

Wüngler gibt eine meiner Meinung nach sehr gute Antwort.

Die Universität ist in erster Linie der Wissenschaft verpflichtet, sie ist kein Dienstleistungsbetrieb zugunsten der Wirtschaft. Wenn allerdings durch ihre Arbeit wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse erzielt werden, umso besser.

Es sei zudem nicht richtig, dass Ethnologen nicht gefragt seien auf dem Arbeitsmarkt. “Die Arbeitslosigkeit unter den Abgängern unserer Uni ist extrem klein, auch in Fachgebieten, von denen man meint, es gebe zu viele Absolventen”, so Wüngler.

Zur Ethnologie sagt er:

Natürlich überlebt Bern auch ohne Ethnologen, aber die Kulturwissenschaften an unserer Universität würden es ohne Sozialanthropologie – so nennt sich die Ethnologie heute – nicht. Und es sind gerade die Kulturwissenschaften, die weltweit eine Wachstumsbranche darstellen. Eine Volluniversität lebt von der Diversität, von der Interdisziplinarität. Das ist nicht nice to have, sondern absolut fundamental. Wir sind keine Ingenieurschule, die Berufsausbildungen anbietet. Und deshalb ist die Frage, ob wir in Bern Sozialanthropologie brauchen, tendenziös und geht in die falsche Richtung. Man muss die Universität als Ganzes sehen.

>> zum Interview in der Berner Zeitung

SIEHE AUCH:

Thomas Hylland Eriksen: On the fundamental uselessness of universities

University reforms – a threat to anthropology?

Exzellenzinitiative bedroht Geisteswissenschaften

Uni Bonn schafft Volkskunde / Kulturanthropologie ab

Ethnologie in Halle: Wieder Proteste gegen Kürzungen

Gute Aussichen für die Ethnologie und andere “Orchideen-Fächer”

Arbeitsmarkt: “Auch der überzeugte Ethnologe hat gute Perspektiven.”

Informationstag in München: Ethnologie als Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert

Der abtretende Rektor der Uni Bern, Urs Wüngler, wird in einem Interview in der Berner Zeitung gefragt, ob es nicht Zeit wäre sich von "elitären Fächern" wie der Ethnologie zu verabschieden, die "mehr Abgänger heranzieht, als es auf dem Arbeitsmarkt…

Read more

Uni Bonn schafft Volkskunde / Kulturanthropologie ab

Der drei Jahre lange Kampf für den Erhalt der Volkskunde und Kulturanthropologie an der Uni Bonn ist verloren. Der “Profilbereich” fällt den Sparmassnahmen der Uni zum Opfer. Zum Wintersemenester 2012/13 ist endgültig Schluss.

“Jetzt ist es definitiv: Für den Profilbereich Volkskunde/ Kulturanthropologie gibt es an der Universität Bonn keine Zukunft”, meldet der Bonner Generalanzeiger.

Volkskunde in Bonn hängt am seidenen Faden, hatte das Blatt vor drei Monaten geschrieben, und hier auf antropologi.info lautete es im letzten November noch leicht optimistisch Trotz Teilerfolg Bangen um Kulturanthropologie/ Volkskunde in Bonn.

AKTUALISIERUNG: Jörn Borchert von Kulturelle Welten kommentiert das Ende der Volkskunde. Der Untergang war absehbar, schreibt er:

Eine Disziplin, die keine Fürsprecher aus der Hochkultur hat und nicht deutlich machen kann, was sie zur Verbesserung der Welt beitragen kann, die muss untergehen. (…) Sie hat jahrzehntelang Themen in den Vordergrund gestellt, die keinerlei gesellschaftliche Relevanz besaßen und trat nur dann öffentlich in Erscheinung, wenn Freitag der 13. war oder der Osterhase nach Eiern suchte. War ja ganz lustig, aber nicht so bedeutsam, dass irgendeiner auf die Idee hätte kommen können, dass diese Meldungen etwas mit ernsthafter Wissenschaft zu haben könnten.

SIEHE AUCH:

Ethnologie in Halle: Wieder Proteste gegen Kürzungen

Heidelberg: Kampf gegen Schliessung der Ethnologie-Bibliothek verloren

Exzellenzinitiative bedroht Geisteswissenschaften

Petition gegen Streichungen: Münchner Ethnologiestudierende erzielen erste Erfolge

Berlin: Besetzung des Ethnologischen Instituts half nicht

Kulturwissenschafter kämpfen um Anerkennung

Kein Ethnologiestudium mehr an der Uni Göttingen

Kein Platz mehr für Ethnologie: Uni Innsbruck stutzt “Orchideenfächer”

Protestblog und Bilder: Kollaps des Instituts für Sozialanthropologie in Wien

Der drei Jahre lange Kampf für den Erhalt der Volkskunde und Kulturanthropologie an der Uni Bonn ist verloren. Der "Profilbereich" fällt den Sparmassnahmen der Uni zum Opfer. Zum Wintersemenester 2012/13 ist endgültig Schluss.

"Jetzt ist es definitiv: Für den…

Read more

Wie das Militär an deutschen Hochschulen Fuss fasst

In einem ausführlichen Aufsatz in der Jungen Welt zeigt Politologe Peer Heinelt wie das Militär zunehmend die Forschungsthemen an deutschen Universitäten bestimmt.

Bestimmungen, die Universitäten auf eine ausschließlich zivilen Zwecken dienende Forschung verpflichten, seien häufig blosse Makulatur.

Heinelt erwähnt u.a. die am Institut für Sozialwissenschaften der Uni Oldenburg angesiedelte Arbeitsstelle Interventionskultur. Über das »Netzwerk Interventionskultur« sei sie mit dem Sonderforschungsbereich 700 der Freien Universität Berlin Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit und dem “massgeblich” von der Bundeswehr gestalteten Studiengang Military Studies an der Universität Potsdam verbunden.

Die Kontroversen um die Bundeswehr-Ethnologin Monika Lanik, die an der Universität Tübingen ein Seminar leitete und auch später an der Uni München Werbung für Karriere in der Bundeswehr machte, darf natürlich nicht fehlen.

Im Projekt AirShield an der Technischen Universität Berlin wird kräftig an der Entwicklung von Drohnen geforscht. Dies obwohl die Zivilklausel Rüstungsforschung untersagt.

Alle sogenannten “sicherheitsrelevanten” Entwicklungsvorhaben werden daher zudem von einer Akzeptanzforschung begleitet, wo sicher auch Ethnologen stets gefragt sind.

>> mehr in der Jungen Welt

Heinelt hielt bei den diesjährigen Ostermärschen einen Appell über „Zivil-militärische Zusammenarbeit”

SIEHE AUCH:

Bundeswehr-Werbung im Ethnologie-Seminar?

The dangerous militarisation of anthropology

Immer mehr Ethnologinnen bei der Bundeswehr

Protests against British research council: “Recruits anthropologists for spying on muslims”

Military spies invade anthropology conferences?

Militarisation of Research: Meet the Centre for Studies in Islamism and Radicalisation

Cooperation between the Pentagon and anthropologists a fiasco?

Anthropology and CIA: “We need more awareness of the political nature and uses of our work”

War in Iraq: Why are anthropologists so silent?

Thomas Bargatzky – ein rechtsradikaler Ethnologe?

The return of colonial anthropology?

Selected quotes from “On Suicide Bombing” by Talal Asad

In einem ausführlichen Aufsatz in der Jungen Welt zeigt Politologe Peer Heinelt wie das Militär zunehmend die Forschungsthemen an deutschen Universitäten bestimmt.

Bestimmungen, die Universitäten auf eine ausschließlich zivilen Zwecken dienende Forschung verpflichten, seien häufig blosse Makulatur.

Heinelt erwähnt…

Read more

Trotz Teilerfolg Bangen um Kulturanthropologie/ Volkskunde in Bonn

screenshot

(via evifa) Den Geisteswissenschaften geht es nicht gut in Deutschland. In Bonn wird nun seit über zwei Jahren gegen die Abschaffung der Kulturanthropologie und Volkskunde protestiert.

Und zwar nicht vergeblich. Ein weiterer Teilerfolg wurde vor ein paar Tagen erzielt, meldet Oliver Nagel auf evifa und auf der Protest-Webseite Rettet die Volkskunde.

Kürzungen, die eine Abschaffung des Faches bedeuten würden, sind erstmal erst auf Eis gelegt. Die Fakultät hatte eine Abschaffung der Professur für Kulturanthropologie / Volkskunde vorgeschlagen. Damit wird erst mal nichts, doch die Sache ist damit noch lange nicht gewonnen:

Nach einer langen Diskussion entschied der Fakultätsrat – gegen die Stimmen der studentischen Vertreter – für die Einstellung des laufenden Berufungsverfahrens. Es wurde jedoch zugesichert, dass die Professur für Kulturanthropologie/Volkskunde weiterhin „geparkt” ist und vorerst nicht in andere Fachbereiche verschoben wird. Eine Neuausschreibung ist in absehbarer Zeit wahrscheinlich, hängt aber unmittelbar von den Entwicklungen der nächsten Wochen ab. Die Schließung der kulturanthropologischen Profile im Bachelor- und Master-Studiengang, die ebenfalls auf dem Plan steht, wurde vertagt.

Der Teilerfolg sei durch Unterstützung aus dem Inhalt und Ausland ermöglicht worden.

Am 19.1. gehen die Verhandlungen weiter.

>> mehr Informationen auf rettet-die-volkskunde.de

SIEHE AUCH:

Rettungsaktion gestartet: Kulturanthropologie / Volkskunde an der Uni Bonn wird geschlossen?

Ethnologie in Halle: Wieder Proteste gegen Kürzungen

Heidelberg: Kampf gegen Schliessung der Ethnologie-Bibliothek verloren

Exzellenzinitiative bedroht Geisteswissenschaften

Gute Aussichen für die Ethnologie und andere “Orchideen-Fächer”

screenshot

(via evifa) Den Geisteswissenschaften geht es nicht gut in Deutschland. In Bonn wird nun seit über zwei Jahren gegen die Abschaffung der Kulturanthropologie und Volkskunde protestiert.

Und zwar nicht vergeblich. Ein weiterer Teilerfolg wurde vor ein paar Tagen erzielt, meldet Oliver…

Read more