Mir ist soeben das Interview mit Bundeswehr-Ethnologin Monika Lanik im Schwäbischen Tagblatt zu ihrem umstrittenen Seminar Angewandte Ethnologie und Militär an der Uni Tübingen zugeschickt worden. Es ist nicht im Netz veröffentlicht worden.
Es ist ein eher zahnloses Interview, in dem Journalist Hans-Joachim Lang die Ethnologin nicht wirklich herausfordert. Im Gegenteil, gleich zu Beginn macht er sich über den Widerstand gegen das Seminar lustig:
TAGBLATT: Frau Lanik, Sie kommen von der Bundeswehr. Welche Methoden der Gehirnwäsche haben Sie sich ausgedacht, um die studentischen Teilnehmer Ihres Hauptseminars mit kriegstreibender Propaganda zu infiltrieren?
Lanik muss daraufhin freundlich lachen und antwortet dann:
Ich habe eine gut ausgewogene Literaturliste vorgelegt, einerseits mit Innenansichten aus dem Bereich „Ethnologie und Militär“, andererseits aber auch mit sehr kritischen Stimmen, die aus der Grundlagenforschung der Wissenschaft kommen. Ich will die Studierenden ermuntern, auch selbst im Internet zu recherchieren. Dort ist die Debatte dick vertreten. Die Seminarteilnehmer können dann selbst entscheiden, wie sie ihre Lektüre mit den Ergebnissen ihrer eigenen Recherchen anreichern.
Sie haben die Möglichkeit, ein sehr aktuelles Thema der Ethnologie zu bearbeiten und die Auslandsverpflichtungen der Bundeswehr zu bewerten. Mit allen Diskussionen, die damit verbunden sind, wie etwa interkulturelle Kompetenz in der Bundeswehr und ethnische Konflikte.
Auf die Frage, ob sie überrascht sei von der Resonanz, die ihr Seminar fand, sagt sie:
Was ich nicht erwartet hätte ist diese unglaubliche Polemik, mit der die Kritik verbreitet wird. Und was mir große Sorge macht, ist, dass die eigentliche Problematik verwischt wird. Die vorgetragene Kritik trifft nicht mehr die Kernfragestellung, nämlich ob die Ethnologie im militärischen Gebrauch etwas Gefährliches oder etwas Hilfreiches ist, und wie das kontrolliert werden kann.
Sie betont, dass sie das Seminar als Wissenschaftlerin und nicht als Bundeswehrangehörige leitet.
Wir erfahren einiges über ihre Karriere in der Bundeswehr. Diese startete vor sieben Jahren. Sie bewarb sich da auf eine Stelle für interkulturelle Lagebearbeitung am Zentrum für Nachrichtenwesen. “Damals", so Lanik, “suchte die Bundeswehr Berater, die fähig waren, schnell und zuverlässig zu recherchieren und kulturelle Expertise für die Lagebewertung abzugeben.”
Ethnologen waren gefragt wegen den zunehmenden Auslandseinsätzen, erklärt sie:
Und im Verlauf der interkulturellen Beratung hat sich gezeigt, dass gerade die Ethnologie mit ihrer Kompetenz für nichtmoderne Gesellschaften eine wesentliche Qualifikation ist. Dies wird künftig um so wichtiger, je mehr asymmetrische Kriegsführung und Terrorismus im Focus militärischer Einsätze stehen.
(Interessant, dass sie den ethnozentrischen Begriff “nichtmoderne Gesellschaften” benutzt - we are all modern now)
Ethnologie ist in verschiedenen Bereichen der Bundeswehr gefragt:
Beispielsweise im Zentrum Innere Führung, in dem mehr und mehr interkulturelle Kompetenz verlangt wird. Dann auch in dem Bereich, in dem ich arbeite, Geoinformationswesen, in der die Schnittstelle sehr interessant ist zwischen Naturwissenschaft, Gesellschaftswissenschaft und entsprechender Expertise, die für weitergehende sicherheitspolitische Bewertungen bereitgestellt werden. Ein dritter sehr wichtiger Bereich ist die interkulturelle Beratung im Einsatz.
Lanik selber hat “sehr viel zu tun mit dem Themen Migration, ethnische Konflikte, Ressourcenkonflikte, die in Bezug stehen zu kulturell konnotierten Konflikten.”
Sie verteidigt die Zusammenarbeit von Ethnologie und Militär folgendermassen:
Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass mit einer ethnologischen Expertise, die Konflikte fachgerecht analysiert und die Ergebnisse wieder in die Ausbildung der Soldaten und des Führungspersonals der Bundeswehr einspeist, weniger gewalttätige Konfliktlösungswege von den Militärs beschritten werden. Und sie ist über alle Maßen hilfreich, um unnötiges Verschärfen und unnötiges Abrücken von zivilen Lösungsmöglichkeiten zu verhindern.
Ethnologie im Militär ist ihrer Meinung nach “kontrollierbar so lange die Kommunikation ins Fach aufrecht erhalten wird".
Quelle: Schwäbisches Tagblatt, 23.4.2010, Seite 29.
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