Feldforschung mit der Kamera heisst das Schwerpunktthema der neuesten Ausgabe von journal Ethnologie (6/2005). Einer der Artikel handelt um die neuen Doku-Soaps, in denen hiesige Familien in fuer sie fremde / "exotische" Gegenden leben muessen, z.B. in Sibirien oder auf Tonga.
Wie sind solche "Erlebisdokumentationen" aus ethnologischer Sicht zu bewerten? Bringen sie uns andere Lebensformen naeher?
Urte Undine Frömming sieht sowohl negative wie positive Aspekte. Aus ethnologischer Perspektive, schreibt sie, stören vor allem die klischeehaften und einseitig exotistischen Darstellungen der fremden Gesellschaften. Die meisten Familien in Sibirien wuerden relativ modern leben, und muessen nicht im Winter Holz hacken, um zu ueberleben:
Das, was offensichtlich interessiert, sind die eigenen Landsleute und ihre Läuterungsprozesse durch die Fremde. Die andere Kultur wird mehr oder weniger zur Erlebnis- und Abenteuerkulisse für Zivilisationsüberdrüssige.
Diese Erlebnisdokumentationen geben daher interessante Einblicke in die westliche Moderne und "eignen sich als empirisches Datenmaterial für eine Ethnologie der europäischen Moderne."
Auch haben diese Filme nichts mit ethnologischen Filmen gemein, da sie weder die Gefilmte selbst sprechen lassen und einen Dialog zwischen Filmemachern, Gefilmten und Zuschauern herstellen. Ausserdem:
Die visuelle Anthropologie stellt darüber hinaus die Forderung an FilmemacherInnen, sie sollen sich selbst in den Film einbringen und keine Pseudo-Objektivität vorgaukeln. Dazu gehört auch, dass, wie im Filmstil des Direct Cinéma, auf Interviews und Off-Kommentar verzichtet wird, denn die Bilder sollen für sich selbst sprechen. Bei Sternflüstern und Traumfischern haben wir es mit einer radikalen Verabschiedung des Direct Cinéma zu tun."
Einige Forderungen der ethnologischen Methodenpraxis wuerden jedoch im Reality-TV umgesetzt werden, schreibt sie: Zum Beispiel die teilnehmende Beobachtung: Die deutschen Familien nehmen aktiv am Leben in ihren jeweiligen exotischen Orten teil; sie arbeiten in der Fischfabrik, die Kinder besuchen den Schulunterricht.
Die extrem gewählten Drehorte der Dokumentation, so Urte Undine Frömming, muten allerdings wie der Versuch an, die westlichen modernen Errungenschaften zu bestätigen.
>> zu Journal Ethnologie (es ist kein direkter Link zum Artikel moeglich!!! Das Magazin benutzt ein voellig untaugliches Publizierungssystem!)
SIEHE AUCH:
Big Brother: Vom Kontainer in die Jurte? (Diskussion bei ethno::log zum Thema)
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