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Instituts-Webseiten: Immer noch keinen Dialog mit der Öffentlichkeit

In den letzten zwölf Jahren hat sich nicht viel verändert. Die Webseiten von Ethnologie- und Sozialanthropologie-Instituten sind heute grösstenteils genauso langweilig wie 2004.


Nicht besonders attraktiv, doch beinhaltet zumindestens eine Stellungsnahme zur Flucht- und Migrationsdebatte: Die Webseite des Freiburger Instituts für Ethnologie.

Damals kam eine Untersuchung des Ethnologischen Institutes der Uni Trier zum Schluss, dass “sich die Inhalte der deutschsprachigen Internetauftritte ethnologischer Universitätsinstitute in erster Linie an den Bedürfnissen der internen Studentenschaft, schon seltener an denen eines kundigen Publikums außerhalb des eigenen Instituts und nur in Ausnahmefällen an denen der Öffentlichkeit orientieren”.

Als ich mir kürzlich sämtliche Webseiten deutschsprachiger Ethnologie- und Sozialanthropologie-Institute (mehr als 30) anschaute, musste ich feststellen, dass sich in den letzten 12 Jahren nicht viel getan hat. Ein Dialog mit der Öffentlichkeit findet immer noch nicht statt. Die Webseiten sind weiterhin nur an eigene Studierende und Forschende sowie Forschungsbürokraten und Sponsoren gerichtet.

Die deutsche Ethnologin, die ich letztes Jahr in Oslo auf einer Konferenz in Oslo traf, hatte recht. Sie war beeindruckt darüber, dass mich die Uni Oslo dafür bezahlt, für die Uniwebseiten mehrere Artikel über eine Konferenz zu schreiben.”So einen Service kenne ich leider überhaupt nicht in Deutschland”, sagte sie. “Für administrative Dinge ist sehr wenig Geld da, die Websites werden häufig von den Sekretärinnen bestückt, die ständig am Rand ihrer Belastbarkeit sind.” (Siehe auch früherer Beitrag zum Thema: Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit)

An Unis in Norwegen ist Kommunikation mit der Öffentlichkeit mittels journalistisch aufgearbeiteter Forschungsnachrichen inzwischen Standard geworden – nachdem Thomas Hylland Eriksen in der Anfangszeit ziemlich lange allein auf weiter Flur war mit seinen Bemühungen, Brücken zwischen Forschung und Öffentlichkeit zu bauen.

Die letzten zehn Jahre hab ich mich deshalb so einigermassen mit Forschungsjournalismus in Oslo übers Wasser halten können. Ich habe sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehrerer Forschungsprojekte interviewt, Studenten während ihrer Feldforschung auf vier Kontinenten angerufen und nach ihren Erfahrungen befragt, Master- und Doktorabhandlungen und neue Bücher vorgestellt – und natürlich viele Zusammenfassungen von Seminaren und Konferenzen geschrieben (siehe u.a. hier).

Die besten Webseiten

Platz 1

Aber es gibt Ausnahmen im deutschsprachigem Raum. Wenn ich eine Rangliste über die besten Institutswebseiten aufstellen müsste, dann hätte ich einen eindeutigen Gewinner – es ist die Webseite des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung in Halle, also kein universitäres Institut.


Klare Nummer 1: Die Webseite des Max Planck-Instituts für ethnologische Forschung in Halle.

Kein anderes Institut im deutschsprachigen Raum präsentiert seine Forschung so ansprechend der Aussenwelt. Zwar ist das News-Archive etwas bürokratisch gehalten und die Beschreibungen der Forschungsprojekte etwas trocken. Doch in der Mediathek gibt es jede Menge Bilder aus der Forschung sowie neun Dokumentarfilme.

Eines der Forschungsprojekte hat einen eigenen Blog, den REALEURASIA Blog, mit imponierend vielen Beiträgen. Das Institut hat auch zwei Beiträge zum Thema Terrorismus beigesteuert: Wie Terroristen gemacht werden (von Günther Schlee) und „Wir tappen immer noch im Dunkeln“ (Interview mit Carolin Görzig)

Eine grosse Anzahl von Working Papers gibt es auch.

Platz 2

Platz zwei würde ich dem Institut für Ethnologie in München vergeben.

Auf den ersten Blick schaut die Münchner Seite so gähnend langweilig wie alle anderen Institutsseiten aus. Eine neue Welt tut sich denjenigen auf, die auf den unscheinbaren Menüpunkt “Schmankerl” klicken. Hier gibt es ansprechend aufgearbeitete Einblicke in die Forschung des Instituts. Es gibt Studentische Filme zu sehen, Ausstellungen sowie Feldforschungsberichte, u.a. über Ökotourismus-Projekte in Mexiko oder Civil Society in Pakistan oder Remoteness & Connectivity – Highland Asia in the World – und zwar mit Bildern und Videos.

Platz 3

Platz 3 würde ich an das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie an der Uni Wien vergeben. Internes dominiert auch hier, doch in der Sektion News gibt es teilweise auch Lesestoff für die interessierte Öffentlichkeit. Es wird auf Interviews mit Forschern hingewiesen (“Migration als Chance, über uns nachzudenken”) und auf Videos über ein Fieldworkslam und einen Berufsinformationsfilm. Ausserdem hat das Institut eine Webseite erstellt zum Thema: ‘Mehr Als Flucht. Initiativen und Hintergründe aus Kultur- und Sozialanthropologischer Perspektive’ (Hier finde ich allerdings die Idee besser als die Durchführung).

Platz 4

Ein guter Kandidat für den vierten Platz sind die Webseiten des Lehrstuhls für Ethnologie und Kulturanthropologie an der Uni Konstanz. Denn dieses Institut hat seit drei Jahren seinen eigenen Blog, wo zu aktuellen Ereignissen Stellung genommen wird, z.B. zu Der Fluch der ‚Kariben‘ – Zu Disneys Darstellung anthropophagischer Ureinwohner in Piraten der Karibik 2 oder wo Forscherinnen selbst von ihrer Forschung berichten wie z.B. Sarah Fuchs in ihrem Beitrag Armut, Kultur oder Menschenhandel? Die „Biographie des Bettelns“ in Senegals Koranschulen.

Platz 5

Zu guter Letzt auf Platz 5 die Facheinheit Ethnologie an der Uni Bayreuth. Gleich auf der Startseite werden wir auf drei studentische Videos hingewiesen, die im Seminar “Schreiben und Mediales Präsentieren: Picturing Anthropology” (SS 2015) von Valerie Hänsch entstanden sind. Herauszuheben ist die umfangreiche Photogalerie mit Bildern von Feldforschung in diversen afrikanischen Ländern.

Habe ich gute Seiten übersehen?

SIEHE AUCH:

Halle, Bern und Basel vorn – Webseiten von Ethnologie-Instituten untersucht (1.9.2004)

Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit (17.5.2010)

Nancy Scheper-Hughes: Public anthropology through collaboration with journalists (7.8.2009)

Michael Schönhuth: Mehr Interesse für eine öffentliche Ethnologie? (15.11.2009)

In den letzten zwölf Jahren hat sich nicht viel verändert. Die Webseiten von Ethnologie- und Sozialanthropologie-Instituten sind heute grösstenteils genauso langweilig wie 2004.

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Deutschsprachige Ethnologie-Blogs – Ein kurzer Zustandsbericht

Diesen ruhigen, stets sonnigen Weihnachtstag in Kairo, nehme ich als Anlass, einen kurzen Blick auf die deutschsprachige Ethnologie-Blogosphäre zu werfen. Einiges hat sich verändert, seitdem es wegen meiner veränderten Lebenssituation auf antropologi.info ruhiger geworden ist.

Einige neue Blogs, die sich mit Ethnologie, bzw Sozial- oder Kulturanthropologie beschäftigen, sind hinzugekommen, während mehrere beliebte Blogs am Einschlafen sind oder existieren nicht mehr.

Hier zuerst eine Übersicht über neue Blogs

Zu den Blogs, die bessere Zeiten gesehen haben, gehört leider Ethno::log aus München, ein Blog der ersten Generation, mehr als zehn Jahre alt. Nur sehr wenige Posts, die meisten sind Ankündigungen. Wildes Denken, eine Zeitlang einer der besten Blogs, scheint völlig eingeschlafen zu sein, seit März 2013 ist da Funkstille. Ethmundo, das jahrelang gute Magazinbeiträge lieferte, scheint ein ähnliches Schicksal ergangen zu sein. Sämtliche Texte sind verschwunden. Ruhiger geht es auch zu auf dialogtexte.

Weiter eifrig gepostet wird u.a. auf Teilnehmende Medienbeobachtung, dem Ethno-Podcast/Radio Der Weltempfänger und Kulturwissenschaftliche Technikforschung

Die neuesten Beträge deutschsprachiger Blogs gibt es von nun an hier: https://feeds.antropologi.info/german/

Welche Blogs habe ich vergessen?

Diesen ruhigen, stets sonnigen Weihnachtstag in Kairo, nehme ich als Anlass, einen kurzen Blick auf die deutschsprachige Ethnologie-Blogosphäre zu werfen. Einiges hat sich verändert, seitdem es wegen meiner veränderten Lebenssituation auf antropologi.info ruhiger geworden ist.

Einige neue Blogs, die sich mit…

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Ist verständliche Sprache unwissenschaftlich?

Warum nicht nach so langer Stille mit einer positiven Nachricht beginnen? In den Schweizer Medien wurde nämlich Kritik am trockenen, umständlichen Wissenschaftsjargon laut. Sehr gut!

In der alles anderen als radikalen NZZ schreibt Markus Häfliger:

An Unis ist eine bizarre Kultur verbreitet: Akademische Texte werden oft bemängelt, wenn sie komplizierte Sachverhalte einfach erklären. Vor allem in Dissertationen und Habilitationsschriften gibt es einen Zwang zur Kompliziertheit. Akademisch belohnt wird, wer monströse Formulierungen und viel Fachjargon verwendet. Welche Blüten dieses System treibt, erlebte eine Anthropologie-Studentin unlängst an der Universität Freiburg. Die Frau, die nebenher als Journalistin arbeitete, wurde vom Professor dafür kritisiert, dass sie in Seminararbeiten zu kurze Sätze formuliere.

Wir können da einiges von den USA lernen, meint er:

Wie anders gehen amerikanische Hochschulen mit der Sprache um. Dort gehört Rhetorik teilweise zum Pflichtstoff. Schon College-Studenten üben sich in sogenannten Elevator Speeches. Dabei erhält der Student für ein Kurzreferat so lange Zeit, wie eine Fahrt im Aufzug dauert. Das muss genügen, um dem Publikum seinen Gedanken zu präsentieren.

Wo in der Schweiz werden solche Fähigkeiten trainiert? Die Auswirkungen dieses unterschiedlichen Verhältnisses zur Sprache lassen sich an jedem Kiosk erkennen. Sachbücher amerikanischer Wissenschafter werden zu Bestsellern, während Sachbücher schweizerischer Wissenschafter in Bibliotheken verstauben.

>>weiter in der NZZ

Typischerweise ist Markus Häfliger nicht Teil des akademischen Etablissements, sondern Journalist (und ehemaliger Student).

Doch dass diese Kritik vonnöten ist, dürfte keine kontroversielle Aussage sein. Das Problem dürfte an deutschen Unis noch grösser sein. Ich habe sowohl an deutschen Unis wie auch an einer Schweizer Uni (Uni Basel) studiert und empfand Schweizer AkademikerInnen als weniger förmlich (mündlich und schriftlich) als deutsche. Dennoch widerfuhr mir ähnliches wie der oben erwähnten Studentin. U.a. das Einleitungskapitel meiner Feldforschungsarbeit über HipHop “Sein Ding machen” wurde kritisiert. Der Schreibstil sei “zu journalistisch”….

Der NZZ-Artikel hat nur mässige Resonanz bekommen. Eine interessante Diskussion hat Ali Arbia auf zoon politikon angeleiert. Er verteidigt die komplizierte Fachsprache und bekam gute Antworten im Kommentarfeld. Dort ist auch ein Link zu einem Text von Physiker Florian Aigner, der positive Beispiele der Wissenskommunikation aus England und anderen Ländern liefert.

Vor ein paar Monaten ist übrigens eine akademische Zeitschrift ins Leben gerufen wurde, die dem akademischen Jargon den Kampf ansagt – siehe früherer Beitrag Journal of Business Anthropology: Open Access and “Without Jargon”.

Übrigens: Auf seinem Blog Kulturelle Welten informiert uns Joern Borchert über die Konferenz “Rezensieren – Kommentieren – Bloggen: Wie kommunizieren Geisteswissenschaftler in der digitalen Zukunft?”, die vom 31.1. bis 1.2.2013 in München stattfindet – gratis!

SIEHE AUCH

Six reasons for bad academic writing

Thomas Hylland Eriksen (Savage Minds): What is good anthropological writing?

Verständliche Wissenschaft: Der Siegeszug der Science Slams

“Verständlich schreibende Akademiker” – ZEIT lobt Afghanistan-Buch

Weder Zeit noch Geld für Medienarbeit

Warum nicht nach so langer Stille mit einer positiven Nachricht beginnen? In den Schweizer Medien wurde nämlich Kritik am trockenen, umständlichen Wissenschaftsjargon laut. Sehr gut!

In der alles anderen als radikalen NZZ schreibt Markus Häfliger:

An Unis ist eine bizarre Kultur verbreitet:…

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Berliner Ethnologen bloggen zusammen mit kommerziellem Anbieter

Platzprofessor ist der Titel eines neuen Ethnologie-Blogs.

Ziel dieses Blogs ist es laut Selbstdarstelung “die wissenschaftliche Diskussion zum Thema Platz anzuregen beziehungsweise voranzutreiben, und eine Plattform für den interdisziplinären Austausch zu diesem vielschichtigen Thema zu schaffen.”

Der Blog soll auch Studierende, die sich mit dem Thema „Platz“ auseinandersetzen, unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, eigene Arbeiten zu veröffentlichen.

Das Thema Platz kann durchaus interessant sein. Es kann sich z.B. um Zugehörigkeit (“place making”) drehen oder um Leben unter Platzmangel in Grosstädten (Mikro-Studentenwohnungen mit nur 6,8m2) wie es Carmen Keckeis so schön in ihrem Beitrag Effektive Platznutzung in urbanen Räumen beschreibt.

Ins Leben gerufen wurde der Blog interessanterweise vom dem Lehrstuhl für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin in Zusammenarbeit mit einem kommerziellen Anbieter, dem Selbstlageranbieter MyPlace-SelfStorage.

Zwei Beiträge handeln dann auch um das Thema “SelfStorage”: Das banale Bedürfnis nach Stau- und Lagerraum von Carmen Keckeis und Was bedeutet es Lagerraum zu vermieten und etwas Leeres durch Andere füllen zu lassen? von SelfStorage-Chef Martin Gerhardus.

Der Blog wird übrigens auch von SelfStorage gehostet.

Der Blog ist erst vor wenigen Blog gestartet worden und hat erst ein paar Beiträge mit variabler Qualität. Wenig einladend ist das Vorwort, wo Professor Wolfgang Kaschuba zuschlägt mit Begriffen wie “identitäre Konstellationen und Konfigurationen” und Sätzen wie “Aber in seiner geradezu praxeologischen Formatierung scheint der Platz assoziativ wie diskursiv in ganz eigener Weise verfasst: als ein detaillierter, konkretisierter, differenzierter Raum.”

>> weiter zum Platzprofessor-Blog

Platzprofessor ist der Titel eines neuen Ethnologie-Blogs.

Ziel dieses Blogs ist es laut Selbstdarstelung “die wissenschaftliche Diskussion zum Thema Platz anzuregen beziehungsweise voranzutreiben, und eine Plattform für den interdisziplinären Austausch zu diesem vielschichtigen Thema zu schaffen.”

Der Blog soll auch Studierende,…

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Wissenschaft als “Prachtbildband”: Buch zur Wittenberg-Studie erschienen

Fast drei Jahre lang haben 28 Ethnologen und Soziologen das Leben der Stadt Wittenberge im Niedergang teilnehmend beobachtet. Vor einem guten Jahr wurden die Forschungsergebnisse gross in einer Sonderausgabe der ZEIT präsentiert.

Nun liegt das Buch zur Studie vor. Die Märkische Allgemeine stellt es in zwei Beiträgen vor. ÜberLeben im Umbruch. Am Beispiel Wittenberge: Ansichten einer fragmentierten Gesellschaft heisst das von Heinz Bude herausgegebene Werk.

Die Wittenberg-Forschenden sind in vieler Weise neue Wege gegangen. Sie banden Künstler in den Forschungsprozess ein. Sie vermittelten Forschung via Theaterstücke und ZEIT-Sonderbeilage. Gar nicht so typisch akademisch also.

Das Buch scheint auch alles andere als typisch zu sein. Forschung wird via Essays und Bildreportagen einem breiten Publikum vermittelt.

Als “hybriden Klotz” beschreibt Jan Sternberg in der Märkischen Allgemeinen das 360 Seiten starke Buch, als “Prachtband über Niedergang und Weiterwursteln in Wittenberge” mit “aufwendig gestalteter Bild-Text-Kombination”.

Sein Kollege Andreas König ist nicht besonders glücklich über diese Darstellungsform. Der ungewöhnliche Mix aus Reportagen, wissenschaftlichen Beiträgen, Ausschnitte aus Theaterstücke und längeren Foto-Strecken, schreibt er, mache sowohl den Reiz als auch die Schwäche des Buches aus.

SIEHE AUCH:

Forschungsthema: Wie überleben in Wittenberge?

Das Potenzial der Wirtschaftskrise – Riesen-Forschungsprojekt in Wittenberge zu Ende

Webseite des Forschungsprojektes

Fast drei Jahre lang haben 28 Ethnologen und Soziologen das Leben der Stadt Wittenberge im Niedergang teilnehmend beobachtet. Vor einem guten Jahr wurden die Forschungsergebnisse gross in einer Sonderausgabe der ZEIT präsentiert.

Nun liegt das Buch zur Studie vor. Die Märkische…

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