Rechtfertigt der gute Zweck einen “menschlichen Zoo”? fragt Ethnologin Katrin Zinoun. Wie sie habe auch ich (mal wieder) ein Mail von Survival International erhalten, in der die Organisation auf “seltene Filmaufnahmen von einem unkontaktierten Volk im Amazonas” aufmerksam macht.
Survival International wird selten kritisiert, und Journalisten widergeben Infos von dieser Organisation brav. Ihr Anliegen scheint nobel zu sein und ist es wohl teils auch: Sie protestieren und starten Kampagnen, wenn z.B. profitgierige Konzerne Regenwaldbewohner von ihrem Land vertreiben. Ja, eine gute Sache.
Doch welches Weltbild vermittelt die Organisation? Wie stellen sie sogenannte “indigene Völker” dar? Dies wäre ein interessantes Thema einer ethnologischen Forschungsarbeit.
Man könnte zum Beispiel ihre Vorstellungen von “ethnischer” und “kultureller” “Reinheit” untersuchen. “Isolation statt Kontakt mit “Fremden” scheint das Motto der Organisation zu sein. Woran erinnert uns dies? Die Gesellschaft für bedrohte Völker ist mehrmals wegen Verbindung zur rechten Szene in Schlagzeilen geraten. Finden wir implizit ähnliches Gedankengut bei Survival International? Was ist von den Zitaten oben auf ihrer Webseite zu halten wie z.B. “Die Fremden sind schlechte Menschen. Sie missbrauchen uns. Ich bleibe lieber im Dschungel.”
Interessant wäre auch eine Untersuchung des “Volk"-Konzeptes. Auffallend sind die Generalisierungen a la “Die Yanomami glauben…” Interne Unterschede scheint es nicht zu geben, und Menschen werden hauptsächlich über die Zugehörigkeit zu ihrem “Volk” definiert.
Und was ist von ihrem Geschichtsverständnis zu sagen wenn sie behaupten “Seit Jahrtausenden konnten sich die Yanomami im südamerikanischen Regenwald entfalten. Nun kämpfen sie um ihr Überleben, da es den Behörden nicht gelingt, sie vor Eindringlingen, Angriffen und Krankheiten zu schützen"?
“Fortschritt kann töten” heisst eine ihrer Kampagnen. Was erzählen ihre Argumente über die Organisation? Träumen die Survival-Aktivisten vom “Edlen Wilden”?
Katrin Zinoun fühlt sich beim Schauen des Videos (siehe unten) an koloniale Völkerschauen erinnert, sie kritisiert den Mythos der “unkontaktierten Völker” und hinterfragt das Motto von Survival International “Wir helfen indigenen Völkern ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft selbst zu bestimmen.”
“Nimmt man tatsächlich an", fragt sie, “diese Völker könnten ihr Leben selbst bestimmen, wenn eine engagierte NGO ihnen quasi vorschreibt, dass sie möglichst isoliert bleiben sollen, weil sie sonst an Zivilisationskrankheiten sterben könnten?
>> weiter auf Katrin Zinouns Blog dialogtexte
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